Bei fehlender Aufklärung des Patienten darüber, ob die durchzuführende Behandlung zu den Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, liegt kein wirksamer privatärztlicher Behandlungsvertrag vor und der Patient kann von seiner Kasse keine Kostenerstattung verlangen (SG Köln, Urteil vom 19.02.2010 - S 26 KR 213/07 -).

Im vorliegenden Fall hatte ein gesetzlich versicherter Patient gegen seine Krankenversicherung auf Erstattung privater Behandlungskosten nach § 13 Absatz 3 SGB V (Kostenerstattung) geklagt.

Eine Kostenerstattungsanspruch eines gesetzlich versicherten Patienten gegen seine Krankenversicherung (hier wegen einer regionalen Chemoembolisation, CE) setzt aber einen wirksamen privatärztlichen Behandlungsvertrag voraus. Diesen sah das SG Köln im vorliegenden Fall als nicht vorhanden an. Denn der Arzt ist verpflichtet, den Patienten darüber aufzuklären, ob er die Leistung auch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten kann. Diese Pflicht sah das SG Köln als verletzt an, weshalb der private Behandlungsvertrag nichtig sei. 

Aus den Gründen:

"Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte. Die Erstattung von Kosten setzt sowohl begrifflich als auch nach dem Wortlaut und Zweck der Norm voraus, dass dem Versicherten Kosten entstanden sind.

Vor Beginn der Behandlung muss jedoch ein Versicherter (von dem Arzt) nicht nur genau über die Behandlungsmethoden und die damit verbundenen Risiken, sondern auch darüber informiert werden, ob die durchgeführte Behandlung zu den Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört oder nicht. Außerdem hätte auf die zur Verfügung stehenden alternativen Behandlungsmethoden und die Möglichkeit der Erbringung im stationären Rahmen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung hingewiesen werden müssen. Ferner muss auch über die Höhe der evtl. vom Patienten selbst zu tragenden Kosten aufgeklärt werden.

Bei einem Behandlungsverfahren, das - wie die CE - auch regelmäßig im stationären Bereich durchgeführt wird, ist schon im Rahmen der medizinisch erforderlichen Aufklärung zu erwarten, dass der Behandler auf die Alternative der stationären Behandlung und die Vorteile hinweist. Angesichts der Schilderungen der Klägerin im Erörterungstermin vom 31.10.2008 hätte sich hier nach Auffassung der Kammer eine stationäre Behandlung zum Zwecke der CE im Falle des verstorbenen Ehemannes angeboten. Warum ein vom Patienten selbst ausgewähltes, gänzlich außerhalb der ärztlichen Kontrolle befindliches Hotelzimmer hygienischer und besser zur Gesundung des Patienten geeignet sein soll als ein Krankenhausbett, erschliesst sich der Kammer nicht. Letztendlich müssen für die ärztliche Entscheidung, ein Behandlungsverfahren ambulant oder stationär durchzuführen, vor allem Risikoabwägungen ausschlaggebend sein, die zur erforderlichen Aufklärung des Patienten gehören.

Zudem ist im Rahmen der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht der behandelnde Arzt verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass die von ihm ambulant angebotene Behandlungsmethode von der Krankenkasse möglicherweise nicht übernommen wird, während sie die Kosten bei stationärer Behandlung tragen würde (wie hier bei der CE). Schon mangels Erfüllung dieser Aufklärungspflichten sind keine wirksamen privatärztlichen Behandlungsverträge zwischen dem Ehemann und Prof. Dr. xxxx zustande gekommen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Rechte und Pflichten aus der Ermächtigung nur für den dort genannten Prof. Dr. xxxx gelten, der die aufgelisteten Leistungen gegenüber den Kassenpatienten persönlich erbringen muß und sich nicht von anderen Ärzten vertreten lassen darf. Denn die Ermächtigung ist ihm aufgrund seiner besonderen Sachkunde höchstpersönlich erteilt worden. Hiervon weicht die "privatärztliche Vereinbarung" zulasten des Ehemannes der Klägerin ab, welche auch eine Vertretung des Prof. Dr. xxxx durch andere Krankenhausärzte gestattet und den Ehemann zudem auch noch mit privatärztlichen Kosten belasten soll.

