Die Nachtschwester einer Neugeborenenstation, die eine eine auffällige Unruhe und Schreckhaftigkeit des knapp 40 Stunden alten Säuglings feststellt, muss unverzüglich einen Arzt hinzuziehen, andernfalls liegt ein grober Behandlungsfehler vor (OLG Koblenz, Urt. v. 30.10.2008 – 5 U 576/07 – )

Hätte sich daraufhin mit Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiger Befund ergeben (im vorliegenden Fall Infektionssymptome) rechtfertigt das eine Beweislastumkehr zu Lasten des Krankenhauses.

Zeigt das Kind ein signifikantes Leitsymptom für eine schwere Infektion (hier Sonnenuntergangsphänomen), kann ein grober ärztlicher Behandlungsfehler darin liegen, dass die notfallmäßige Verlegung in eine spezialisierte Kinderklinik um 45 Minuten verzögert wird.

Unbedenklich und fehlerfrei ist die übliche Praxis der Krankenschwestern und Pfleger, einander bei Übergabe der Station mündlich über alle Auffälligkeiten zu informieren jedenfalls dann, wenn es beim Übergabebericht der zuvor tätigen Kollegen noch nicht zu Beanstandungen gekommen ist. Daher ist das Stationspersonal nicht gehalten, die schriftliche Pflegedokumentation der zuvor tätigen Kollegen sofort einzusehen und zu überprüfen.

Die im Arzthaftungsprozess gesteigerte gerichtliche Aufklärungspflicht entbindet die Parteien (hier: den beweisbelasteten Kläger) nicht von dem Erfordernis, den ihnen bekannten oder zugänglichen Tatsachenstoff so weit vorzutragen, dass sich dem Gericht erschließt, in welche Richtung noch Klärungsbedarf besteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um eine innere Tatsache geht (hier die maßgeblichen Überlegungen für eine Nichtreaktion).

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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