Ist ein niedergelassener Arzt insolvent und nimmt weniger ein, als ein angestellter Arzt verdiente, so kommt es häufig zu Konflikten mit dem Insolvenzverwalter. In dem von BGH am 14.03.2014 entschiedenen Fall (IX ZR 43/12) verlangte der Insolvenzverwalter von dem Arzt Zahlungen, die sich an dem Lohn eines angestellten Arztes orientierten. Der BGH hat in diesem Zusammenhang zu einigen drängenden Fragen des Arztes Stellung genommen.

Im vorliegenden Fall war ein selbständig tätiger Zahnarzt insolvent geworden. Der Insolvenzverwalter gab die selbständige Tätigkeit des Zahnarztes frei. Das von dem Zahnarzt erwirtschaftete Honorar lag nach Meinung des Insolvenzverwalter unter den fiktiven Einkünften eines angestellten Zahnarztes. Der Insolvenzverwalter klagte auf Zahlung des pfändbaren Teils der Einkünfte eines angestellten Zahnarztes. Der BGH hat den Fall zur weiteren Ermittlung des Sachverhaltes an die untere Instanz zurückgegeben. 

Es stellen sich folgende Fragen:

1. Muss ein niedergelassener Arzt im Insolvenzverfahren in eine abhängige Beschäftigung wechseln?

2. Wieviel von seinem Honorar muss er an den Insolvenzverwalter abführen? Orientiert sich dieser Betrag an dem tatsächlichen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit oder aus dem fiktiven Einkommen eines angestellten Arztes?

3. Gefährdet er seine Restschuldbefreiung, wenn er weiter selbständig tätig ist?

Zu der ersten Frage:

Nein, der Zahnarzt muss nicht in eine Anstellung wechseln. Den Schuldner (Zahnarzt) trifft im laufenden Insolvenzverfahren nach derzeit geltendem Recht nicht die Pflicht, ein abhängiges Dienstverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit auszuüben, weil seine Arbeitskraft nicht in die Insolvenzmasse fällt (BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 Rn. 16; Beschluss vom 18. Dezember 2008 - IX ZB 249/07, WM 2009, 361 Rn. 11; vom 13. Juni 2013, aaO Rn. 6 ff, 15). Er ist aber verpflichtet, seine Ressourcen, insbesondere seine Ausbildung und die durch Vortätigkeiten erlangten Qualifikationen bestmöglich zu nutzen. Kann er also eine besser bezahlte Anstellung erlangen, so hat er dies auch zu tun.

Zu der zweiten Frage:

Maßstab für die Höhe der Abführungspflicht ist das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende pfändbare fiktive Nettoeinkommen (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2013, aaO Rn. 16 ff mwN). Damit ist das Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung gemeint. Wie ist dieses aber zu ermitteln? Der BGH löst das Problem über eine komplexe Verteilung von Beweislasten: Der Insolvenzverwalter hat grundsätzlich die Pflicht, das fiktive Einkommen zu beweisen (und zwar sowohl, dass der Arzt eine solche Anstellung hätte erlangen können, als auch die Höhe des fiktiven Lohnes). Der Arzt muss ihm dazu aber alle gewünschten Informationen geben. Er muss auf Nachfrage alles mitteilen, woraus der Insolvenzverwalter ermitteln kann, ob dem Arzt mit seinen Qualifikationen, seinem Alter und seinen individuellen Fähigkeiten eine bestimmte angestellte Tätigkeit möglich und erlangbar ist. Zugleich muss er dem Insolvenzverwalter alle Auskünfte zu seiner selbständigen Tätigkeit geben (Dauer, Einnahmen etc.).

Es dürfte dem Insolvenzverwalter nicht leichtfallen, diesen Nachweis im Einzelnen zu führen. Der Arzt sollte hier extrem kooperativ sein. Ist er dies nicht, macht er sich angreifbar. Denn dann kann der Insolvenzverwalter vor Gericht anführen, dass ihm ein besserer Nachweis nicht möglich sei auf Grund der mangelnden Auskünfte des Arztes.

Zu der dritten Frage:

Der Arzt gefährdet seine Restschuldbefreiung nur dann, wenn der Insolvenzverwalter nachweist, dass der Arzt zwar eine Anstellung hätte erlangen können und dann auch mehr verdient hätte, er dies aber nicht tat. Um sich hier zu schützen, ist dem Arzt zu raten, sich von Zeit zu Zeit auf offene Anstellungen zu bewerben und die Absagen zu sammeln.

Hilfreich ist es auch, wenn sich der Arzt mit den wichtigsten Gläubigern über die zu leistenden Zahlungen einigt. Er sollte also mit den Gläubigern "im Gespräch bleiben". So ist er relativ geschützt gegen Anträge der Gläubiger auf Versagung der Restschuldbefreiung. Sinnvoll ist es auch, den Gläubigern periodisch mitzuteilen, welche Beträge er abzuführen beabsichtigt und wie sich diese Beträge errechnen.

Fazit:

Gefordert ist also eine enge Kommunikation des Arztes mit dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern während der langen Wohlverhaltensphase. Dies kann der Arzt neben seiner selbständigen Tätigkeit selbst kaum leisten. Gerne stehen wir hier mit Rat und Tat zur Seite.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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