(18.5.2012) Das Verwaltungsgericht Köln entschied, dass die Anordnung des Ruhens der Approbation rechtmäßig ist, wenn ein Strafverfahren eingeleitet wurde wegen des Verstoßes des Arztes gegen das Betäubungsmittelgesetz (hier: verbotene Mitgabe von mehr als zwei Methadon-Einheiten an Patienten zur Selbsteinnahme, sog. "Take-Home-Vergabe", die vom Arzt zugestanden worden war). Denn § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO sieht bereits bei Einleitung eines Strafverfahrens wegen der Verletzung einer Strafnorm, das aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann. (Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 24.04.2012 -7 K 7253/10-).

Anmerkung:

Das Ruhen der Zulassung, gegen die der Arzt hier mit allen Mitteln kämpft, ist nicht das eigentliche Problem des Arztes. Denn das Ruhen ist nur eine vorläufige Maßnahme. Das Ruhen wird nach dem Strafverfahren wieder aufgehoben, soweit es zu keiner Verurteilung kommt. In Anbetracht der gut dokumentierten und durch Zeugenaussagen belegten Verstöße des Arztes gegen das BtMG ist ein Vorgehen gegen die Ruhensanordnung wenig aussichtsreich gewesen.

Sinnvoller erscheint hier die Konzentration auf das Strafverfahren, von dem dem Arzt der eigentliche Schaden droht, nämlich die endgültige Entziehung der Approbation. In einem solchen Fall kann dem Arzt nur geraten werden, die Vorwürfe zuzugeben, alles zur Aufklärung beizutragen und mit den Ordnungsbehörden und der Staatsanwaltschaft konsequent zu kooperieren und so die Ermittlungen zu erleichtern bzw. zu verkürzen. Je früher die Ermittlungen abgeschlossen sind, desto kürzer ist die Dauer des Ruhend der Approbation. Im Gegenzug kann unter Umständen eine Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft geschlossen werden, wonach das Verfahren gegen Auflagen (Geldzahlung) eingestellt wird. Maßgeblich ist, dass der Arzt dabei vorträgt, wie es zu seiner Fehlvorstellung über die Anwendung der Regeln des BtMG kam. Ein solches Missverständnis steht zwar einer Strafe nicht entgegen, kann aber durchaus den Staatsanwalt milder stimmen.

Maßgeblich ist auch, dass der Arzt entlastende Tatsachen vorträgt, z.B. warum er eine Gefährdung der Patienten wegen Mehrfacheinnahme von Methadoneinheiten für ausgeschlossen hielt und wie er sich künftig wohl verhalten wird.

Das Urteil:

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung des Ruhens seiner Approbation als Arzt sowie die Einziehung seiner Approbationsurkunde.

Der Kläger ist approbierter Arzt und seit mehreren Jahren in Bonn in eigener Praxis niedergelassen. Die Schwerpunkte der Praxistätigkeit liegen in der Suchttherapie und hier insbesondere in der Behandlung opiatabhängiger Substitutionspatienten. Der Kläger ist von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVN) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Des Weiteren verfügt er über eine Genehmigung der KVN zur Durchführung von Methadonsubstitutionen an bis zu 100 Patienten. Im Zeitraum zwischen 2006 und 2009 behandelte der Kläger in seiner Praxis auf Grundlage der Genehmigung der KVN 100 Patienten im Rahmen der Methadonsubstitution zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen. Darüber hinaus führte er Substitutionsbehandlungen mit Methadon und L-Polamidon (Levomethadon) an ca. 300 weiteren Patienten durch und ließ sich die Substitutionsbehandlung privatärztlich im Wege der Selbstzahlung vergüten.

Am 12.03.2008 erfolgte seitens des Gesundheitsamtes der Stadt Bonn eine Inspektion und Begehung der Praxisräumlichkeiten des Klägers im Rahmen der Überwachung des Verkehrs mit Betäubungsmitteln nach § 19 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) durch die Amtsapothekerin der Stadt Bonn. Überwachungsschwerpunkt der durchgeführten Inspektion war die Dokumentation der Vergabe von Methadon und L-Polamidon an Substitutionspatienten. In dem von der Amtsapothekerin am 06.10.2008 gefertigten Inspektionsbericht stellte diese mehrere Unregelmäßigkeiten bei der Dokumentation und Abgabe von Betäubungsmitteln an Substitutionspatienten fest. Hiernach habe der Kläger u.a. im Monat Februar 2008 insgesamt ca. 400 Patienten einer Substitutionsbehandlung unterzogen. Für ca. 80 % der behandelten Patienten habe er Vordosierungen von Methadon und L-Polamidon an den in der Praxis befindlichen Substitutionsautomaten für jeweils acht Tage durchgeführt und den Patienten die vordosierten Substitutionspräparate zum Eigengebrauch überlassen. Insoweit habe der Kläger einem Großteil der Patienten Methadon zur eigenverantwortlichen Einnahme ausgehändigt. Im Übrigen sei es dem Kläger bei der Begehung am 12.03.2008 nicht möglich gewesen, für die Substanzen Methadon und L-Polamidon entsprechende Computerausdrucke im Sinne von § 13 Abs. 2 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) vorzulegen.

Mit Bescheid vom 17.12.2008 widerrief die KVN unter Bezugnahme auf die im Inspektionsbericht der Amtsapothekerin der Stadt Bonn vom 06.10.2008 festgestellten Verstöße gegen das BtMG und die BtMVV die dem Kläger erteilte Genehmigung zur Behandlung von bis zu 100 opiatabhängigen Substitutionspatienten und ordnete gleichzeitig die sofortige Vollziehung des Widerrufes an. Gegen den Widerruf der Genehmigung erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Sozialgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 12.03.2009 ab. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde ordnete das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 01.07.2009 die aufschiebende Wirkung mit der Maßgabe an, dass die dem Kläger gestatteten Substitutionsbehandlungen auf 50 Fälle begrenzt seien. Auf die gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen erhobene Verfassungsbeschwerde hob das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27.10.2009 den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen auf und verwies die Sache an dieses zurück. Infolge der insoweit wiederhergestellten aufschiebenden Wirkung der Klage vor dem Sozialgericht war es dem Kläger zwischenzeitlich weiter vorläufig gestattet, 100 Substitutionspatienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen zu behandeln.

Am 11.02.2009 teilte das Landesamt für polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen der Bezirksregierung Köln mit, dass gegen den Kläger wegen des Anfangsverdachtes von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Die Praxis des Klägers sei auf gerichtliche Anordnung hin durchsucht und mehrere Beweismittel sichergestellt worden.

Mit Schreiben vom 30.04.2009, dem Kläger zugestellt am 05.05.2009, teilte die Bezirksregierung Köln mit, dass sie aufgrund des eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens beabsichtige, das Ruhen der Approbation bis zum Abschluss des Strafverfahrens anzuordnen. Zur beabsichtigten Ruhensanordnung erhalte der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.

Am 10.08.2009 teilte das Polizeipräsidium Bonn der Bezirksregierung Köln mit, dass die polizeilichen Ermittlungen gegen den Kläger nunmehr abgeschlossen seien. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen habe der Kläger Methadon trotz des Beikonsums anderer Betäubungsmittel an seine Patienten abgegeben, Methadon auch für längere Zeiträume an Patienten ausgehändigt sowie gegen Abrechnungsvorschriften verstoßen. Die Ermittlungsergebnisse in 51 Fällen seien dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDKN) zur Begutachtung übersandt worden.

Mit Schreiben vom 16.09.2009, dem Kläger zugestellt am 18.09.2009, gab die Bezirksregierung Köln dem Kläger unter Bezugnahme auf ihr erstes Anhörungsschreiben vom 30.04.2009 erneut Gelegenheit, zur beabsichtigten Anordnung des Ruhens der Approbation Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 19.03.2010 beantragte das Polizeipräsidium Bonn bei der Bezirksregierung Köln das Ruhen der Approbation des Klägers anzuordnen. Es bestehe eine konkrete Gefahrenlage für die Gesundheit einer unbestimmten Zahl an opiatabhängigen Patienten, die sich beim Kläger in einer Substitutionsbehandlung befänden. Die Gefahrenlage ergebe sich aus dem aktuellen Ermittlungsstand, wonach umfangreiche Verstöße gegen das BtMG und die BtMVV als nachgewiesen angesehen werden könnten. Zwischenzeitlich seien 65 repräsentativ ausgewählte Patientenakten durch den MDKN ausgewertet worden. In sämtlichen Fällen sei durch den Kläger keine regelgerechte Behandlung erfolgt, es seien vielmehr massive Verstöße gegen geltende gesetzliche Regelungen festgestellt worden. Angesichts der festgestellten Verstöße rege auch der Gutachter des MDKN an, zu prüfen, ob der Kläger grundsätzlich für die Behandlung von Patienten persönlich geeignet sei bzw. ob ihm die Approbation entzogen werden müsse.

Unter dem 27.10.2010 erhob die Staatsanwaltschaft Bonn Anklage gegen den Kläger vor dem Landgericht Bonn. Der Kläger wird hiernach beschuldigt, in der Zeit vom 26.03.2006 bis zum 06.02.2009 durch 3.755 selbständige Handlungen in zwei Fällen gewerbsmäßig Betäubungsmittel entgegen § 13 Abs. 1 BtMG zum unmittelbaren Verbrauch überlassen zu haben, in 3.705 Fällen Betäubungsmittel unerlaubt gewerbsmäßig abgegeben zu haben sowie in 48 Fällen Betäubungsmittel gewerbsmäßig unerlaubt an Personen unter 18 Jahren abgegeben und entgegen § 13 Abs. 1 BtMG zum unmittelbaren Verbrauch überlassen zu haben. Diese Verbrechen und Vergehen seien strafbar gemäß §§ 1, 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 b), Abs. 3 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53, 70, 73, 73a StGB. Die Anklage stützt sich u.a. auf das von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren eingeholte medizinische Gesamtgutachten des Sachverständigen des MDKN, Dr. med. C. U. , vom 30.03.2010, den diesem Gesamtgutachten zugrundeliegenden Einzelfallgutachten in insgesamt 65 Fällen und die Zeugenaussagen der betroffenen Patienten. Der Sachverständige Dr. U. kommt in dem Gesamtgutachten vom 30.03.2010 u.a. zu dem Ergebnis, dass bei der Vergabe von Substitutionsmitteln grobe Missachtungen der gesetzlichen Regelungen zur Vergabe von Substitutionsmitteln festzustellen seien, keine Vernichtungsniederschriften gemäß § 16 BtMG vorhanden gewesen seien, Vernichtungserklärungen für nicht ausgegebene Opiate nicht hätten nachgewiesen werden können, der Kläger Take-Home-Vergaben von Substitutionsmitteln nicht wie vorgeschrieben mittels mitgegebenen Rezeptes, sondern entgegen den Bestimmungen durchweg als Mitgabe aus der Praxis durchgeführt habe, die Take-Home-Vergaben häufig ohne Einhaltung der geforderten Zeit- und Zuverlässigkeitskriterien erfolgt seien sowie trotz bestehenden Beikonsums von Medikamenten mit Abhängigkeitspotential, wie Benzodiazepin, vorgenommen worden seien.

Mit Bescheid vom 12.11.2010, dem Kläger zugestellt am 17.11.2010, ordnete die Bezirksregierung Köln das Ruhen der dem Kläger erteilten Approbation an (Nr. 1) und wies ihn zugleich an, die Approbationsurkunde innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides an die Bezirksregierung Köln zurückzugeben (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe der Approbationsurkunde wurde ferner ein Zwangsgeld i.H.v. 2.000,00 Euro angedroht (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Anklage der Staatsanwaltschaft Bonn vom 27.10.2010 Bezug genommen. Hiernach habe der Kläger entgegen der Vorschriften der BtMVV und der Substitutionsrichtlinien der Bundesärztekammer schon nach wenigen Tagen an Patienten Substitutionsmittel zum Zwecke der eigenverantwortlichen Einnahme außerhalb der Arztpraxis für mehrere Tage vergeben (sog. Take-Home-Vergabe). Vor Beginn der Substitutionsbehandlung habe er die Patienten zudem nicht ausreichend körperlich untersucht, keine umfangreiche Suchtanamnese durchgeführt, kein Therapiekonzept mit dem Ziel der Drogenabstinenz erstellt, nur unregelmäßige Kontrollen hinsichtlich eines substitutionsgefährdenden Beikonsums durchgeführt sowie keine umfangreiche psychosoziale Betreuung der Patienten sichergestellt. Außerdem sei der Kläger nicht im Besitz einer Erlaubnis nach § 3 BtMG. Die der staatsanwaltschaftlichen Anklage zugrunde liegenden Tatvorwürfe begründeten die Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Bundesärzteordnung (BÄO), so dass die Anordnung des Ruhens der Approbation geboten sei. Nach den der Anklageerhebung zugrundeliegenden Beweismitteln, insbesondere nach dem Gesamtgutachten des Sachverständigen Dr. U. , spreche derzeit alles dafür, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen habe und hierfür strafrechtlich verurteilt werde. Es sei davon auszugehen, dass er auch zukünftig seine beruflichen Pflichten als Arzt nicht zuverlässig erfüllen werde, da die vorgeworfenen Taten unmittelbar der ärztlichen Berufsausübung zuzuordnen seien. Die Anordnung des Ruhens der Approbation als Ermessensentscheidung erfolge aus Gründen des Patientenschutzes. Diesbezüglich sei dem Interesse des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Patienten vor dem Interesse des Klägers an der weiterhin uneingeschränkten Berufsausübung der Vorrang einzuräumen. Die Anordnung der Herausgabe der Approbationsurkunde sei erforderlich, um möglichen Missbrauch zu verhindern. Auf die Anhörung sei gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) verzichtet worden, da aus den im Bescheid genannten Gründen eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug erforderlich gewesen sei.

Ausweislich der Nachricht des Landesamtes für zentrale polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen vom 18.11.2010 ist die Praxis des Klägers am 17.11.2010 erneut aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Bonn wegen des Verdachtes der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln durchsucht worden.

