In einfach gelagerten Fällen (hier Leistenhernien-Operation) kann der Arzt den Patienten grundsätzlich auch in einem telefonischen Gespräch über die Risiken eines bevorstehenden Eingriffs aufklären, wenn der Patient damit einverstanden ist (BGH, Urteil vom 15.6.2010 - VI ZR 204/09 -).

Die Parteien stritten über die Rechtmäßigkeit einer am Telefon erfolgten Aufklärung über die Risiken einer Betäubung bei einer Leistenhernien-Operation eines drei Wochen alten Kindes, der Klägerin. Bei der Operation, die von einem Chirurg und einem Anästhesisiten durchgeführt wurde, kam es zu einem Narkosezwischenfall, aufgrund dessen die Klägerin eine schwere zentralmotorische Störung erlitt.

Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten weil ihre Eltern vor der Operation weder chirurgisch noch anästhesiologisch hinreichend aufgeklärt worden seien.

Der für die Operation vorgesehene Chirurg führte mit der Mutter der Klägerin ein Aufklärungsgespräch in dem Behandlungszimmer seiner Praxis, während der Vater der Klägerin sich im Wartezimmer das schriftliche Aufklärungsformular durchlas, ausfüllte und am Ende, wie später auch die Mutter der Klägerin, unterzeichnete. Warum der Vater der Klägerin nicht an dem Aufklärungsgespräch teilnahm, ist zwischen den Parteien streitig.

Zwei Tage vor der Operation führte der Anästhesist mit dem Vater der Klägerin ein Telefonat von ca. 15 Minuten Dauer als Aufklärung über die bevorstehende Operation, welches der Vater als angenehm und vertrauensvoll beschreibt.

Am Morgen vor der Operation erschienen aufgrund der entsprechenden Aufforderung des Anästhesisten beide Elternteile in der Praxis und unterzeichneten den Anästhesiebogen als Einwilligungsformular.

Der Bundesgerichtshof beanstandet die Aufklärung des Anästhesisten nicht.

Bei einfachen Eingriffen reicht Zustimmung eines Elternteils des Patienten

Das durch den Chirurgen einige Tage vor der Operation geführte Aufklärungsgespräch mit der Mutter der Klägerin sei hinreichend, da es zutreffend und vollständig gewesen sei.

Bei einer Leistenhernien-Operation handelt es sich nach Aussage der im Prozess angehörten Sachverständigen um einen einfachen Eingriff, daher sei eine ausführliche Besprechung der Vorgehensweise und der Risiken mit beiden Elternteilen nicht erforderlich gewesen. Es sei ausreichend, dass der Vater das Aufklärungsformular erhalten, ausgefüllt und unterzeichnet habe. Es seien beide Elternteile  somit ausreichend informiert und einverstanden gewesen. Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats bedarf es bei einem minderjährigen Kind in den Fällen, in denen die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam zusteht, grundsätzlich zu einem ärztlichen Heileingriff zwar der Einwilligung beider Elternteile. Jedenfalls in Routinefällen könne man aber davon ausgehen, dass der mit dem Kind beim Arzt erschienene Elternteil ermächtigt sei, die Einwilligung in die ärztliche Behandlung für den abwesenden Elternteil mit zu erteilen, worauf der Arzt in Grenzen vertrauen dürfe, solange ihm keine entgegenstehenden Umstände bekannt seien. Hier habe aufgrund der besonderen Umstände eines einfachen Eingriffs und der Tatsachen, dass der Vater in der Praxis anwesend war, den Einwilligungsbogen ausgefüllt und mit unterzeichnet hat, der Arzt von der Ermächtigung der Mutter ausgehen können, das Aufklärungsgespräch alleine zu führen.

Bei mittlerer Schwierigkeit und Risikohaftigkeit reicht telefonische Aufklärung

Der BGH hält ebenso die Aufklärung des Anästhesiologen für nicht zu beanstanden. Der Vater sei in dem etwa 15minütigen Telefonat zwei Tage vor der Operation inhaltlich zutreffend und vollständig über den Eingriff und die Risiken informiert worden und habe zudem hinreichend Gelegenheit für Nachfragen erhalten. Er sei überdies auch über die Gefahren, die sich bei der Operation verwirklicht haben, informiert worden.

Nach der Einschätzung der im Prozess gehörten Sachverständigen handelt es sich bei dem Eingriff anästhesiologisch um ein mittleres Anforderungs- und Risikoprofil. Daher war es nach Auffassung des BGH ausreichend, nur den Vater in dem persönlichen Gespräch über die entsprechenden Risiken zu informieren. Zudem habe der Anästhesist darauf bestanden, dass beide Elternteile vor der Operation anwesend seien und habe diesen nochmals Gelegenheit für Fragen gegeben. Beide Elternteile hätten dann ihr Einverständnis mit der Operation erteilt und den Aufklärungsbogen unterzeichnet.

Der BGH stellte fest, dass als persönliches Aufklärungsgespräch in einfach gelagerten Fällen auch ein Telefonat zulässigerweise geführt werden dürfe. Auch in einem solchen telefonischen Aufklärungsgespräch könne sich der Arzt davon überzeugen, dass der Patient die entsprechenden Hinweise und Informationen verstanden habe. Ein Telefongespräch gebe ihm ebenfalls die Möglichkeit, auf individuelle Belange des Patienten einzugehen und eventuelle Fragen zu beantworten. Dem Patienten bleibe es dann unbenommen, darüber hinaus auf einem persönlichen Gespräch zu bestehen. Hier sah der BGH das zwischen dem Anästhesisten und dem Vater der Klägerin geführte Telefonat aufgrund des einfachen Eingriffs als zulässig und ausreichend an, zumal vor der Operation beide Elternteile die Einwilligungserklärung persönlich nach einer weiteren Gelegenheit zu Rückfragen unterzeichneten.

Anmerkung:

Handelt es sich aber um komplizierte Eingriffe mit erheblichen Risiken, wird eine telefonische Aufklärung regelmäßig unzureichend sein.

Zur Sicherheit sollte in jedem Fall in einem persönlichen Gespräch aufgeklärt und dies ordnungsgemäß und umfassend dokumentiert werden. Komplexere Zusammenhänge wie etwa anatomische Gegebenheiten lassen sich nur persönlich erläutern, nicht aber am Telefon.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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