Im übrigen sind gem. § 32 SGB I privatrechtrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften des SGB abweichen, nichtig. Zu diesen Vorschriften gehören auch die Regelungen über das Sachleistungsprinzip, also über die Leistungen, die von den gesetzlichen Krankenversicherungen gegenüber den Versicherten zu erbringen sind. Solche Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung haben die Leistungserbringer, hier also der ermächtigte Chefarzt Prof. Dr. xxxx, dem Versicherten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen und diese dann über die Kassenärztliche Vereinigung abzurechnen. Abgesehen von dem Ausnahmefall der Nichtvorlage einer Krankenversicherungskarte, welcher hier nicht vorlag, darf ein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender Arzt eine gesonderte Vergütung gegenüber dem Versicherten nur dann fordern, soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden und dieses dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt oder wenn für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, vorher die schriftliche Zustimmung des Versicherten eingeholt und dieser auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen wurde. (§ 18 Abs. 8 Ziffer 2 und 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte). Keine dieser Alternativen lag im Falle des verstorbenen Ehemannes der Klägerin vor: Insbesondere ging die Initiative, Privatpatient zu werden, nicht von ihm aus. Vielmehr wurde der Ehemann von den Mitarbeitern des Prof. Dr. xxxx (oder ihm selbst) zur privatärztlichen Honorarvereinbarung gedrängt. Im übrigen sind die streitgegenständlichen Leistungen auch von der im Jahre 2007 gültigen Ermächtigung des Prof. Dr. xxxx gedeckt gewesen und hätten von diesem über die Krankenversicherungskarte des Ehemannes gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden können. Denn dadurch war es Prof. Dr. xxxx erlaubt, u. a. die CE-Behandlung und dazugehörige CT- und MRT-Untersuchungen des Thorax, Oberbauches und Abdomens bei Patienten mit nachgewiesenen Lebermetastasen und thoraklen raumfordernden Prozessen (beide Alternativen lagen beim Ehemann der Klägerin vor) als vertragsärztliche Leistungen zu erbringen. Dies ergibt sich aus den Aussagen des behandelnden Onkologen Dr. xxxx gegenüber der Beklagten sowie aus dem im Vorverfahren beigezogenen MDK-Gutachten. Wie aus den Rechnungen des Prof. Dr. xxxx zu ersehen ist , wurde beim Ehemann die Embolisation einer oder mehrerer Arterien durchgeführt, kombiniert u. a. mit einer CT im Abdominalbereich.

In der Vergangenheit hat das Bundessozialgericht wiederholt entschieden, dass grundsätzlich ein Freistellungs- und Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3,  Fall 1 und 2 SGB V bereits dann ausgeschlossen ist, wenn der Leistungserbringer versucht, Unsicherheiten über den eigenen Zulassungsstatus durch eine Honorarvereinbarung auf den Versicherten abzuwälzen (vgl. BSG, Urteil vom 18.07.2007). Kostenerstattung kann in diesen Fällen schon deshalb nicht verlangt werden, weil eine Honorarforderung des Leistungserbringers (hier: Prof. Dr. xxxx) nicht entsteht und getroffene Entgeltvereinbarungen vielmehr regelmäßig nichtig sind. Denn eine Vertragsgestaltung, die die Unsicherheit des Leistungserbringers hinsichtlich seines Rechtsstatus dem Versicherten anlasten will, der eine Kassenleistung außerhalb des Kostenerstattungsverfahrens nach § 13 SGB V beansprucht, ist als Abweichung vom Prinzip kostenfreier Dienst- und Sach- (Natural-)Leistung regelmäßig gem. § 32 SGB I nichtig. Dem Zweck und der gesetzlichen Ausgestaltung des Naturalleistungsprinzips, Versicherten grundsätzlich kostenfrei die zu beanspruchenden Leistungen zu verschaffen, widerspräche es, wenn zum Nachteil des Versicherten hiervon abweichende Honorarvereinbarungen getroffen werden dürften.

Die Nichtigkeit der Honorarvereinbarung erfasst regelmäßig nicht den Rest des Behandlungsvertrag. Anstelle von Honoraransprüchen kommen in solchen Situationen nach der Rechtsprechung des BSG auch keine gesetzlichen Ansprüche - insbesondere auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus ungerechtfertigter Bereicherung nach dem BGB- gegen den Versicherten in Betracht. Denn dies würde ebenfalls die gesetzliche Regelung des Naturalleistungsprinzips unterlaufen. Im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung hätte Prof. Dr. xxxx dem verstorbenen Ehemann der Klägerin auch die notwendigen Arzneimittel vertragsärztlich verordnen müssen. Privater Rechnungen der Krankenhausapotheke, gerichtet an den Ehemann direkt, hätte es nicht bedurft. Die Klage konnte daher insgesamt keinen Erfolg haben.

Vielmehr bleibt es der Klägerin unbenommen, die streitgegenständlichen Kosten von Prof. Dr. xxxx zurückzufordern."

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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