25.02.2013 - Der Senior-Arzt, ein Mann von altem Schrot und Korn, will in seine eingesessene Praxis einen Junior, meinen Mandanten, mit eigener Zulassung in eine Gemeinschaftspraxis aufnehmen. Mehr Umsatz und mehr Zeit für die eigenen Privatpatienten stehen oft dahinter. Und der Junior will die Infrastruktur nutzen, ohne selbst investieren zu müssen. Da hören die gemeinsamen Interessen aber oft schon auf. Schwierig, die beiden vertraglich zusammen zu bringen.

Zuerst scheint alles so schön. Dabei übergehen die beiden bei den ersten Gesprächen alle Tretminen, die so eine Kooperation mit sich bringt. Der Senior will ja im Kern nur einen Angestellten. Er will die Macht und die Kontrolle über seine Praxis behalten. Es ist nicht einfach, dem misstrauischen Senior (Warum nimmt sich dieser Grünschnabel überhaupt auf einmal einen Anwalt?) zu erklären, dass man so etwas vertraglich schon irgendwie hinmurksen kann mit so einem verkappten Angestellten, er aber riskiert, damit vor der KV gehörig auf die Nase zu fallen. Das Stichwort "Honorarrückforderung bei Scheinselbständigkeit" hören beide, die den Himmel schon voller Geigen hängen sehen, nicht gerne. Dem Senior ist auch schwerlich zu vermitteln, wieso er nicht der Senior mit allen Befugnissen einschließlich Personalhoheit und fachlichem Weisungsrecht bleiben kann. Sein Denken wurzelt noch in alten Chefarztzeiten, wo der Chef noch seinen Namen verdiente und seine Assistenzärzte auch ohne weiteres mal vor versammelter Mannschaft zur Minna machen konnte.

Mein dem Gesetz entsprechender Vertragsentwurf sieht moderate und zeitlich gestaffelte Mitspracherechts des Junior, eine finanzielle Einlage und die Übernahme von Risiken vor. Der Entwurf wird mit spitzen Fingern und wachsendem Unbehagen gelesen. Es folgt eine Einführung für den Senior in die Anforderungen an eine freie Arztpraxis. Ich erkläre ihm, dass er, wenn er nur einen weisungsbefugten Arzt in seiner Praxis will, sich von Weiterbildungsassistent zu Weiterbildungsassistent hangeln muss und er dann natürlich auch das Budget der Praxis beibehalten muss. Der Junior ist für meine Erläuterungen offener, er kommt aber auch aus einer anderen Zeit. Der Senior schlägt schließlich - zwischen den Zeilen - vor, man könne doch eine Scheinselbständigkeit aufbauen und vertraglich als freie Arztpraxis in Gemeinschaftspraxis tarnen.

Ich weise darauf hin, dass es immer auf die tatsächlichen Verhältnisse, nicht aber auf den Inhalt des Vertrages ankommt und dass eine solche Konstruktion auch auffliegen kann mit den benannten Konsequenzen. Man vertragt sich. Bei weiteren Gesprächen wird um jede Kommastelle bei der Umsatzbeteiligung und um jedes Mitspracherecht bei Personalfragen gefeilscht. Schließlich liegt ein Kompromiss vor, den beide mit Bauchschmerzen akzeptieren, wobei der Senior eindeutig die größeren Schmerzen hat. Bevor es zu einer Unterzeichnung kommt, nehme ich den Junior, meinen Mandanten, noch einmal ins Gebet: Etwas, das derart zusammengeschweißt wird, hält oft nicht. Bei einer Kooperation sollten beide die Sache wirklich mittragen. Das ist hier nicht der Fall. Ich erwarte, dass der Senior in der täglichen Arbeit doch wieder seine Machtstellung bewahren wird.

Der Vertrag kommt schließlich nicht zustande. Immer noch besser, als wenn mich der Junior dann in zwei Jahren bittet, beim Aufkehren der Scherben der dann gescheiterten Gemeinschaftspraxis zu helfen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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