Mit Schreiben vom 08.12.2010 teilte die Stadt Bonn der Bezirksregierung Köln mit, dass die Praxis des Klägers zum 17.11.2010 geschlossen worden sei. Die in Behandlung befindlichen Patienten seien im Rahmen eines Notfallplanes von der LVR-Klinik Bonn übernommen worden. Im Zuge der durchgeführten zentralen Notfallsubstitution sei bekannt geworden, dass sich von den behandelten 130 Patienten nur 16 Patienten in einer psychosozialen Betreuung befunden hätten. Von diesen 130 Patienten hätten 34 Patienten regelhaft Benzodiazepine zum Teil in ungewöhnlich hohen Dosierungen erhalten.

Mit Eröffnungsbeschluss vom 20.03.2012 ließ das Landgericht Bonn die Anklage der Staatsanwaltschaft Bonn vom 27.10.2010 zur Hauptverhandlung zu.

Der Kläger hat am 30.11.2010 Klage erhoben. Dem am 13.12.2010 gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das erkennende Gericht durch Beschluss vom 21.12.2010, Az. 7 L 1832/10 stattgegeben.

Zur Begründung der Klage führt der Kläger im Wesentlichen aus, der Bescheid des Beklagten vom 12.11.2010 sei rechtswidrig. In formeller Hinsicht fehle es bereits an der gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW erforderlichen Anhörung des Klägers. Eine vorherige Anhörung sei in jedem Fall erforderlich gewesen, da der Beklagte die Ruhensanordnung lediglich auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft gestützt und keine eigenen Ermittlungen vorgenommen habe. Im Übrigen sei das der Ruhensanordnung zugrunde liegende Ermittlungsverfahren bereits seit über zwei Jahren anhängig gewesen. Der Bescheid enthalte überdies keine den Anforderungen des § 39 Abs. 1 VwVfG NRW entsprechende Begründung. Der Beklagte verzichte vollständig auf die Angabe von Tatsachen und nehme lediglich Bezug auf die staatsanwaltliche Anklageschrift und das sachlich unzutreffende Sachverständigengutachten des Dr. U. . Eine derartige Bezugnahme sei nicht ausreichend, da für den Kläger nicht erkennbar sei, worauf sich die Entscheidung des Beklagten stütze.

Zudem sei der Bescheid auch materiell rechtswidrig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO seien nicht erfüllt, soweit der Beklagte die Ruhensanordnung auf eine unzureichende Anamnese und Dokumentation stütze. Eine unzureichende Anamnese und Dokumentation sei nicht mit Strafe bedroht. Eine Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO könne nur auf Umstände gestützt werden, die auch Gegenstand des Strafverfahrens seien. Der Tatvorwurf des strafrechtlichen Verfahrens erstrecke sich jedoch lediglich auf die angeblich rechtswidrige Take-Home-Vergabe von Methadon, nicht aber auf Mängel von Anamnese und Dokumentation. Ungeachtet dessen könnten auch die Vorwürfe der staatsanwaltschaftlichen Anklageschrift eine Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO nicht rechtfertigen. Denn sowohl die Anklageschrift als auch der Bescheid des Beklagten beruhten in fachlicher Hinsicht einzig auf dem Gutachten des fachlich nicht hinreichend qualifizierten Sachverständigen Dr. U. . Dieses Gutachten leide indes an erheblichen methodischen, fachlichen und logischen Mängeln. Es genüge schon deshalb nicht den wissenschaftlichen Anforderungen, weil der Sachverständige auf ein Schrifttumsverzeichnis und auf jegliche Quellenangaben verzichtet habe. Zudem gehe der Sachverständige von fehlerhaften rechtlichen Voraussetzungen aus. Insoweit sei es unzutreffend, dass die auf Grundlage von § 5 Abs. 11 BtMVV erlassene Richtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger für alle Ärzte rechtlich bindend sei. Dies könne der Rechtsgrundlage schon nach ihrem Wortlaut nicht entnommen werden. Weiterhin sei es unzutreffend, wenn der Sachverständige davon ausgehe, dass die durch den gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Richtlinien auch bei der Behandlung von Privatpatienten bindend seien. Auch dies widerspreche dem eindeutigen Wortlaut des § 135 SGB V. Darüber hinaus habe der Sachverständige sich nicht methodisch belastbar mit den dem Kläger vorgeworfenen Einzelfällen auseinandergesetzt. Der Sachverständige habe keine eigene Prüfung vorgenommen, sondern repetiere lediglich die zwei Jahren alten Mutmaßungen der KVN. Sofern der Sachverständige sich dennoch mit den einzelnen behaupteten Rechtsverstößen befasse, seien dessen Ausführungen widersprüchlich und gingen von einer falschen Tatsachengrundlage aus. Soweit der Sachverständige Dokumentationsmängel bezüglich Krankengeschichte, Substitutionsdosis und konkreter Take-Home-Vergabe rüge, sei er nicht ausreichend mit den vom Kläger verwendeten Gerätschaften und Computerprogrammen vertraut. Es werde nicht berücksichtigt, dass der Kläger neben der Dokumentation der Compware-Dosierautomaten ebenfalls das Praxisverwaltungsprogramm ALBIS sowie ein eigens vom Kläger entwickeltes Programm für die Dokumentation von Substitutionsmitteln namens BtManage verwende. Nur aus sämtlichen vom Kläger verwendeten Dokumentationsmedien, nämlich den Listen der Compware-Dosierautomaten, dem Praxisverwaltungsprogramm ALBIS sowie dem Dokumentationsprogramm BtManage lasse sich entnehmen, dass sämtliche Vorgänge in der Praxis ordnungsgemäß dokumentiert worden seien. Der Kläger verfüge insoweit stets über dokumentierte Schweigepflichtsentbindungen, Aufklärungen der Patienten zur Behandlung, Anamneseerhebungen, Daten der körperlichen Untersuchung, der Sicherung der Diagnose sowie der Ergebnisse der durchgeführten Drogenscreenings. Des Weiteren habe der Kläger Daten zu jedem Patienten in einem Patientenstammblatt niedergelegt und dieses in einem Stammblattverzeichnis nach Jahren geordnet abgelegt. Die Ergebnisse der vom Sachverständigen vorgenommenen Begutachtung ließen sich folglich nur damit erklären, dass diesem nicht die vollständige Praxisdokumentation vorgelegen habe. Dem Sachverständigen hätten offensichtlich insbesondere zwei wesentliche Bestandteile der Praxisdokumentation gefehlt, nämlich das Stammblattverzeichnis mit den Stammblättern der aufgenommenen Patienten sowie die zu jedem Patienten bestehende BtManage-Datei. Insoweit lasse sich dem Stammblattverzeichnis die Suchtmittelanamnese, der Behandlungsvertrag, die Schweigepflichtentbindung sowie das Ergebnis der körperlichen Untersuchung entnehmen. In der BtManage-Datei finde sich der weit überwiegende Anteil der Anamnese und Verlaufsdokumentation, das geplante oder sich ergebende Behandlungskonzept, die Urinprobenergebnisse sowie die medizinische und psychosoziale Stammdatenlage, darunter auch die Diagnosestellung der Opiatabhängigkeit durch eine Urinprobe unter Sicht vor der ersten Substitutsvergabe. Nach Auffassung des Klägers hätte der Sachverständige zu einer völlig anderen Bewertung der Verläufe kommen müssen, wenn ihm die entsprechenden Daten vorgelegen hätten. Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten auf vier Einzelfälle eingehe und diesbezüglich Dokumentations- und Behandlungsfehler rüge, seien diese nicht gegeben. Aus der Zusammenschau der Praxisdokumentationsprogramme ALBIS und BtManage lasse sich ersehen, dass der Kläger sämtliche medizinischen Maßnahmen nach den Regeln der ärztlichen Kunst und der gesetzlichen Vorschriften vorgenommen habe. Insbesondere habe auch die erhobene Anamnese und Dokumentation den Regeln der ärztlichen Kunst genügt. Aus der vom Sachverständigen unterlassenen Zusammenschau der in der Praxis verwendeten Dokumentationsmedien werde deutlich, dass der Kläger stets eine körperliche Untersuchung, ein Drogenscreening und eine Suchtanamnese bei den Patienten durchgeführt habe. Dies sei dem Sachverständigen indes verborgen geblieben, weil dieser die unterschiedlichen Dokumentationsmedien sämtlich nicht herangezogen und zueinander in Bezug gesetzt habe.

Soweit der Kläger betäubungsmittelabhängigen Patienten im Einzelfall Benzodiazepine verschrieben habe, sei dies stets medizinisch indiziert gewesen. Insbesondere gingen auch die Handlungsempfehlungen der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe davon aus, dass es Konstellationen gebe, in denen die Verschreibung von Benzodiazepinen an betäubungsmittelabhängige Patienten nicht zu vermeiden sei.

Des Weiteren sei der Vorwurf des Beklagten haltlos, es hätten durch den Kläger rechtswidrige Take-Home-Vergaben stattgefunden. Nach § 5 Abs. 8 BtMVV sei es dem behandelnden Arzt erlaubt, einem Patienten für bis zu sieben Tagen die benötigte Menge des Substitutionsmittels zu verschreiben. Die Verschreibung dürfe indes nur dann ausgehändigt werden, sofern sich der Zustand des Patienten stabilisiert habe und eine Überlassung des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch nicht mehr erforderlich sei. Unzulässig sei die Aushändigung der Take-Home-Verschreibung, sofern Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Patient Stoffe konsumiere, die ihn zusammen mit der Einnahme des Substitutionsmittels gefährdeten, er noch nicht auf eine stabile Dosis eingestellt worden sei oder Stoffe missbräuchlich konsumiere. In keinem der Fälle von Take-Home-Vergaben habe der Kläger gegen diese Einschränkungen verstoßen, da die Verschreibungen nicht an die Patienten ausgehändigt worden seien. Bei der Verwendung automatengestützter Vergabe würden Verschreibungen grundsätzlich nicht ausgehändigt. Eine Aushändigung der Verschreibung erfolge in der Regel nur dann, wenn besondere Umstände eine Versorgung über eine andere als über die Vertragsapotheke der substituierenden Praxis erforderlich erscheinen lasse. Sofern das Substitutionsmittel den Patienten nicht verabreicht, sondern nach Hause mitgegeben werde, werde es nicht zur eigenverantwortlichen, sondern nur zur unmittelbaren Einnahme überlassen, wie es auch § 13 Abs. 1 BtMG vorschreibe. Es werde dem Patienten diejenige Lösung aus dem Dosierautomaten vorproportioniert überlassen, wie sie der Apotheker hergestellt habe, dem auch der Automat gehöre. Insoweit sei der Dosierautomat von der Apothekenbetriebserlaubnis umfasst. Die Originalität der Substitutionslösung sei bei diesem Vergabeverfahren genauso gewährleistet, wie wenn das Substitut direkt von der Vertragsapotheke ausgegeben werde. Im Übrigen würde nach Auffassung des Klägers die Aushändigung der Verschreibung anstelle der Aushändigung des Substitutionsmittels die wirtschaftliche Grundlage der Praxis verschlechtern und damit zu Honorareinbußen des Arztes führen. Durch die direkte Aushändigung des Substitutionsmittels würden des Weiteren Irrtümer bei der Ausstellung der Verschreibung oder ein Missbrauch der Verschreibung durch den Patienten ausgeschlossen. Zudem biete die Take-Home-Vergabe aus der Praxis gegenüber der Aushändigung der Take-Home-Verschreibung den Vorteil einer weitaus intensiveren, weil zwischen 7 bis 10 Minuten andauernden Befundungsmöglichkeit gegenüber der unter Umständen nur sekundenlangen Aushändigung der Verschreibung. Der Arzt könne so die Substanzeinwirkung und Entzugssymptomatiken durch eventuell vorausgegangenen Beikonsum besser diagnostizieren. Letztlich mache es für den Patienten keinen Unterschied, ob ihm das Substitutionsmittel durch den Arzt oder aufgrund einer ärztlichen Verschreibung durch den Apotheker ausgehändigt werde.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 12.11.2010 aufzuheben.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die angegriffene Ruhensanordnung sei formell und materiell rechtmäßig. Der Kläger unterliege einem grundlegenden Missverständnis hinsichtlich der Zulässigkeit der Take-Home-Vergabe von Methadon an Substitutionspatienten. Erlaubt sei gemäß § 5 Abs. 8 Satz 4 BtMVV unter engen Voraussetzungen lediglich das Verschreiben der für bis zu sieben Tage benötigten Menge des Substitutionsmittels. Die Überlassung des Substitutionsmittels direkt an den Patienten sei einem Arzt indes stets verboten. Sogar die Aushändigung des Rezepts an den Patienten sei grundsätzlich verboten gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 BtMVV. Zudem sei der Kläger nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Abgabe von Betäubungsmitteln nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Die Befugnis, betäubungsmittelabhängigen Personen Substitutionsmittel zur freien Verfügung auszuhändigen, sei nach § 13 Abs. 2 BtMG ausschließlich dem Apotheker vorbehalten. Daher sei das Aushändigen des Betäubungsmittels an den Patienten durch den Arzt grundsätzlich gemäß § 29 BtMG strafbewehrt. Voraussetzung einer erlaubten Take-Home-Verschreibung sei nach § 5 Abs. 8 Satz 1 BtMVV stets, dass der Verlauf der Behandlung dies zulasse und hierdurch die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs nicht beeinträchtigt werde. Eine Verschreibung des Substitutionsmittels sei jedoch unzulässig, sofern die Untersuchungen und Erhebungen des Arztes Erkenntnisse dahingehend ergäben, dass der Patient Stoffe konsumiere, die ihn zusammen mit der Einnahme des Substitutionsmittels gefährdeten, er unter Berücksichtigung der Toleranzentwicklung noch nicht auf eine stabile Dosis eingestellt sei oder andere Stoffe missbräuchlich konsumiere.

