(21.4.17) Für die Zulassung eines MVZ (hier verwehrt, weil einer der Gründer lediglich Hilfsmittelerbringer und daher seit der Beschränkung der Gründer eines MVZ in § 95 SGB V im Jahr 2012 nicht mehr gründungsberechtigt ist) ist auf die Rechtslage zum Schluss der mündlichen Verhandlung und nicht auf den Zeitpunkt der Stellung des Zulassungsantrages abzustellen, soweit es - wie hier - an einer Übergangsvorschrift fehlt. Mithin wirkt sich die beschränkende Änderung der MVZ-Gründungsberechtigung ab Januar 2012 (seitdem dürfen nur noch zugelassene Ärzte, Krankenhäuser etc. nicht mehr aber Leistungserbringer ein MVZ gründen) zu Lasten der Antragsteller aus. Daher versagte das LSG die Zulassung (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2016 – L 5 KA 4567/14).
(16.4.2017) Übersieht ein Arzt trotz konkreter Anhaltspunkte eine Malaria-Erkrankung einer aus dem außereuropäischen Ausland zurückkehrenden Frau, so stellt dies einen Diagnosefehler sowie einen Behandlungsfehler in Form einer unterlassenen therapeutischen Aufklärung dar. Dass die Patientin vor der Reise keine Malariaprophylaxe betrieben hat, ist ihr nicht als Mitverschulden vorwerfbar, weil es für das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient keinen Unterschied macht, ob der Patient durch eigene Schuld behandlungsbedürftig geworden ist oder nicht. Entwickelt die Patientin in der Folge u.a. ein Hirnödem mit Krampfanfällen und Dauerschäden und fällt in ein zeitweiliges Koma, so rechtfertigt dies ein Schmerzensgeld von EUR 35.000 (OLG Frankfurt, Urteil vom 21. März 2017 – 8 U 228/11).
(13.4.2017) Wird ein Patient im Rahmen einer Operation zur Implantation einer Hüftgelenksendoprothese nicht über das Risiko einer dauerhaften Taubheit/Lähmung im Bein (Nervenverletzung) mündlich aufgeklärt, so ist dies ein Aufklärungsfehler. Der die Operation ausführende Chefarzt hat nachzufragen, ob der Patient von den vorbehandelnden nachgeordneten Ärzten der Klinik über dieses Risiko aufgeklärt wurde. Der dauerhafte und komplette Ausfall des Fußheber- und Fußsenkernervs (Peronaeusparese) rechtfertigt ein Schmerzensgeld von EUR 40.000. Gibt der klagende Patient eine Mindestvorstellung des Schmerzensgeldes von EUR 50.000 an, so ist er hier nicht an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen, da die Unterschreitung des Mindestbetrags 20 % nicht übersteigt (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 23. Juli 2015 – 4 U 18/14).
(28.3.17) Nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt eine Radiologin, die in Urlaubsvertretung in einer radiologischen Praxis radiologische Bilder schriftlich befundet, wenn sie frei entscheiden kann, an welchen Tagen sie arbeitet und sie nach Anzahl der erbrachten Stunden bezahlt wird, wobei sie nicht das Zeiterfassungssystem der Praxis nutzen muss und auch im Übrigen nicht in die Praxisorganisation eingebunden ist (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2017 – L 11 R 2433/16).
(27.3.17) § 17 des Arzneilieferungsvertrages stellt eine Ausschlußfrist dar mit der Folge, dass 12 Monate nach Ende des Monats der Lieferung des Medikaments eine Retaxierung nicht mehr möglich ist (Landessozialgericht Hessen Urteil vom 26.01.2017 - L 8 KR 332/14).
(22.3.17) Bei einer Katarakt-Operation unter Einsatz der Femtosekunden-Lasertechnik, bei denen in ein Auge eine Intraokularlinse implantiert wird, kann die Laserbehandlung als neuartige Behandlungsmethode vom Arzt in entsprechender Anwendung der Nr. 5855 GOÄ i.V.m. § 6 Abs. 2 GOÄ neben der Nr. 1375 GOÄ (extrakapsuläre Katarakt-Extraktion mittels Saug-Spül-Verfahren) abgerechnet werden. Denn der Laser ersetzt hier nicht bloß das von Hand geführte Skalpell, sondern stellt einen neuartigen, eigenständigen medizinischen Mehrwert dar (Amtsgericht Reutlingen, Urteil vom 26.6.2015 - 5 C 1396/14).