Soweit der Kläger in formeller Hinsicht eine fehlende Anhörung rüge, habe es dieser nicht bedurft, da wegen der möglichen Gefährdung von Patienten Gefahr im Verzug anzunehmen gewesen sei. Ungeachtet dessen sei ein etwaiger Verfahrensmangel selbst bei nicht entbehrlicher Anhörung bereits durch den Austausch der Schriftsätze im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nachgeholt und damit gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW geheilt worden. Ferner liege auch keine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes vor, da der Beklagte sich der Untersuchungsergebnisse anderer Behörden, hier der Strafverfolgungsbehörden, bedienen könne. Demzufolge habe der Ruhensanordnung der den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in der Anklageschrift dargelegte Sachverhalt zugrundegelegt werden können. Der streitgegenständliche Bescheid enthalte darüber hinaus eine den Anforderungen des § 39 Abs. 1 VwVfG NRW entsprechende hinreichende Begründung, da auf die dem Kläger bekannte Anklageschrift Bezug genommen und deren Inhalt zusammenfassend in den wesentlichen Punkten wiedergegeben worden sei.

Des Weiteren bestünden nach Auffassung des Beklagten keine Bedenken gegen die Einschlägigkeit der genannten Ermächtigungsgrundlage, da in der Ruhensanordnung ausdrücklich auf das anhängige Strafverfahren und die Verstöße gegen das BtMG und die BtMVV abgestellt worden sei. Es seien zwar auch Mängel in Anamnese und Dokumentation gerügt, jedoch vor allem auf die Take-Home-Vergabe abgestellt worden. Insoweit seien die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage durch den strafrechtlichen Vorwurf erfüllt.

Wenn der Kläger nunmehr Mängel des Sachverständigengutachtens des Dr. U. rüge, sei festzustellen, dass bereits das Strafverfahren an sich die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfülle. Soweit der Kläger bemängele, der Sachverständige sei von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen und mit den vom Kläger verwendeten Gerätschaften und Dokumentationsprogrammen nicht vertraut gewesen, zeige sich das fehlerhafte Verständnis des Klägers im Hinblick auf die Systematik des Betäubungsmittelrechts. Der Kläger sei gemäß § 5 Abs. 10 und § 13 BtMVV verpflichtet, die Dokumentation so zu führen und vorzuhalten, dass er sie jederzeit vollständig vorlegen könne. Weil dies nach seiner Methodik und den von ihm verwendeten Dokumentationsmedien nicht möglich gewesen sei, sei darin gerade ein Verstoß gegen die BtMVV begründet. Das Risiko, dass mehrere in verschiedenen Dateien abgelegte Teile einer Dokumentation nicht so zusammengeführt werden könnten, dass sie ein vollständiges Bild ergäben, liege beim Kläger. § 13 BtMVV sehe vor, dass die Dokumentation auf dem amtlichen Formblatt erfolgen müsse. Wenn eine EDV-gestützte Dokumentation eingesetzt werde müsse diese so gestaltet sein, dass die Information des Formblattes quasi auf Knopfdruck zur Verfügung stehe. Ein Zusammenstellen der Dokumentation aus verschiedenen Ordnern und Programmen sei gemäß § 13 Abs. 1 BtMVV nicht zulässig. Im Übrigen bestehe beim Überlassen eines Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 BtMVV die Pflicht, den Verbleib des Mittels patientenbezogen nachzuweisen. Das Speichern von Bruchstücken an verschiedenen Orten entspreche nicht der BtMVV. Der Umstand, dass zur Erstellung einer vollständigen Dokumentation verschiedene Datenquellen hätten verknüpft werden müssen, stehe bereits im Widerspruch zu den bestehenden Dokumentationspflichten. Es habe daher keine Verpflichtung des Sachverständigen bestanden, sich mit dem klägerischen EDV-Programm BtManage auseinanderzusetzen, da es nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche.

Im Übrigen räume der Kläger mit der Klagebegründung den Vorwurf der Take-Home-Vergabe ein und bestätige damit den strafrechtlichen Vorwurf. Der Kläger gebe zu, den Patienten das Substitutionsmittel für bis zu sieben Tage mit nach Hause gegeben zu haben. Auch sei die Annahme des Klägers unzutreffend, dass die Take-Home-Vergabe des aus den Dosierautomaten entnommenen Substitutionsmittels von der Apothekenbetriebserlaubnis erfasst sei. Sobald die Substitutionslösung die ausliefernde Apotheke verlassen habe, falle sie nicht mehr unter die Apothekenbetriebserlaubnis. Wenn der Kläger behaupte, nur durch die Verwendung von Dosierautomaten könne die Dosis des Substitutionsmittels garantiert werden, sei auch dies unzutreffend, da gerade die exakte Dosierung ureigenste Aufgabe der Apotheken sei. Die weiteren Ausführungen des Klägers dienten allein der vermeintlichen suchtmedizinischen Rechtfertigung der Take-Home-Vergaben, änderten indes nichts an deren Strafbarkeit.

Damit seien die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO erfüllt, da gegen den Kläger wegen des Verdachts einer Straftat ein Strafverfahren eingeleitet worden sei, er diese Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen und in der Klagebegründung sogar an mehreren Stellen zugegeben habe, so dass alles dafür spreche, dass eine strafrechtliche Verurteilung erfolgen werde. Aus diesem strafbewehrten Verhalten ergebe sich zugleich die Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die ebenfalls beigezogenen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die als Anfechtungsklage statthafte, zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 12.11.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

I.

Ermächtigungsgrundlage für die in Ziffer 1 des Bescheides getroffene Anordnung des Ruhens der Approbation des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 1 Bundesärzteordnung (BÄO), in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.04.1987 (BGBl. I S. 1218), zuletzt geändert durch Art. 29 des Gesetzes vom 06.12.2011 (BGBl. I S. 2515).

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich und nicht diejenige im Zeitpunkt der Behördenentscheidung. Dies ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Konzeption des § 6 BÄO. Nach § 6 Abs. 2 BÄO ist die Anordnung aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, so dass insoweit alle Änderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen sind, die seit Erlass der Ruhensanordnung eingetreten sind.

Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, Rn. 61 f., juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.07.1991 - 9 S 1227/91 -, Rn. 5, juris.

II.

Die Ruhensanordnung ist formell rechtmäßig.

Die Bezirksregierung Köln ist für den Erlass der Ruhensanordnung sachlich und örtlich zuständig gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 BÄO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Zuständigkeitsverordnung Heilberufe (ZustVO HB) vom 20.05.2008 (GV NRW 2008, S. 458).

Die Anordnung des Ruhens der Approbation erweist sich nicht wegen einer fehlenden Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheides als rechtswidrig. Insoweit dürfte die mit Schreiben vom 30.04.2009 und 16.09.2009 seitens der Bezirksregierung durchgeführte Anhörung vor dem Hintergrund der maßgeblich auf die staatsanwaltschaftliche Anklage vom 27.10.2010 gestützten Ruhensanordnung zwar in zeitlicher Hinsicht nicht den Anforderungen des § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) genügen. Denn die Anklage enthielt, u.a. wegen der ihr zugrunde liegenden Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein (MDKN), gegenüber den vorherigen Ermittlungsergebnissen neue Gesichtspunkte.

Vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anhörung Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, § 28 VwVfG, Rn. 42; Herrmann, in: Bader/Ronellenfitsch, Beck'scher Online-Kommentar VwVfG, Stand: 01.10.2011, § 28 VwVfG, Rn. 18.

Zudem ist dem Kläger unmittelbar vor Erlass des Bescheides vom 12.11.2010 keine erneute Anhörungsmöglichkeit eingeräumt worden. Letztlich kann indes dahinstehen, ob der Kläger vor Erlass des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW hätte angehört werden müssen oder die Anhörung gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW wegen Vorliegens von Gefahr im Verzug entbehrlich war. Denn jedenfalls ist ein etwaiger Anhörungsmangel gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW unbeachtlich, da er durch Nachholung geheilt worden ist. Die Nachholung der erforderlichen Anhörung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist gemäß der vorzitierten Vorschrift bis zum Abschluss der ersten Instanz möglich. Die Heilung kann dabei auch in einem Austausch von Sachäußerungen im gerichtlichen Verfahren bestehen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Behörde den Vortrag des Betroffenen zum Anlass nimmt, ihre Entscheidung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und zu erwägen, ob sie unter Berücksichtigung der nunmehr vorgebrachten Tatsachen und rechtlichen Erwägungen an ihrer Entscheidung mit diesem konkreten Inhalt festhalten will und das Ergebnis der Überprüfung mitteilt.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.06.2010 - 10 B 270/10 -, Rn. 7, juris, m.w.N.

Diesen Anforderungen wurde bereits im anhängigen Hauptsacheverfahren genüge getan, da sich der Beklagte in der Klageerwiderung mit sämtlichen Punkten der vom Kläger vorgelegten Klagebegründung umfassend auseinandergesetzt hat, indes unter Einbeziehung der vom Kläger vorgebrachten Argumentation an der angefochtenen Entscheidung festhält. Dessen ungeachtet ist eine Heilung im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW stets anzunehmen, wenn der Betroffene in einem beim Verwaltungsgericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines belastenden Verwaltungsaktes Gelegenheit gehabt hat, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern und der Antragsgegner sich in seiner Antragserwiderung mit den vorgetragenen Argumenten auseinandergesetzt hat,

vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.06.2010 - 10 B 270/10 -, Rn. 9, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.05.2003 - 10 B 2139/02 -, Rn. 3, juris,

bzw. schon dann, wenn im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens überhaupt noch eine Anhörungsmöglichkeit besteht,

vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.10.2010 - 7 B 1293/10 -, Rn. 13, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.02.2002 - 18 B 693/00 -, Rn. 10, juris.

Auch diese Voraussetzungen sind erfüllt, da sich der Beklagte bereits im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, Az.: 7 L 1832/10, mit den vom Kläger vorgebrachten Tatsachen und Rechtsansichten auseinandergesetzt hat.

Des Weiteren greift auch die vom Kläger erhobene Rüge einer nicht hinreichenden Begründung des angefochtenen Bescheides im Sinne von § 39 Abs. 1 VwVfG NRW nicht durch. Die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die den Beklagten bewogen haben, das Ruhen der Approbation des Klägers anzuordnen, sind in dem Bescheid mitgeteilt. Diesbezüglich hat der Beklagte auf die dem Kläger bekannten strafrechtlichen Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Bonn vom 27.10.2010 Bezug genommen und darüber hinaus die dort festgestellten Rechtsverstöße nochmals im Einzelnen dargelegt. Hierzu ist er insbesondere auf den Inhalt und die Feststellungen des der Anklage u.a. zugrunde liegenden Gesamtgutachtens des Sachverständigen Dr. U. eingegangen und hat überdies die tragenden Ermessenserwägungen für die getroffene Entscheidung dargelegt. Ob diese Gründe zureichend sind, ist im Rahmen des § 39 Abs. 1 VwVfG NRW ohne Belang. Die Vorschrift verlangt nur, dass überhaupt eine Begründung für den Erlass des Verwaltungsakts gegeben wird, nicht hingegen, dass die angegebenen Gründe zutreffen.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.10.2010 - 7 B 1293/10 -, Rn. 16, juris.

III.

Die Anordnung des Ruhens der Approbation ist auch materiell rechtmäßig.

1.

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist. Unwürdigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist. Unzuverlässig als Arzt ist, wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen werde.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.01.1991 - 3 B 75.90 -, Rn. 3, juris; VG Saarland, Urteil vom 22.09.2004 - 1 K 160/02 -, Rn. 28 ff., juris, m.w.N.

Die Befugnisnorm des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO ermächtigt die Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen schon in dem frühen Stadium der Einleitung eines Strafverfahrens, zum Schutz einzelner Patienten und der Allgemeinheit vor den mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von dem Arzt ausgehenden Gefahren rasch einzugreifen. Daher braucht, anders als bei einem Widerruf der Approbation, ein die Unwürdigkeit bzw. die Unzuverlässigkeit aufzeigendes Verhalten des betroffenen Arztes noch nicht nachgewiesen zu sein; vielmehr reichen Verdachtsmomente hinsichtlich des strafrechtlich relevanten Verhaltens aus.

Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, Rn. 57, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.07.1991 - 9 S 1227/91 -, Rn. 5, juris.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO sind nach dessen Wortlaut aufgrund der unter dem 27.10.2010 vor dem Landgericht Bonn erhobenen staatsanwaltschaftlichen Anklage erfüllt.

2.

Bei der Ausübung des durch § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eröffneten Ermessens hat die Behörde allerdings zu beachten, dass das Ruhen der Approbation nicht eine bloße Einschränkung der Berufsausübung, sondern ein Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gewährleistete Freiheit der Berufswahl ist, der nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist. Ferner hat sie das Gebot der Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, das eine besondere Ausprägung des verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzips darstellt und verlangt, dass dem Betroffenen in einem justizförmigen Verfahren, welches eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte gewährleistet, Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen und bis zum Nachweis der Schuld seine Unschuld vermutet wird. Folglich ist nur eine solche Handhabung der Befugnis, das Ruhen der Approbation anzuordnen, mit den vorgenannten Anforderungen vereinbar, die erst bei einer erheblichen bzw. hohen Wahrscheinlichkeit einsetzt, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat und diese so schwerwiegend sind, dass aus ihnen auf eine Unzuverlässigkeit und/oder Unwürdigkeit des betroffenen Arztes geschlossen werden kann.

Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, Rn. 59 ff., juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14.03.2004 - 8 ME 164/03 -, Rn. 18, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.07.1991 - 9 S 1227/91 -, Rn. 5, juris.

Das erkennende Gericht ist indes bezüglich der Feststellung einer strafgerichtlichen Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht gehalten, selbst in die Erhebung der im Ermittlungs- und Strafverfahren aufgebotenen Beweise oder gar in eine Amtsermittlung einzutreten und gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Strafgericht parallelen Strafprozess durchzuführen. Deshalb ist der Bejahung oder Verneinung der Verurteilungswahrscheinlichkeit im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eine Unsicherheit im Verhältnis zu dem tatsächlichen Ausgang des Strafprozesses immanent.

Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, Rn. 83, juris.

a)

Ausgehend von den in der staatsanwaltschaftlichen Anklage vom 27.10.2010 gegen den Kläger erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe, der diesen Vorwürfen zugrunde liegenden Beweismittel und der Vielzahl der angeklagten Taten geht das Gericht von einer sehr hohen strafgerichtlichen Verurteilungswahrscheinlichkeit aus.

Dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft mit Erhebung der Anklage gegen den Kläger von einer, vor dem Hintergrund des § 170 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) erforderlichen, hinreichenden Verurteilungswahrscheinlichkeit ausgegangen ist, kommt auch im Rahmen des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Bezug auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO erhebliches Gewicht zu. Denn eine Anklageerhebung erfolgt nur bei Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachtes, der dann anzunehmen ist, wenn die spätere Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlich ist.

Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, Rn. 86, juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 29.08.2002 - 8 LA 92/02 -, Rn. 5, juris.

Von einer hinreichenden Verurteilungswahrscheinlichkeit geht auch das Landgericht Bonn aus, da es die staatsanwaltschaftliche Anklage durch Beschluss vom 20.03.2012 ohne Einschränkungen zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor der großen Strafkammer gemäß § 203 StPO eröffnet hat.

Die Staatsanwaltschaft Bonn wirft dem Kläger vor, in der Zeit vom 26.03.2006 bis zum 06.02.2009 in insgesamt 3755 Fällen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verstoßen zu haben. So soll er hiervon in zwei Fällen gewerbsmäßig Betäubungsmittel entgegen § 13 Abs. 1 BtMG zum unmittelbaren Verbrauch überlassen, in 3705 Fällen Betäubungsmittel gewerbsmäßig unerlaubt abgegeben und in 48 Fällen gewerbsmäßig als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgegeben und sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 BtMG zum unmittelbaren Verbrauch überlassen haben (Vergehen und Verbrechen gemäß §§ 1, 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 b), Abs. 3 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53, 70, 73, 73a StGB). Sämtliche der erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe stützt die Staatsanwaltschaft im Kern darauf, dass der Kläger einer Vielzahl der bei ihm in Behandlung befindlichen opiatabhängigen Substitutionspatienten die Ersatzstoffe Methadon und L-Polamidon nach entsprechender Vordosierung unmittelbar aus seinem Praxisbestand im Wege der Take-Home-Vergabe zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Einnahme außerhalb der Praxisräumlichkeiten, teilweise für einen Zeitraum von mehreren Tagen, mitgegeben und hierbei die zwingenden Vorgaben des § 5 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) und der auf Grundlage von § 5 Abs. 11 BtMVV erlassenen Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger vom 22.03.2002 (RL BÄK) missachtet hat. Belegt werden die Vorwürfe im Wesentlichen durch die Zeugenaussagen des Praxispersonals, der Amtsapothekerin der Stadt Bonn und der betreffenden Substitutionspatienten, die Aufzeichnungen der in der Praxis verwendeten Dosierautomaten der Firma Compware über die Substitutionsmittelvergabe sowie durch die im Ermittlungsverfahren eingeholten Einzelfallgutachten und das Gesamtgutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein (MDKN). Wegen der Einzelheiten kann auf die 335 Seiten umfassende Anklageschrift Bezug genommen werden, in der das Ermittlungsergebnis detailliert dargelegt ist und die Beweismittel im Einzelnen aufgeführt sind.

b)

Der Anklageschrift und den darin angegebenen Beweismitteln lassen sich hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen Straftaten mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen hat. Denn der Kläger hat nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial, insbesondere nach den vom MDKN durch vier qualifizierte ärztliche Sachverständige erstellten 65 Einzelfallgutachten und dem zusammenfassenden Gesamtgutachten vom 30.03.2010, in nahezu sämtlichen Fällen hinsichtlich der Take-Home-Verordnung von Substitutionsmitteln gegen die zwingenden gesetzlichen Vorgaben des BtMG und der BtMVV verstoßen. Insoweit hat er den betroffenen Patienten - was er auch ausdrücklich einräumt - bei der Take-Home-Verordnung die Substitutionsmittel durchweg aus seinem Praxisbestand zum eigenverantwortlichen Gebrauch ausgehändigt und diesen entgegen der gesetzlichen Vorgaben keine Verschreibung ausgehändigt.

aa)

Nach der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG bedarf derjenige, der Betäubungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 BtMG - worunter auch die in Anlage III zum BtMG aufgeführten und vom Kläger verwendeten Substitutionsmittel fallen - abgeben will, einer Erlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), sofern keine Ausnahme von der Erlaubnispflicht gemäß § 4 BtMG einschlägig ist. Der Kläger ist unstreitig weder im Besitz einer Erlaubnis des BfArM, noch erfüllt er eine Tatbestandsalternative des § 4 BtMG.

Im Wege einer speziellen Ausnahme ist es Ärzten indes gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG gestattet, die in Anlage III zum BtMG bezeichneten Betäubungsmittel zu verschreiben oder im Rahmen einer ärztlichen Behandlung einschließlich der ärztlichen Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit zu verabreichen oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen, wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist.

Dabei liegt ein Verabreichen im Rahmen ärztlicher Behandlung nur dann vor, wenn das Betäubungsmittel eingeflößt, eingegeben, injiziert, intubiert, eingerieben, infundiert oder inhaliert wird, wobei das Verabreichen keine Mitwirkung des Patienten voraussetzt.

Vgl. Patzak, in: Körner, Betäubungsmittelgesetz, 7. Auflage 2012, § 13 BtMG, Rn. 7, § 29 BtMG, Rn. 97; Körner, Betäubungsmittelgesetz, 5. Auflage 2001, § 29 BtMG, Rn. 1254; Weber, Betäubungsmittelgesetz, 3. Auflage 2009, § 13 BtMG, Rn. 10.

Ein Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch ist hingegen gegeben, wenn der Patient die Betäubungsmittelanwendung oder -einführung am oder im eigenen Körper selbst durchführt, wobei er hierbei in der Regel keinen Besitz, sondern lediglich eine Konsummöglichkeit erlangt. Dem Patienten muss das Betäubungsmittel zum sofortigen Gebrauch ausgehändigt werden, ohne dass er daran eine eigene Verfügungsmacht erlangt. Die Verfügungsgewalt verbleibt insoweit beim überlassenden Arzt. Aus diesem Grund liegt keine Verbrauchsüberlassung, sondern eine Abgabe von Betäubungsmitteln vor, wenn der Patient über das Betäubungsmittel frei verfügen kann und an diesem Besitz erlangt.

Vgl. BGH, Beschluss vom 28.07.2009 - 3 StR 44/09 -, Rn. 5, juris; Patzak, in: Körner, Betäubungsmittelgesetz, 7. Auflage 2012, § 13 BtMG, Rn. 6, § 29 BtMG, Rn. 100; Körner, Betäubungsmittelgesetz, 5. Auflage 2001, § 29 BtMG, Rn. 1255; Weber, Betäubungsmittelgesetz, 3. Auflage 2009, § 13 BtMG, Rn. 11.

Das Verhalten des Klägers, den von ihm behandelten opiatabhängigen Patienten das Substitutionsmittel aus dem Praxisbestand im Wege einer Take-Home-Vergabe für mehrere Tage vordosiert zur eigenverantwortlichen Einnahme auszuhändigen, kann mithin rechtlich - ungeachtet des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen - weder als Verabreichen, noch als unmittelbare Verbrauchsüberlassung im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG qualifiziert werden, da den Patienten stets eigene Verfügungsgewalt an den Substitutionsmitteln verschafft worden ist. Die Vergabe ist mithin von der Vorschrift nicht gedeckt.

bb)

Die ärztliche Verschreibung von Betäubungsmitteln richtet sich demgegenüber nach den, auf Grundlage der in § 13 Abs. 3 BtMG enthaltenen Verordnungsermächtigung zusätzlich erlassenen, speziellen Vorschriften der BtMVV. Die Verschreibung von Substitutionsmitteln bei opiatabhängigen Patienten ist im Einzelnen in § 5 BtMVV geregelt. Eine Verschreibung von Substitutionsmitteln unter den Voraussetzungen von § 13 Abs. 1 BtMG darf demnach nur bei kumulativem Vorliegen der in § 5 Abs. 2 BtMVV genannten Voraussetzungen erfolgen (u.a. psychosoziale Begleitmaßnahmen, eingehende Untersuchung des Patienten, insbesondere hinsichtlich eventuellen Beikonsums).

Vgl. hierzu Weber, Betäubungsmittelgesetz, 3. Auflage 2009, § 13 BtMG, Rn. 60 ff. sowie § 5 BtMVV, Rn. 33 ff.

§ 5 Abs. 5 Sätze 1 und 2 BtMVV legt fest, dass die Verschreibung dem Substitutionspatienten außer in den Fällen des § 5 Abs. 8 BtMVV nicht ausgehändigt werden darf. Außerdem ist das Substitutionsmittel dem Patienten vom Arzt oder seinem hierzu angewiesenen, kontrollierten, ausgebildeten und fachgerecht eingewiesenen medizinischen oder pharmazeutischen Personal gemäß § 5 Abs. 6 Sätze 1 und 2 BtMVV ausschließlich zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen, wobei der unmittelbare Verbrauch nach § 5 Abs. 7 Satz 1 BtMVV grundsätzlich in den Praxisräumlichkeiten erfolgen muss. Die in § 5 Abs. 5 bis 7 BtMVV enthaltenen Vorgaben beschreiben damit den Regelfall einer Substitutionsbehandlung. Lediglich unter den engen Voraussetzungen von § 5 Abs. 8 BtMVV darf ausnahmsweise von den Vorgaben des § 5 Abs. 5 bis 7 BtMVV abgewichen werden und eine Take-Home-Verschreibung erfolgen. Nach der gesetzgeberischen Konzeption stehen § 5 Abs. 5 bis 7 BtMVV und § 5 Abs. 8 BtMVV demgemäß zueinander in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis.

Die Take-Home-Verschreibung nach § 5 Abs. 8 BtMVV hat im Regelfall wiederum ebenfalls in einem abgestuften Verhältnis zu erfolgen. Gemäß § 5 Abs. 8 Satz 1 BtMVV darf der Arzt einem Patienten, dem ein Substitutionsmittel nach § 5 Abs. 6 BtMVV zum unmittelbaren Verbrauch überlassen wird, in Fällen, in denen die Kontinuität der Substitutionsbehandlung nicht anderweitig gewährleistet werden kann, ein Substitutionsmittel in der bis zu zwei Tagen benötigten Menge verschreiben und ihm dessen eigenverantwortliche Einnahme gestatten, sobald der Verlauf der Behandlung dies zulässt, Risiken der Selbst- oder Fremdgefährdung soweit wie möglich ausgeschlossen sind sowie die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs nicht beeinträchtigt werden. Die Aushändigung einer Substitutionsmittelverschreibung über die bis zu sieben Tage benötigte Menge und die Gestattung der eigenverantwortlichen Einnahme darf gemäß § 5 Abs. 8 Satz 4 BtMVV nur erfolgen, sobald und solange sich der Zustand des Patienten stabilisiert hat und eine Überlassung des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch nicht mehr erforderlich ist. Allerdings ist die Aushändigung einer Verschreibung nach § 5 Abs. 8 Satz 4 BtMVV gemäß § 5 Abs. 8 Satz 5 BtMVV dann nicht zulässig, wenn die Untersuchungen und Erhebungen des Arztes Erkenntnisse ergeben haben, dass der Patient Stoffe konsumiert, die ihn zusammen mit der Einnahme des Substitutionsmittels gefährden (Nr. 1), er unter Berücksichtigung der Toleranzentwicklung noch nicht auf eine stabile Dosis eingestellt worden ist (Nr. 2) oder er Stoffe missbräuchlich konsumiert (Nr. 3). Nur im Falle eines Auslandsaufenthaltes darf einem Patienten zur Sicherstellung der Versorgung während dieses Aufenthaltes eine Take-Home-Verschreibung unter Berücksichtigung sämtlicher der in § 5 Abs. 8 BtMVV genannten Voraussetzungen für einen längeren Zeitraum als sieben Tage ausgehändigt werden, wobei die Verschreibung innerhalb eines Jahres nicht die für bis zu 30 Tage benötigte Menge des Substitutionsmittels überschreiten darf und eine derartige Verschreibung unverzüglich der zuständigen Landesbehörde anzuzeigen ist, vgl. § 5 Abs. 8 Sätze 7 bis 9 BtMVV.

Für die Bewertung des Verlaufes der Substitutionsbehandlung ist gemäß § 5 Abs. 8 Satz 6 BtMVV der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Wissenschaft maßgebend. Dieser lässt sich den auf Grundlage von § 5 Abs. 11 Satz 1 BtMVV erlassenen Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger vom 22.03.2002 (RL BÄK) entnehmen. Da die vorliegend angeklagten Taten allesamt im Zeitraum 2006 bis 2009 liegen, sind für die medizinische Bewertung die RL BÄK vom 22.03.2002 maßgebend und nicht die RL BÄK in der novellierten Fassung vom 19.02.2010. Im Ergebnis enthalten indes beide Fassungen im Wesentlichen identische Vorgaben. Nach § 5 Abs. 11 Satz 2 BtMVV wird die Einhaltung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft vermutet, wenn und soweit die RL BÄK beachtet worden sind. Die Bezugnahme in § 5 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 3, Abs. 8 Satz 6 BtMVV auf die jeweils gültige Fassung der RL BÄK als gesetzlich vorgegebenen allgemeinen Stand der medizinischen Wissenschaft verdeutlicht, dass eine den Anforderungen und Voraussetzungen der RL BÄK nicht genügende bzw. diesen widersprechende Behandlung nicht als gesetzeskonforme Substitutionsbehandlung im Sinne von § 13 Abs. 1 BtMG und § 5 BtMVV qualifiziert werden kann.

Ferner ist gemäß § 5 Abs. 8 Satz 10 BtMVV jede Verschreibung nach den Sätzen 1, 4 oder 8 dem Patienten im Rahmen einer persönlichen ärztlichen Konsultation auszuhändigen.

Dem Regelungsgefüge des § 5 Abs. 8 BtMVV lässt sich somit unmissverständlich entnehmen, dass eine Take-Home-Verschreibung von Substitutionsmitteln nur ausnahmsweise und nur in der Weise erfolgen darf, dass dem Patienten die Verschreibung ausgehändigt wird und dieser sich das Substitutionsmittel mittels Verschreibung in der Apotheke zur eigenverantwortlichen Einnahme besorgt. Die Aushändigung des Substitutionsmittels zur freien Verfügung ist insoweit allein dem Apotheker vorbehalten. Zulässig ist damit - soweit wie vorliegend die Substitutionsmittel Methadon und L-Polamidon in Rede stehen - allein eine Take-Home-Verschreibung, nicht indes eine Take-Home-Vergabe der Substitutionsmittel aus dem Praxisbestand.

Vgl. BGH, Beschluss vom 28.07.2009 - 3 StR 44/09 -, Rn. 5 f., juris; VGH Bayern, Beschluss vom 20.01.2009 - 21 CS 08.2921 -, Rn. 16 ff., juris.

cc)

Gegen die gesetzlich vorgegebenen Modalitäten der Take-Home-Verschreibung hat der Kläger - wie er selbst einräumt - in allen von der Staatsanwaltschaft angeklagten Fällen fortlaufend und beharrlich verstoßen, indem er den von ihm substituierten Patienten bei der Take-Home-Verordnung das Substitutionsmittel durchweg zur eigenverantwortlichen Einnahme aus den in der Praxis befindlichen Dosierautomaten mitgegeben hat, anstatt ihnen eine Verschreibung auszuhändigen.

Insoweit greift auch der Einwand des Klägers nicht durch, dass die Vergabe der Substitutionsmittel aus dem Bestand der Dosierautomaten von der Apothekenbetriebserlaubnis erfasst sei. Wollte man dieser Argumentation folgen, würde die in § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) und § 13 Abs. 2 Satz 1 BtMG allein für Apotheken normierte Befreiung von der durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG normierten generellen Erlaubnispflicht konterkariert. Die grundsätzlich abschließenden Befreiungstatbestände des § 4 und § 13 Abs. 2 Satz 1 BtMG würden damit entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut stets auch auf Substitutionsärzte erstreckt, die sich im Rahmen ihres Behandlungskonzeptes Dosierautomaten bedienen, so dass die für Ärzte einzig geregelten dezidierten Ausnahmetatbestände des § 13 Abs. 1 BtMG i.V.m. § 5 Abs. 8 BtMVV im Ergebnis leerliefen. Eine derartige Sichtweise widerspricht im Übrigen dem unmissverständlichen Wortlaut von § 5 Abs. 8 BtMVV und § 13 Abs. 1 BtMG, die ausschließlich den Begriff "Verschreiben" gebrauchen. Hinzu kommt, dass § 5 Abs. 6 Satz 3, Abs. 12 BtMVV für die Substitutionsmittel Codein und Dihydrocodein die Möglichkeit einer Abgabe zur eigenverantwortlichen Einnahme aus dem Praxisbestand vorsehen und hierfür den Begriff "Aushändigen" verwenden. Hätte der Verordnungsgeber bei der in § 5 Abs. 8 BtMVV geregelten Take-Home-Verordnung ebenfalls die direkte Abgabe weiterer Substitutionsmittel zulassen wollen, hätte er sich insoweit ebenfalls des Begriffes "Aushändigen" bedient und eine ausdrückliche, dem Wortlaut von § 5 Abs. 6 Satz 3 BtMVV entsprechende, Regelung aufgenommen, was indes nicht erfolgt ist. Angesichts des eindeutigen Wortlautes von § 13 Abs. 1 und 2 BtMG kommt auch eine analoge Anwendung des § 13 BtMG für den Fall, dass alle Voraussetzungen einer Take-Home-Verschreibung gemäß § 5 Abs. 8 BtMVV gegeben sind und der Arzt lediglich anstelle des Apothekers das Substitutionsmittel an den Patienten aushändigt, nicht in Betracht.

In diese Richtung tendierend ebenfalls BGH, Beschluss vom 28.07.2009 - 3 StR 44/09 -, Rn. 6, juris.

Denn die Vorschrift des § 13 Abs. 1 und 2 BtMG ist als spezielle Abweichung vom Regelfall der durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG normierten generellen Erlaubnispflicht für die Abgabe von Betäubungsmitteln als Ausnahmevorschrift von vornherein nicht analogiefähig. Gleiches gilt für eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 8 BtMVV für den Fall der Abgabe des Substitutionsmittels unmittelbar durch den Arzt an den Patienten anstelle des Apothekers. Denn ungeachtet des Ausnahmecharakters von § 5 BtMVV insgesamt, ist die in § 5 Abs. 8 BtMVV geregelte Take-Home-Verordnung innerhalb der Regelungssystematik des § 5 BtMVV als nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift zu qualifizieren, weil sie eine Abweichung vom Regelfall des unmittelbaren Verbrauches des Substitutionsmittels unter ärztlicher Aufsicht normiert und dem Patienten eine eigenverantwortliche Einnahme ermöglicht.

So im Ergebnis wohl auch VGH Bayern, Beschluss vom 20.01.2009 - 21 CS 08.2921 -, Rn. 16 ff., juris.

Im Übrigen zeigt die gesamte systematische Konzeption der benannten Vorschriften, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber hinsichtlich der Take-Home-Verschreibung von Substitutionsmitteln aufgrund ihres Ausnahmecharakters ein streng formalisiertes Vieraugenprinzip bezogen auf das Verhältnis Arzt - Apotheker statuieren wollte.

Gegen die vorstehend benannten gesetzlich zulässigen Modalitäten der Take-Home-Verordnung hat der Kläger durchweg in jedem Fall der Mitgabe von Substitutionsmitteln aus seinem Praxisbestand verstoßen, obwohl ihm durch seine langjährige Tätigkeit als Substitutionsarzt die gesetzlich zulässigen Vergabemodalitäten bekannt waren bzw. hätten bekannt sein müssen. Der Kläger hat somit über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren die gesetzlichen Vergabemöglichkeiten der Take-Home-Verordnung fortlaufend ignoriert.

dd)

Ungeachtet der vorstehend beschriebenen Verstöße gegen die Vergabemodalitäten, hat der Kläger auch eine Vielzahl der in § 5 Abs. 2 und 8 BtMVV und den RL BÄK in der maßgeblichen Fassung vom 22.03.2002 enthaltenen weiteren Voraussetzungen eine Take-Home-Verordnung missachtet.

Dies ergibt sich im Wesentlichen aus dem der staatsanwaltschaftlichen Anklage zugrunde liegenden Gesamtgutachten des MDKN, welches die wesentlichen Erkenntnisse der diesem als Anlage beigefügten 65 Einzelfallgutachten zusammenfasst. Die Gutachten basieren auf der Durchsicht und Bewertung der durch die Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellten Patientenakten in elektronischer Form und in Papierform, den Ermittlungsakten sowie ergänzender Informationen der Polizei Bonn. Die 65 Einzelfallgutachten wurden von den Fachärzten Dr. habil. L. L1. (Arzt für Nervenheilkunde, Rehabilitationswesen, Sozialwesen), Q. M. (Arzt für Psychiatrie) sowie Dr. I. -H. Q1. (Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie) und das zusammenfassende Gesamtgutachten von Dr. C. U. (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit den Zusatzbezeichnungen Ärztliches Qualitätsmanagement, Naturheilverfahren, Rehabilitationswesen, Sozialmedizin und Suchtmedizinische Grundversorgung) erstellt. Das Gericht sieht insoweit keinen Anlass, die fachliche Kompetenz der vorstehend benannten Sachverständigen des MDKN in Zweifel zu ziehen. Insbesondere der Sachverständige Dr. U. verfügt über eine abgeschlossene Zusatz-Weiterbildung im Sinne der ärztlichen Weiterbildungsordnungen im Fachgebiet "Suchtmedizinische Grundversorgung" sowie über praktische Berufserfahrung in der Behandlung von Suchtkrankheiten.

Nach den gutachterlichen Feststellungen hat der Kläger in der überwiegenden Anzahl der angeklagten Fälle gegen die für jede Substitutionsbehandlung vorgeschriebenen Anforderungen und die besonderen Anforderungen für Take-Home Verordnungen verstoßen.

Der Sachverständige Dr. U. führt diesbezüglich auf den Seiten 53 - 65 des Gesamtgutachtens aus, dass sich den Patientenakten in nahezu allen Fällen entweder keine oder nur eine unvollständige Dokumentation hinsichtlich der für die Einleitung einer substitutionsgestützten Behandlung erforderlichen Aufklärungs- und Untersuchungsmaßnahmen entnehmen lasse. So fände sich keine Dokumentation zur Aufklärung der Patienten sowie über die Ausstellung von Behandlungs- bzw. Substitutionsausweisen. Des Weiteren könne den Patientenakten entweder keine oder nur eine unzureichende Anamneseerhebung entnommen werden. Insbesondere habe der Kläger durchweg keine Befund- bzw. Entlassungsberichte aus etwaigen Vorbehandlungen angefordert. Es finde sich auch keine Dokumentation zu telefonischen Rücksprachen mit den Vorbehandlern der jeweiligen Patienten. Hinzu komme, dass ausweislich der vorliegenden Unterlagen regelhaft keine körperlichen Untersuchungen durchgeführt worden seien. Mangels hinreichender Anamneseerhebung und angesichts grundsätzlich fehlender körperlicher Untersuchungen bleibe daher auch die Grundlage der vom Kläger gestellten Diagnose einer Opiatabhängigkeit unklar. Die Diagnostik und hierauf aufbauende Behandlungskonzepte zur Mitbehandlung von Begleiterkrankungen seien ebenfalls regelhaft nicht erkennbar. Hinsichtlich der Erhebung von Drogenscreenings zur Feststellung des Opiatgebrauchs und des Gebrauchs weiterer Substanzen durch die Patienten seien der Dokumentation zwar Hinweise auf deren Durchführung zu entnehmen. Allerdings sei die Dokumentation diesbezüglich nicht aussagekräftig, da die Ergebnisse der Drogenscreenings fehlten. Infolge der unzureichenden bzw. fehlenden Anamnese, sei auch die Indikation zur Substitutionstherapie in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle nicht begründet. In diesem Zusammenhang habe der Kläger teilweise Patienten, die aus anderen Substitutionsprogrammen ausgeschlossen waren bzw. diese abgebrochen hatten, unkritisch als Substitutionspatienten in seine Praxis aufgenommen. Des Weiteren fänden sich Dokumentationsmängel im Hinblick auf die psychosoziale Begleitung der Patienten, welche nach Auffassung des Sachverständigen mangels fassbarer Behandlungserfolge auf eine unzureichende psychosoziale Betreuung schließen lassen. Ferner seien bei der vom Kläger durchgeführten Substitutionsbehandlung keine stringenten Therapieziele und kein Behandlungskonzept erkennbar gewesen. Insoweit wären teilweise über längere Zeiträume Höherdosierungen vorgenommen worden anstatt im Verlauf der Behandlung eine gebotene Dosisreduktion der Substitutionsmittel vorzunehmen. Weiter sei durch den Kläger keine konsequente Prüfung auf den Beigebrauch weiterer Substanzen vorgenommen worden. Bei Feststellung des Gebrauches weiterer Substanzen sei der jeweilige Patient teilweise lediglich aus dem von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein genehmigten Substitutionsprogramm herausgenommen und als Selbstzahler weiterbehandelt worden. Darüber hinaus habe der Kläger einer gewissen Anzahl an Patienten zusätzlich Benzodiazepine in Großpackungen verordnet. Hinzu komme, dass der Kläger in vielen Fällen deutlich überhöhte, die Angaben der Substitutionsmittelhersteller überschreitende, Anfangsdosierungen angewendet habe. Die Kriterien dieser Dosisfindung seien wegen der unzureichenden Dokumentation und der fehlenden körperlichen Untersuchungen nicht nachzuvollziehen.

Im Hinblick auf die seitens des Klägers in den angeklagten Fällen praktizierten Take-Home-Verordnungen führt der Sachverständige neben der Tatsache, dass die Substitutionsmittel durchweg im Wege der Mitgabe ausgegeben wurden, aus, dass der Kläger bei Auslandsvergaben nicht die erforderliche Anzeige bei der zuständigen Landesbehörde vorgenommen habe und in Einzelfällen die Höchstverordnungsgrenze von 30 Tagen überschritten habe. So habe der Kläger gemäß der Fallakte 66 einem Patienten zwei bis dreimal Take-Home-Dosen für 75 Tage ausgehändigt. Im Übrigen sei die Take-Home-Gabe vielfach verfrüht und ohne Einhaltung der anerkannten Zeit- und Zuverlässigkeitskriterien praktiziert worden. Die Entscheidung für eine Take-Home-Gabe sei seitens des Klägers in keinem Fall klar dokumentiert und begründet worden. Zudem seien Take-Home-Gaben trotz des Beikonsums anderer Substanzen vorgenommen worden. Infolge des Umstandes, dass in den Patientenakten ärztliche Einträge teils über Wochen fehlten, folgert der Sachverständige außerdem, dass die grundsätzlich einmal wöchentlich vorgeschriebenen Arzt-Patienten-Kontakte nicht in allen Fällen eingehalten worden sind.

Die Feststellungen des Sachverständigen Dr. U. werden bestätigt durch die im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der staatsanwaltschaftlichen Anklage aufgeführten Zeugenaussagen der Patienten und der insoweit ebenfalls teilweise in Bezug genommenen Einzelfallgutachten der Sachverständigen Dr. L1. , M. und Dr. Q1. sowie der Dokumentation der vom Kläger verwendeten Dosierautomaten.