(17.3.17) Ein an Dickdarmkrebs erkrankter Patient, der mehrfach operativ behandelt wurde, hat gleichwohl keinen Anspruch auf Behandlung mit fremden dendritischen Zellen (LANEX-DC) auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn die Erkrankung stellt weder einen Seltenheitsfall dar noch stellt ihre anerkannte Behandlung kein Systemversagen dar. Überdies ist die Behandlung mit dendritischen Zellen, sprich einer nicht anerkannten Behandlungsmethode nur zulässig, wenn eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegt, für die es keine angemessene Standardtherapie gibt, was beides bei einem Dickdarmkrebs nicht der Fall ist (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2017 – L 11 KR 2090/16).
(14.3.17) Im Rechtsstreit um eine Verdachtskündigung sind die Verwaltungsgerichte gehalten, den Sachverhalt selbst aufzuklären und zu bewerten, unabhängig von den Entscheidungen der Strafgerichte. Die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätze der Verdachtskündigung sind auch anwendbar auf die von einem Universitätsklinikum wegen des Vorwurfs schwerwiegender Dienstpflichtverletzungen erklärte Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Dienstvertrags mit einem Abteilungsleiter. Die Verdachtskündigung erfordert einen dringenden Tatverdacht einer berufsbezogenen Straftat (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 01. Dezember 2016 – 9 S 911/14).
Die Heilmittelerbringer (z.B. Augenoptiker, Hörgeräteakustiker und Orthopädiemechaniker) sollen die Patienten künftig über Wahlmöglichkeient zwischen verschiedenen zuzahlungsfreien Hilfsmitteln informieren. Up-Coding ist Ärzten nun eindeutig verboten. Patienten haben nun mehr Wahlfreiheit bei zuzahlungsfreien Leistungen der Krankenkassen - zugleich können sie sich bei ihrer Krankenversicherung dazu informieren. Die Sozialversicherungspflicht notärztlicher Tätigkeiten wird klarer geregelt (Bundesrat, Drucksache 135/17 vom 10.3.2017).
(9.3.17) Verstößt ein Arzt (hier privater Schönheitschirurg) fortwährend gegen hygienerechtliche Auflagen der Gesundheitsbehörde und Vorschriften zur Patientensicherheit, so rechtfertigt dies den Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs - der Antrag des Arztes auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Widerruf der Approbation wurde daher vom Verwaltungsgerichtshof zurück gewiesen (Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20.5.2016 - 21 CS 16.752).
(8.3.17) Bei zunehmenden Analschmerzen wegen einer Analfistel hinter dem Rektum sind alleinige Rektoskopien ohne Narkose weder diagnostisch noch therapeutisch ausreichend. Richtig wäre es dann gewesen, die Patientin unter Narkose zu untersuchen und den Abszess freizulegen. Das Unterlassen dieser weiteren Untersuchung stellt einen - in diesem Fall groben - ärztlichen Befunderhebungsfehler dar (Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 11. Februar 2015 – 5 U 747/14).
(6.3.17) Wird eine Schlauchmagenoperation zur Gewichtsreduktion (bariatrische Operation) einer stark adipösen Frau nach erfolgloser Durchführung konservativer Maßnahmen zur Gewichtsreduktion ärztlich empfohlen und liegt kein Ausschluß dieser Operation vom Katalog der gesetzlichen Leistungen der Krankenversicherung vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) vor, so hat ihre gesetzliche Krankenversicherung die Kosten der Operation zu übernehmen. Ab einem Body-Mass-Index von mehr als 50 kg/m² besteht eine absolute Indikation für eine solche bariatrische Operation (Sozialgericht Regensburg, Urteil vom 13. Oktober 2016 – S 2 KR 562/15).
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