So hat u.a. die Zeugin C1. (Anklageschrift S. 297 f., Fallakte 5) bekundet, vom Kläger ohne Durchführung von Eingangsuntersuchung und Urinkontrolle mit Methadon substituiert worden zu sein und bereits am nächsten Tag Methadon als Take-Home-Dosis mitbekommen zu haben. Nach Aussage des Zeugen T. (Anklageschrift S. 299 f., Fallakte 9) habe der Kläger mit ihm nie über einen Behandlungs- bzw. Therapieplan mit dem Ziel der Drogenabstinenz gesprochen. Bezüglich des Zeugen T. lässt sich der Dokumentation des Dosierautomaten entnehmen, dass die Tagesdosis des ausgereichten L-Polamidons im Zeitraum März 2007 bis Februar 2009 von anfangs 35 mg auf zuletzt 60 mg gesteigert und nicht etwa reduziert wurde. Des Weiteren wurde dem Zeugen für insgesamt 14 Tage die jeweilige Tagesration doppelt ausgehändigt. Dem Zeugen T1. (Anklageschrift S. 300 f., Fallakte 11) soll der Kläger im Zeitraum 06.06.2007 bis 30.01.2008 insgesamt vier Betäubungsmittelrezepte über jeweils 100 Einzeldosen L-Polamidon überlassen haben und zusätzlich für den Zeitraum 07.09.2007 bis 13.09.2007 L-Polamidon aus dem Praxisbestand mitgegeben haben, ohne dass eine psychosoziale Betreuung stattgefunden habe. Der Zeuge L2. (Anklageschrift S. 301 f., Fallakte 12) hat bekundet, stets nur zum Abholen des Substitutionsmittels in die Praxis gekommen zu sein und "schnell Mitgabe" erhalten zu haben. Eine psychosoziale Betreuung sei bei ihm nicht durchgeführt worden. Nach den, den Zeugen L2. betreffenden, Ausführungen des Sachverständigen M. sei diesem trotz positiver Urinkontrolle auf Beigebrauch am 14.11.2007 am darauffolgenden Tag im Wege der Take-Home-Vergabe das Substitutionsmittel ausgehändigt worden. Zudem sei der Zeuge L2. nur sehr unregelmäßig in der Praxis erschienen, was auf eine fehlende Zuverlässigkeit für eine Take-Home-Verordnung hindeute. Der Zeuge P. (Anklageschrift S. 302 f., Fallakte 14) hat ausgesagt, dass der Kläger in der Drogenszene dafür bekannt war, bei positiver Opiatfeststellung sofort Methadon zu verabreichen und auch er selbst nach einem Gespräch am ersten Tag als Selbstzahler sofort Methadon erhalten habe. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Q1. seien im Übrigen die Voraussetzungen einer Take-Home-Verordnung beim Zeugen P. nicht gegeben gewesen, da dieser zu Beginn der Vergabe weder sechs Monate substituiert noch drei Monate vor Beginn der Vergabe beikonsumfrei gewesen sei. Nach Aussage des Zeugen H1. (Anklageschrift S. 304, Fallakte 16) habe er nach einer Haftzeit im Jahr 2007 vom Kläger jeweils für eine Woche "Mitgabe" bekommen. Ein Behandlungskonzept war nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Q1. in diesem Fall weder dokumentiert noch feststellbar und die Take-Home-Vergabe verfrüht. Nach den Angaben des Zeugen T2. (Anklageschrift S. 304 f., Fallakte 17) habe dieser von 2005 bis 2009 "Mitgabe" für jeweils eine Woche bekommen. Einen Termin für die psychosoziale Betreuung habe er beim Kläger nie erhalten. Der Sachverständige Dr. Q1. stellt diesbezüglich fest, dass ein Behandlungskonzept nicht dokumentiert sei, eine psychosoziale Betreuung nicht stattgefunden habe und der Zeuge T2. zu Beginn der Take-Home-Vergabe weder sechs Monate substituiert noch drei Monate vor Beginn der Vergabe beikonsumfrei gewesen sei und darüber hinaus auch nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besessen habe. Der Zeuge D. I1. (Anklageschrift S. 305 f., Fallakte 18) hat bekundet, bereits nach drei- bis viermonatiger Substitution Take-Home-Vergabe erhalten zu haben. Im Fall der Zeugin G. (Anklageschrift S. 306, Fallakte 19) stellt der Sachverständige Dr. Q1. fest, dass der Kläger den Beikonsum von Benzodiazepinen durch die Zeugin durch entsprechende Verordnungen und Rezepte unterstützt habe. Nach den Bekundungen des Zeugen N. (Anklageschrift S. 307, Fallakte 21) hat dieser über einen Zeitraum von 2000 bis 2009 Take-Home-Verordnungen als "Mitgabe" für jeweils eine Woche erhalten ohne mit dem Kläger über einen Behandlungsplan mit dem Ziel der Drogenfreiheit gesprochen zu haben. Nach der Auswertung des Sachverständigen Dr. Q1. war zudem während der Behandlungszeit keine Dosisreduktion, sondern eine deutliche Dosissteigerung zu verzeichnen, obwohl bei dem Zeugen häufiger Beigebrauch feststellbar gewesen sei. Außerdem habe in den letzten vier Jahren der Behandlung keine psychosoziale Betreuung stattgefunden. Für das letzte Behandlungsjahr des Zeugen sei im Übrigen keine Dokumentation vorhanden gewesen. Nach Aussage der Zeugin J. T3. (Anklageschrift S. 308 f., Fallakte 23) habe der Kläger ihr bereits nach kurzer Zeit Methadon für sieben Tage im Wege der Take-Home-Verordnung mitgegeben. Dabei sei sie zu Beginn der Substitutionsbehandlung überhaupt nicht und während der insgesamt sieben Jahre andauernden Behandlung ganz selten körperlich untersucht worden. Eine Blutabnahme habe der Kläger in der ganzen Zeit zwei- bis dreimal durchgeführt. Bei der Feststellung von Beikonsum habe der Kläger keine Maßnahmen ergriffen, insbesondere nicht die Mitgabe gestrichen. Der Zeuge I. T3. (Anklageschrift S. 309, Fallakte 24) hat darüber hinaus ausgesagt, dass eine psychosoziale Betreuung nicht richtig stattgefunden habe. Zwar sei immer jemand in der Praxis gewesen, wobei man stattdessen auch eine "Schaufensterpuppe" hätte hinstellen können. Der Sachverständige Dr. L1. hat überdies festgestellt, dass der Kläger dem Zeugen T3. neben dem Substitutionsmittel Diazepam verschrieben hat. Der Zeugin M1. (Anklageschrift S. 310, Fallakte 25) hat der Kläger nach deren Angaben und der Dokumentation der Dosierautomaten bereits am ersten Tag der Behandlung Substitutionsmittel für eine Woche im Wege der Take-Home-Verordnung mitgegeben. Zu Beginn der Behandlung habe der Kläger sie einen Patientenvertrag unterschreiben lassen. Eine körperliche Untersuchung habe nicht stattgefunden, wohl aber eine Urinkontrolle. Auch eine psychosoziale Betreuung habe sie nicht bekommen. Bei der Feststellung des Beikonsums von Benzodiazepinen seien keine therapeutischen Maßnahmen erfolgt. Die Zeugin C2. (Anklageschrift S. 311, Fallakte 26) hat bei ihrer Vernehmung angegeben, die vor einer Take-Home-Verordnung durchgeführte Urinprobe manipuliert zu haben. Nach den Bekundungen des Zeugen L3. (Anklageschrift S. 311 f., Fallakte 28), hat der Kläger diesem von sich aus und ohne weitere Begründung schon am zweiten Behandlungstag das Substitutionsmittel als Take-Home-Verordnung mitgegeben. Eine körperliche Eingangsuntersuchung und eine Urinkontrolle habe der Kläger nicht durchgeführt. Im Übrigen habe er während der Substitutionsbehandlung auch weiter Heroin konsumiert, was seitens des Klägers ohne Sanktion geblieben sei. Der Zeuge M2. (Anklageschrift S. 313 f., Fallakte 30) hat ausgesagt, das Substitutionsmittel bereits sechs Wochen nach Behandlungsbeginn als Take-Home-Verordnung für jeweils drei Tage mitgegeben bekommen zu haben. Dem Zeugen F. N1. (Anklageschrift S. 314, Fallakte 31) hat der Kläger nach dessen Angaben Methadon für 14 Tage als Take-Home-Verordnung zur eigenverantwortlichen Einnahme mitgegeben. Die Zeugin Q2. (Anklageschrift S. 315 f., Fallakte 34) hat ausgesagt, vom Kläger nach viermonatiger Substitutionsbehandlung Methadon als Take-Home-Verordnung zunächst für zwei und später für sieben Tage mitgegeben bekommen zu haben. Eine gründliche Aufklärung sei nicht erfolgt, sie sei weder bei Aufnahme in das Substitutionsprogramm noch im weiteren Verlauf eingehend körperlich untersucht worden. Des Weiteren habe der Kläger mit ihr nicht über die Erforderlichkeit einer psychosozialen Betreuung gesprochen und es sei ihr möglich gewesen, abgegebene Urinproben zu vertauschen. Ihr sei zudem bekannt, dass Take-Home-Dosen aus der Praxis des Klägers in der Bonner Betäubungsmittelszene verkauft worden seien. Der Aussage des Zeugen B. (Anklageschrift S. 318 f., Fallakte 37) lässt sich entnehmen, dass der Kläger ihn bei Aufnahme in das Substitutionsprogramm nicht über die begleitende psychosoziale Betreuung informiert habe. Vielmehr habe er erst später erfahren, dass diese zu einer Substitutionsbehandlung dazu gehöre. Der Zeuge O. (Anklageschrift S. 319 f., Fallakte 38) hat bekundet, zu Beginn der Substitutionsbehandlung ein kurzes Gespräch mit dem Kläger geführt zu haben, indes nicht körperlich untersucht und gleichfalls nicht über die psychosoziale Betreuung informiert worden zu sein. Die Take-Home-Dosis habe er nach negativer Urinkontrolle erhalten. Diese sei vom Kläger indes nicht begründet worden und es sei über die Take-Home-Vergabe auch nicht gesondert aufgeklärt worden. Nach der Statistik des Dosierautomaten sind dem Zeugen X. C3. (Anklageschrift S. 320 f., Fallakte 40) an einem Tag neun Tagesrationen L-Polamidon ausgehändigt worden. Der Zeuge H2. (Anklageschrift S. 321, Fallakte 41) hat ausgesagt, im Verlauf seiner Substitutionsbehandlung weder körperlich untersucht noch über die psychosoziale Betreuung informiert worden zu sein. Auch sei kein Behandlungskonzept mit dem Ziel der Drogenabstinenz erarbeitet worden. Der Umstand eines fehlenden Therapiekonzeptes und einer fehlenden Behandlungsvereinbarung werden im Übrigen von den Feststellungen des Sachverständigen Dr. L1. bestätigt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. L1. hat der Kläger der Zeugin O1. H3. (Anklageschrift S. 322, Fallakte 43) das Substitutionsmittel bereits am ersten Tag der Substitutionsbehandlung im Wege der Take-Home-Vergabe mitgegeben. Der Aussage des Zeugen M3. (Anklageschrift S. 323 ff., Fallakte 46) lässt sich entnehmen, dass der Kläger mit ihm bei Aufnahme in das Substitutionsprogramm ein zehnminütiges Gespräch geführt, eine Urinkontrolle durchgeführt und ihm dann Methadon gegeben habe. Eine körperliche Untersuchung sei nicht vorgenommen worden, auch habe der Kläger ihn im Falle der Feststellung von Beikonsum lediglich ermahnt. Über einen Therapie- oder Behandlungsplan mit dem Ziel der Drogenabstinenz sei nicht gesprochen worden. Drei Monate nach Aufnahme in das Substitutionsprogramm habe er für jeweils eine Woche Take-Home-Dosen zur eigenverantwortlichen Einnahme ausgehändigt bekommen. Dem Zeugen L4. (Anklageschrift S. 325, Fallakte 47) ist nach dessen Aussage bereits nach einwöchiger Substitutionsbehandlung Methadon im Wege der Take-Home-Dosierung mitgegeben worden, ohne das regelmäßige körperliche Untersuchungen durchgeführt worden wären. Im Übrigen gab der Zeuge L4. an, überhaupt nicht zu wissen, was eine psychosoziale Betreuung ist. Diese habe er auch nie bekommen. Neben dem Substitutionsmittel habe der Kläger ihm auch Diazepamtabletten mitgegeben. Der Zeuge I2. (Anklageschrift S. 326, Fallakte 49) hat bekundet, nach zweiwöchiger Substitutionsbehandlung vom Kläger "Wochenendmitgabe" erhalten zu haben. Eine psychosoziale Betreuung habe nicht stattgefunden. Diesbezüglich stellt der Sachverständige M. fest, dass eine Substitutionsbehandlung bei dem Zeugen zwar indiziert gewesen sei, die Behandlung jedoch nicht den einschlägigen Vorschriften entsprochen habe, die Dokumentationspflichten grob missachtet, Therapieziele nicht dokumentiert und eine psychosoziale Betreuung nicht stattgefunden habe. Hinsichtlich des Zeugen L5. (Anklageschrift S. 327 f., Fallakte 54) ergibt sich aus der Dokumentation der Dosierautomaten, dass der Kläger diesem im Wege der Take-Home-Vergabe am 08.07.2006 zehn Tagesdosen, am 05.08.2008 elf Tagesdosen und am 30.08.2008 neun Tagesdosen Methadon mitgegeben hat. Die Zeugin M4. (Anklageschrift S. 328, Fallakte 55) hat angegeben, ebenfalls für jeweils bis zu drei Tagen Take-Home-Vergaben erhalten zu haben, ohne mit dem Kläger über einen Therapieplan mit dem Ziel der Drogenabstinenz gesprochen zu haben. Der Sachverständige Dr. Q1. stellt hierzu fest, dass die Substitutionsbehandlung aufgrund festgestellten Heroinbeikonsums aus ärztlicher Sicht hätte abgebrochen werden müssen. Hinsichtlich dokumentierter Take-Home-Vergaben an den Zeugen N2. (Anklageschrift S. 329, Fallakte 58) hat der Sachverständige Dr. Q1. festgestellt, dass nach den Protokollen des Dosierautomaten eine Methadonvergabe in einem Zeitraum stattgefunden hat, in dem der Patient sich nachweislich in stationärer Behandlung befunden hat.

Die vorstehend wiedergegebenen Feststellungen der Sachverständigen und die Zeugenaussagen der Substitutionspatienten werden des Weiteren bestätigt durch das in der Verwaltungsakte befindliche Schreiben der Stadt Bonn an die Bezirksregierung Köln vom 08.12.2010. Darin wird mitgeteilt, dass nach einer erfolgten Praxisschließung am 17.11.2010 Patienten des Klägers im Rahmen einer Notfallsubstitution durch die LVR-Klinik Bonn behandelt worden sind. Nach Mitteilung der LVR-Klinik hätten von den übernommenen und behandelten 130 Patienten des Klägers lediglich 16 Patienten eine psychosoziale Betreuung erhalten. 34 der 130 Patienten hätten überdies regelhaft Benzodiazepine (19 x Rivotril, 14 x Diazepam, 1 x Tavor) in teilweise ungewöhnlich hohen Dosierungen erhalten.

ee)

Unter Zugrundelegung der wiedergegebenen Beweismittel steht fest, dass der Kläger neben den durchgehenden Verstößen gegen die zulässigen Vergabemodalitäten der Take-Home-Verordnung auch weitere zwingende Voraussetzungen einer Substitutionsbehandlung in einer erheblichen Anzahl der angeklagten Fälle missachtet hat.

So standen der Substitutionsbehandlung bei all denjenigen Patienten bereits zwingende medizinische Ausschlussgründe im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BtMVV entgegen, die neben der Substitutionsbehandlung von Benzodiazepinen abhängig waren und diese Stoffe nebenbei konsumiert haben. Dies ergibt sich aus Ziffern 2, 11 und 12 der, den Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergebenden und nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BtMVV zu beachtenden, RL BÄK in der Fassung vom 22.03.2002. In diesen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Abhängigkeit von anderen Substanzen einer Substitution entgegensteht und ein etwaiger Beigebrauch vor Beginn der Substitutionsbehandlung berücksichtigt und behandelt werden muss. Ein Beigebrauch von Benzodiazepinen bzw. anderen psychotropen Substanzen war, wie vorstehend ausgeführt, bei einem erheblichen Teil der Patienten gegeben.

Eine Substitutionsbehandlung hätte gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BtMVV auch bei all denjenigen Patienten nicht durchgeführt werden dürfen, bei denen keine psychosozialen Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen durchgeführt worden sind. Eine psychosoziale Betreuung wird im Rahmen des erforderlichen umfassenden Therapiekonzepts nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft bei einer Substitutionsbehandlung für zwingend erforderlich und unabdingbar erachtet. Dies ergibt sich aus Ziffer 3 der nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BtMVV maßgeblichen RL BÄK in der Fassung vom 22.03.2002. Das eine regelgerechte psychosoziale Betreuung in der großen Mehrzahl der angeklagten Fälle nicht stattgefunden hat, lässt sich übereinstimmend den Sachverständigengutachten des MDKN, den Zeugenaussagen der Patienten und indiziell der Mitteilung der Stadt Bonn vom 08.12.2010 entnehmen.

Bei der Einleitung der Substitutionsbehandlungen hat der Kläger in einer Vielzahl der angeklagten Fälle zudem die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 lit. a) bis d) BtMVV vorgeschriebenen Untersuchungen und Erhebungen unterlassen bzw. in nicht ausreichendem Maße durchgeführt. So hat eine große Mehrzahl der als Zeugen vernommenen Patienten bekundet, vor der Substitutionsbehandlung seitens des Klägers nicht körperlich untersucht worden zu sein. Teilweise sind vor der Substitutsvergabe noch nicht einmal Urinkontrollen zur Feststellung von Beikonsum durchgeführt worden. Einzelne Patienten haben sogar bekundet, die abgegebenen Urinproben manipuliert zu haben. Die von den Patienten geschilderten fehlenden körperlichen Untersuchungen und nicht stringent durchgeführten und dokumentierten Urinkontrollen sind ebenfalls von Seiten der Sachverständigen des MDKN bestätigt worden. Mangels Durchführung der körperlichen Untersuchungen nebst stringenter Drogenscreenings vor der Substitutionsbehandlung und infolge fehlender bzw. nicht hinreichender Aufklärung, insbesondere über das Erfordernis einer dauerhaften psychosozialen Behandlung, war es dem Kläger schlichtweg nicht möglich zu überprüfen, ob die Patienten bereits von anderen Ärzten Substitutionsmittel erhielten, sie psychosoziale Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen dauerhaft in Anspruch nahmen, ein substitutionsgefährdender Beigebrauch der Patienten gegeben war und das Substitutionsmittel auch bestimmungsgemäß verwendet wurde. Bemerkenswert ist, dass der Kläger nach Bekundungen einzelner Patienten selbst bei im Einzelfall festgestelltem Beigebrauch die Substitutionsbehandlung nicht etwa abgebrochen, sondern stattdessen beanstandungslos bzw. nach Ermahnung uneingeschränkt fortgesetzt hat. Wegen Verstoßes gegen die in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BtMVV aufgeführten Voraussetzungen einer regelgerechten Substitutionsbehandlung, insbesondere infolge des teilweisen Unterlassens der nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 lit. c), Abs. 2 Satz 2 BtMVV und Ziffer 5 der RL BÄK vor Behandlungsbeginn stets durchzuführenden Drogenscreenings kann der staatsanwaltschaftlichen Anklage im Kern dahingehend gefolgt werden, dass die wesentlichen gesetzlichen Vorgaben einer Substitutionsbehandlung nahezu durchgehend nicht vorlagen. Nur flankierend ist insoweit zu konstatieren, dass nach den vorliegenden Zeugenaussagen und den Feststellungen der Sachverständigen des MDKN auch die in Ziffer 5 RL BÄK niedergelegten und vor Einleitung einer substitutionsgestützten Behandlung zu beachtenden Voraussetzungen in erheblichem Maße vom Kläger unbeachtet geblieben sind. Denn die gründliche Erhebung der Vorgeschichte des Patienten, eine eingehende Untersuchung des Patienten, die Formulierung eines Behandlungskonzeptes, die Abklärung einer eventuellen Mehrfachsubstitution sowie eine ausführliche Aufklärung über Wirkungen und Wechselwirkungen des Substitutionsmittels sind in aller Regel vollständig unterblieben oder wenn überhaupt nur in einem unzureichenden Maße durchgeführt worden.

Mithin haben bereits die für jede Substitutionsbehandlung nach § 5 Abs. 2 BtMVV zwingend zu beachtenden Voraussetzungen in der ganz überwiegenden Zahl der angeklagten Fälle nicht vorgelegen. Unabhängig vom Vorwurf der rechtswidrigen Take-Home-Substitution hätte mithin in den meisten Fällen noch nicht einmal eine nach § 5 Abs. 5 bis 7 BtMVV ausschließlich in der Praxis durchzuführende Substitutionsbehandlung vorgenommen werden dürfen.

Ungeachtet des durchweg gegebenen Verstoßes gegen die in § 5 Abs. 8 BtMVV normierten Vergabemodalitäten bei einer Take-Home-Verordnung (Substitutsmitgabe anstelle der Aushändigung einer Verschreibung) wurden darüber hinaus auch die weiteren bei einer Take-Home-Verordnung zu beachtenden Voraussetzungen nicht eingehalten. So hat der Kläger in vielen Fällen schon nicht die für eine zweitägige Take-Home-Verordnung gemäß § 5 Abs. 8 Satz 1 BtMVV erforderlichen Vorgaben beachtet, soweit er Patienten schon wenige Tage nach erstmaliger Substitution, bzw. zwei bis vier Monate nach Durchführung einer Substitutionsbehandlung mit unmittelbarem Verbrauch, Take-Home-Dosen mitgegeben hat. Zum einen konnte der Kläger bei den Vergaben nach wenigen Tagen und ohne die Durchführung einer gründlichen Anamnese und Untersuchung der Patienten schon nicht sicher feststellen, ob nicht die Substitutionsbehandlung auch anderweitig hätte gewährleistet werden können. Zum anderen konnte angesichts der in manchen Fällen erst wenige Tage andauernden Substitutionsbehandlung unter Sicht denknotwendig schon keine Behandlungsverlaufsprognose erfolgen. Mangels körperlicher Untersuchung und hinreichender Anamneseerhebung war es dem Kläger außerdem nicht möglich, Risiken der Selbst- oder Fremdgefährdung durch die Substitutionsmittelmitgabe zu eruieren, da eine Einschätzung der Zuverlässigkeit des jeweiligen Patienten nach einem Zeitraum von wenigen Tagen nicht mit hinreichender Sicherheit vorgenommen werden kann. Auch eine Beeinträchtigung der Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs konnte der Kläger nicht ausschließen, zumal er sämtliche Take-Home-Dosen als Mitgabe gehandhabt und somit einen Schwarzmarkthandel mit den Substitutionspräparaten zumindest ermöglicht hat. Diesbezüglich hat die Zeugin Q2. ausdrücklich bekundet, dass Take-Home-Dosen aus der Praxis des Klägers in der Bonner Betäubungsmittelszene verkauft worden seien. Hinzu kommt, dass nach § 5 Abs. 8 Satz 6 BtMVV für die Bewertung des Behandlungsverlaufes die den Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergebenden RL BÄK zu beachten sind. Ziffer 9 der RL BÄK in der maßgeblichen Fassung vom 22.03.2002 sehen indes vor, dass eine Take-Home-Verordnung in aller Regel erst nach einer sechsmonatigen Substitutionsbehandlung unter Sicht und einer mindestens dreimonatigen gesicherten Beigebrauchsfreiheit des Patienten zu erfolgen hat. Ferner muss seitens des Arztes ein klinisch stabiler Eindruck des Patienten festgestellt werden können und die psychosoziale Reintegration entsprechend fortgeschritten sein. Auch ist die Entscheidung zur Take-Home-Vergabe in der Regel mit der psychosozialen Betreuungsstelle abzustimmen sowie Gründe für die Verordnung und der bisherige Verhandlungsverlauf zu dokumentieren. Diese Anforderungen sind in nahezu keinem der angeklagten Fälle eingehalten worden.

Aus den gleichen Gründen lagen auch die gemäß § 5 Abs. 8 Sätze 4 und 5 BtMVV für eine Take-Home-Verschreibung für bis zu sieben Tage erforderlichen Voraussetzungen in nahezu keinem der Fälle vor. Denn infolge der teilweise bereits nach wenigen Tagen praktizierten Take-Home-Vergaben für einen längeren Zeitraum als zwei Tage, der fehlenden körperlichen Untersuchungen und psychosozialen Betreuung sowie der unzureichenden Drogenscreenings hinsichtlich Beigebrauch fehlten dem Kläger schon aufgrund des Zeitmoments die medizinischen Erhebungen, um eine Stabilisierung des Zustandes der Patienten feststellen zu können. Bereits wegen der durchweg unzureichenden, weil nicht kontinuierlichen Beigebrauchskontrolle hätten die für mehr als zwei Tage ausgereichten Take-Home-Dosen wegen Verstoßes gegen die Vorgaben von § 5 Abs. 8 Satz 5 BtMVV nicht verabreicht werden dürfen. Denn der Kläger hat ausweislich der vorliegenden Zeugenaussagen gerade keine regelmäßigen Drogenscreenings durchgeführt und die Take-Home-Vergabe auch bei festgestelltem Beigebrauch, wie von Ziffern 11 und 12 RL BÄK vorgesehen, nicht eingestellt. Unabhängig davon hat der Kläger in wenigen Fällen auch mehr als sieben Tagesdosen im Wege der Take-Home-Vergabe ausgereicht und sich damit vollends aus dem gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen entfernt. Soweit die Take-Home-Dosen teilweise nicht vom Kläger selbst, sondern von dessen Praxispersonal an die Patienten ausgehändigt worden sind, ist überdies ein Verstoß gegen das in § 5 Abs. 8 Satz 10 BtMVV normierte Erfordernis der persönlichen ärztlichen Konsultation festzustellen.

c)

Angesichts der vorstehend aufgeführten massiven Verstöße gegen die für eine Substitutionsbehandlung im Wege der Take-Home-Verordnung geltenden zwingenden Vorschriften des § 5 Abs. 2 und 8 BtMVV war die vom Kläger durchweg praktizierte Take-Home-Vergabe von Substitutionsmitteln in der überwiegenden Mehrzahl der angeklagten Fälle nicht begründet im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG. Demzufolge waren auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG, bei deren Vorliegen Ärzte im Falle der Betäubungsmittelverschreibung von der grundsätzlichen Erlaubnispflicht befreit sind, nicht erfüllt. Das erkennende Gericht ist daher davon überzeugt, dass eine Verurteilung des Klägers wegen einer großen Anzahl der angeklagten Fälle gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 b), Abs. 3 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG sehr wahrscheinlich ist. Es kann in diesem Zusammenhang letztlich dahinstehen, ob der isolierte Verstoß gegen die Vergabemodalitäten einer Take-Home-Verordnung (Verstoß gegen das Apothekenmonopol) allein bereits eine Strafbarkeit im Sinne der vorgenannten Strafvorschriften begründet, da jedenfalls auch die zwingenden Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Substitutionsbehandlung gemäß § 5 Abs. 2 und 8 BtMVV wegen der zahlreichen Verstöße nahezu durchgehend nicht erfüllt waren.

Vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2012 - 3 StR 321/11 -, Rn. 14 ff, juris; BGH, Urteil vom 04.06.2008 - 2 StR 577/07 -, Rn. 11 ff., juris, zur Systematik der betäubungsmittelrechtlichen Strafvorschriften bei einer nicht gesetzeskonformen Substitutionsbehandlung.

d)

Ist eine strafrechtliche Verurteilung des Klägers nach den vorgenannten Feststellungen sehr wahrscheinlich, sind die seitens der Staatsanwaltschaft angeklagten Taten wegen der Regelhaftigkeit der Verstöße gegen die gesetzlichen Substitutionsvorschriften, der Anzahl der Taten und der über Jahre andauernden immer gleichen Begehungsweise als so schwerwiegend zu qualifizieren, dass daraus gleichfalls auf eine Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes zu schließen ist. Insbesondere vor dem Hintergrund des klägerischen Vortrages in der Klageschrift, wonach er die von ihm praktizierte Substitutionsbehandlung nach wie vor rechtfertigt und als mit den Regeln der ärztlichen Kunst vereinbar bezeichnet, ist nicht davon auszugehen, dass er seine berufliche Tätigkeit als Arzt in der Substitutionsbehandlung von opiatabhängigen Patienten in Zukunft ordnungsgemäß in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben und dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft ausüben wird. Gleichfalls besitzt er aufgrund des durchgehenden und regelhaften Ignorierens der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zur Substitutionsbehandlung nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist.

e)

Letztlich vermögen auch die mit der Klageschrift geltend gemachten inhaltlichen Einwendungen des Klägers die seitens der Staatsanwaltschaft detailliert erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe nicht zu entkräften. Nach wie vor geht von den der staatsanwaltschaftlichen Anklage zugrunde liegenden Beweismitteln ein erdrückender Beweiswert aus.

Wenn der Kläger vorträgt, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO seien nicht erfüllt, soweit der Beklagte die Ruhensanordnung auf eine unzureichende Anamnese und Dokumentation stützte, verkennt er die vorstehend ausführlich dargelegte Systematik der eine Substitutionsbehandlung betreffenden betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften. Eine hinreichend sorgfältige Anamneseerhebung und Dokumentation der durchgeführten Untersuchungen und Befunde ist notwendige Bedingung einer gesetzeskonformen Substitutionsbehandlung. Denn diese versetzt den behandelnden Arzt erst in die Lage, die gesetzlichen Voraussetzungen einer Substitutionsmittelvergabe im Allgemeinen und einer Take-Home-Verordnung im Besonderen beurteilen zu können. Untersuchungs- und Dokumentationsverpflichtungen werden sowohl von §§ 5 und 13 BtMVV als auch den RL BÄK als zwingend angesehen. Eine unter Missachtung dieser Verpflichtungen durchgeführte Substitutionsbehandlung entspricht nicht den gesetzlichen Voraussetzungen der Befreiungstatbestände von § 13 Abs. 1 BtMG und § 5 BtMVV und führt grundsätzlich zur Strafbarkeit des Arztes.
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Die seitens des MDKN erstellten Einzelfallgutachten und das diese zusammenfassende Gesamtgutachten konnten vom Beklagten entgegen der Auffassung des Klägers auch rechtsfehlerfrei ohne Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz zur Begründung der Ruhensanordnung herangezogen werden. Die Durchführung weitergehender eigener Ermittlungen war nicht geboten. Denn die Ermittlungsbehörden verfügen wegen der ihnen verliehenen besonderen Eingriffsbefugnisse in der Regel über weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten als die zuständige Approbationsbehörde. Im Übrigen folgt unmittelbar aus dem Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO, dass es der Verwaltungsbehörde gestattet sein muss, hinsichtlich der Begründung der Ruhensanordnung auch die im Ermittlungsverfahren erhobenen Beweise heranzuziehen.

Die Verwertung der im Ermittlungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgt im Wege des Urkundenbeweises gemäß § 96 Abs. 1, § 98 VwGO.

Etwaige erhebliche Mängel der dem Gesamtgutachten als Erkenntnisgrundlage zugrunde liegenden Einzelfallgutachten hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Er hat insbesondere die, die Erkenntnisse der Begutachtungen stützenden, Zeugenaussagen der Patienten nicht entkräftet. Auch die gegen das zusammenfassende Gesamtgutachten erhobenen Rügen greifen im Ergebnis nicht durch, so dass dessen Verwertung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine durchgreifenden Einwände entgegenstehen. Der Verzicht auf ein Schrifttumsverzeichnis und etwaige Quellenangaben ist unerheblich, weil ausweislich des Gutachtenauftrages die Übereinstimmung der vom Kläger durchgeführten Substitutionsbehandlung mit den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zu überprüfen war. Dieser Auftrag ist ausgeführt worden. Aus welchen Gründen es hier neben der erfolgten Angabe der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen der gesonderten Angabe eines Schrifttumsverzeichnisses und weiterer Quellenangaben bedurfte, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Soweit der Sachverständige Dr. U. in inhaltlicher Hinsicht die rechtliche Bindung aller Substitutionsärzte an die RL BÄK konstatiert, ist auch dies im Ergebnis zutreffend. Die RL BÄK geben ausweislich des § 5 Abs. 11 BtMVV den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft wieder, welcher gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2, Abs. 8 Satz 6 BtMVV bei jeder Substitutionsbehandlung zu beachten ist.

Wenn der Kläger dem Sachverständigen Dr. U. des Weiteren eine fehlende eigenständige Prüfung unterstellt, entbehrt auch dies angesichts der Konzeption des Gutachtens als ein die 65 Einzelfallgutachten zusammenfassendes Gesamtgutachten jeglicher Grundlage. Denn der Sachverständige fügt die bereits in den Einzelfallgutachten getroffenen Feststellungen patientenunabhängig zusammen und gibt deren wesentlichen Inhalt wieder. Es ist ebenfalls nicht zu erkennen, dass die Sachverständigen des MDKN von falschen Tatsachengrundlagen ausgegangen sind und widersprüchliche Ausführungen enthalten. Denn die Feststellungen und Erhebungen der Sachverständigen decken sich bezüglich der maßgeblichen Punkte körperliche Untersuchung, Drogenscreening/Urinkontrolle, Beikonsum, Aufklärung, Erarbeitung eines Therapieplanes, psychosoziale Betreuung, Modalitäten der Take-Home-Verordnungen mit den Zeugenaussagen der betroffenen Patienten. Infolge der Übereinstimmung zwischen den Zeugenaussagen der Patienten und den Feststellung der Sachverständigen greift auch der Einwand des Klägers nicht durch, den Sachverständigen habe nicht die vollständige Praxisdokumentation (Dosierautomatendokumentation, Praxisverwaltungsprogramm ALBIS, BtManage-Datei, Stammblattverzeichnis) vorgelegen. Selbst wenn man - ungeachtet der Authentizität der nachträglich nach Sicherung des Beweismaterials durch die strafrechtlichen Ermittlungsbehörden im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen - den auf die staatsanwaltschaftlichen Fallakten 1, 3, 6 und 66 bezogenen und durch Ausdrucke belegten Vortrag des Klägers als wahr unterstellen und eine vollständig gesetzeskonforme Substitutionsbehandlung annehmen würde, änderte dies nichts an den weiterhin im Raum stehenden massiven Gesetzesverstößen hinsichtlich der verbleibenden 61 Patienten. Bezüglich der Fallakte 66 ist im Übrigen zu bemerken, dass diese nicht Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Anklage ist und es auf die diesbezügliche gutachterliche Bewertung im Ergebnis nicht ankommt. Dessen ungeachtet kann indes auch den vorgelegten Unterlagen kein Beleg dafür entnommen werden, dass in den thematisierten vier Fallakten eine gesetzeskonforme psychosoziale Betreuung erfolgt ist. Insbesondere belegen die als Anlagen 10, 14.6 und 17 vorgelegten Behandlungsverträge in keiner Weise, dass eine psychosoziale Betreuung tatsächlich durchgeführt worden ist. Allein eine fehlende stringente psychosoziale Betreuung in Verbindung mit der unstreitigen Take-Home-Mitgabe von Substitutionsmitteln aus der Praxis stellt bereits für sich genommen ein strafbares Verhalten im Sinne der bereits genannten betäubungsmittelrechtlichen Strafvorschriften dar.

Letztlich greift auch der pauschale und unsubstantiierte Einwand des Klägers nicht durch, die von den Ermittlungsbehörden herangezogenen Sachverständigen verfügten als sog. "MDK-Ärzte" über keine ausreichende Fachkompetenz zur Feststellung einer gesetzeskonformen Substitutionsbehandlung. Insbesondere der Sachverständige Dr. U. verfügt ausweislich der Ausführungen im Gesamtgutachten vom 30.03.2010 sowohl über die nach den Weiterbildungsordnungen der Ärzte anerkannte Zusatzbezeichnung "Suchtmedizinische Grundversorgung" sowie als ehemaliger Leiter einer Fachklinik für Abhängigkeitserkrankungen über hinreichende praktische Erfahrung im Bereich der Akut- und Entwöhnungsbehandlung von Abhängigkeitskranken. Selbst wenn jedoch zugunsten des Klägers eine fehlende Fachkompetenz der im Ermittlungsverfahren beauftragten Sachverständigen unterstellt würde, änderte dies im Ergebnis nichts an der getroffenen Prognose einer erheblichen strafrechtlichen Verurteilungswahrscheinlichkeit. Denn die - neben der unstreitigen Take-Home-Vergabe von Substitutionsmitteln - dargelegten umfassenden Verstöße gegen die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften lassen sich bereits den in der Anklageschrift wiedergegebenen Zeugenaussagen der betroffenen Patienten entnehmen.

IV.

Die seitens des Beklagten getroffene Ermessensentscheidung hinsichtlich der Anordnung des Ruhens der Approbation des Klägers lässt in dem durch § 114 Satz 1 VwGO abgesteckten Prüfungsumfang keine Rechtsfehler erkennen. Der Beklagte hat das ihm durch § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eingeräumte Ermessen erkannt und dementsprechend von seinem Entschließungsermessen Gebrauch gemacht. Auch die Ausübung des Handlungsermessens begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Beklagte hat seine Ermessenserwägungen hinsichtlich der Ruhensanordnung im Wesentlichen mit dem Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der beim Kläger in Behandlung befindlichen bzw. zukünftigen (Substitutions)Patienten begründet. Zur Erreichung dieses Zweckes ist die Ruhensanordnung geeignet und erforderlich. Da die ärztliche Approbation ihren Inhaber stets zur uneingeschränkten ärztlichen Berufsausübung berechtigt, ist auch kein milderes Mittel zur Erreichung des mit der Anordnung verfolgten Zieles eines umfassenden Patientenschutzes ersichtlich. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hat der Beklagte berücksichtigt, dass die Ruhensanordnung einen erheblichen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit darstellt und demzufolge mit erheblichen Einschnitten hinsichtlich der beruflichen Existenz des Klägers verbunden ist. Wie der Beklagte jedoch zutreffend ausführt, ist aufgrund der Vielzahl der im Raume stehenden Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben einer Substitutionsbehandlung und wegen der hierdurch hervorgerufenen Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Patienten, dem Patientenschutz der Vorrang vor dem Recht des Klägers an einer uneingeschränkten Berufsausübung einzuräumen. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass es sich bei den durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Grundrechten der Patienten um überragend wichtige Gemeinschaftsgüter handelt, die eines besonderen Schutzes bedürfen. Angesichts der von einer nicht regelgerechten Substitutionsbehandlung im Wege der nahezu durchgängigen Verabreichung von Take-Home-Mitgaben ausgehenden Gesundheitsgefahren, die insbesondere bei einer nicht hinreichenden Kontrolle auf den Beikonsum anderer Betäubungsmittel unter Umständen den Tod des Patienten herbeiführen können, ist die Untersagung der ärztlichen Berufstätigkeit im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutze der Patienten zwingend geboten.

Im Hinblick auf die dem Kläger durch die Ruhensanordnung und der damit verbundenen Einstellung seiner ärztlichen Berufstätigkeit entstehenden Vermögenseinbußen ist außerdem zu beachten, dass es sich bei der Anordnung des Ruhens der Approbation nur um eine vorübergehende Maßnahme handelt, die dazu bestimmt ist, in unklaren Fällen oder Eilfällen einem Arzt die Ausübung ärztlicher Tätigkeit für bestimmte oder unbestimmte Zeit zu untersagen, wenn dies im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutz von Patienten geboten ist. Sie erfasst insbesondere die Fälle, in denen eine Ungeeignetheit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs (noch) nicht endgültig feststeht. Daher ist die Anordnung des Ruhens der Approbation, wenn sie den ihr zugedachten Zweck einer Präventionsmaßnahme zur Abwehr von Gefahren für einen unbestimmten Patientenkreis und damit zum Schutz der Allgemeinheit erfüllen soll, von ihrer Natur her insofern auf einen schnellen Vollzug angelegt, als es sich um eine vorläufige Berufsuntersagung und um eine vorübergehende Maßnahme handelt, die nach § 6 Abs. 2 BÄO aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.06.2007 - 13 A 4748/06 -, Rn. 8, juris.

Wegen dieses vorübergehenden Charakters kann die Approbationsbehörde dem Arzt jedoch gemäß § 6 Abs. 4 BÄO gestatten, seine Praxis durch einen Vertreter fortführen zu lassen und damit die durch Einstellung seiner Berufstätigkeit eintretenden Vermögenseinbußen so gering wie möglich zu halten. Dem Kläger steht es demgemäß frei, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

V.

Die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides enthaltene Aufforderung, der Bezirksregierung die Approbationsurkunde auszuhändigen, begegnet wegen der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ermächtigungsgrundlage für das Herausgabeverlangen ist § 52 Sätze 1 und 2 VwVfG NRW. Hiernach kann die Behörde eine Urkunde zurückfordern, die aufgrund eines Verwaltungsaktes, dessen Wirksamkeit aus einem anderen Grund als Rücknahme oder Widerruf nicht mehr gegeben ist, erteilt worden ist.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.05.1990 - 5 A 1692/89 -, juris.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da die Wirksamkeit der Approbation des Klägers infolge der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung nicht mehr gegeben ist. Auf Rechtsfolgenseite hat der Beklagte das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und hiervon in zweckentsprechender Weise Gebrauch gemacht. Zutreffend begründet der Beklagte die Aufforderung zur Herausgabe damit, dass bei nicht erfolgender Rückgabe der Urkunde etwaige Missbrauchsmöglichkeiten hinsichtlich der weiteren Ausübung des ärztlichen Berufes bestehen bleiben.

VI.

Auch ist die in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides enthaltene Zwangsgeldandrohung rechtmäßig. Die Voraussetzungen der insoweit maßgeblichen Rechtsgrundlage des § 63 Abs. 1 bis 3, 5, 6 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) sind erfüllt.

VII.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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