Bei Einsatz einer neuen OP-Methode (CASPAR: Computergestützte Implantation einer Hüftgelenkstotalendoprothese) muss der Arzt den Patienten darüber aufklären, dass wegen der relativ kurzen Beobachtungszeit noch keine abschließenden Aussagen über das Risikopotential der Operationsmethode getroffen werden können (OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 08.11.2013 - 25 U 79/12).

Der Fall:

Nach einem in den Mittagsstunden des 11. August 1999 mit der Ärztin A geführten Aufklärungsgespräch willigte der Kläger in die geplante Operation ein. Grundlage des Gesprächs war eine schriftliche Basisinformation, in der unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass Längenunterschiede der Beine als Folge der Operation nicht mit letzter Sicherheit vermeidbar seien und dass es durch Verkalkungen in den benachbarten Muskeln zu erheblichen Bewegungseinschränkungen kommen könne. Auf die Gefahr intraoperativer Muskelverletzungen wurde nicht hingewiesen.

Am Abend des 11. August 1999 führte der Kläger ein weiteres Aufklärungsgespräch, nunmehr mit dem Arzt B. Hierbei wurde der Kläger darüber informiert, dass die Operationsmethode CASPAR zur Anwendung kommen sollte.

In einem dem Kläger von B übergebenen Merkblatt wird ausgeführt, dass durch die Roboterfräsung ein gegenüber der herkömmlichen Operationstechnik deutlich verbesserter Flächenkontakt zwischen dem künstlichen Schaft und dem Oberschenkelknochen erreicht werden könne, wodurch ein besseres Einheilen und eine längere Standzeit des künstlichen Hüftimplantats in der Schaftkomponente zu erwarten seien. Die robotergesteuerte Fräsung des Oberschenkelschaftes sei bereits in über 2.000 Operationen durchgeführt worden. Nach dreijähriger Beobachtungszeit sei festzustellen, dass durch diese Operationsmethode eine optimierte Verankerung des Schaftes erzielt werden könne, wodurch das Einheilungsverfahren der Prothese positiv beeinflusst worden sei. Als Nachteile der Operationsmethode werden die Notwendigkeit einer Voroperation und ein möglicherweise auftretender Wundschmerz infolge der dabei vorzunehmenden Stichinzisionen genannt. Beim Einbringen der Endoprothese entstehe durch den Einsatz des CASPAR kein zusätzliches Risiko.

Die Entscheidung:

Das OLG erkannte dem Kläger ein - wenn auch geringes - Schmerzensgeld von EUR 2.000 zu.

Es ist unzweifelhaft, dass der Kläger über die mit der CASPAR-Operationsmethode (ein Roboter führt die Fräsarbeiten am Knochen aus) verbundenen Gefahren nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist.

Will der Arzt keine allseits anerkannte Standardmethode, sondern eine relativ neue und noch nicht allgemein eingeführte Methode mit neuen, noch nicht abschließend geklärten Risiken (hier: CASPAR) anwenden, so hat er den Patienten unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass unbekannte Risiken derzeit nicht auszuschließen sind (BGH, NJW 2006, 2477, 2478 Rdn. 14 - Robodoc). Dies haben die Beklagten nicht getan. Vielmehr heißt es in dem Merkblatt, das B dem Kläger ausgehändigt hat, durch den Einsatz des CASPAR entstehe kein zusätzliches Risiko beim Einbringen der Endoprothese. Dies war objektiv unzutreffend, weil der Einsatz eines Fräsroboters nach den Angaben des Sachverständigen Sv3 die Gefahr von Muskelverletzungen vergrößert. Dies konnten die Ärzte der Beklagten zu 1 im Jahr 1999 zwar noch nicht wissen. Sie wussten jedoch, dass wegen der relativ kurzen Beobachtungszeit noch keine abschließenden Aussagen über das Risikopotential der CASPAR-Operationsmethode getroffen werden konnten. Hierauf hätten sie den Kläger hinweisen müssen, was sie jedoch nicht getan haben.

Da die Einwilligung des Klägers in die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode somit mangels ordnungsgemäßer Aufklärung unwirksam war, müssen die Beklagten grundsätzlich für alle hieraus resultierenden Schadensfolgen haften.

Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger durch den Einsatz des Fräsroboters einen Schaden erlitten hat. Insbesondere hat es nicht für erwiesen erachtet, dass der rechte mittlere Gesäßmuskel des Klägers quer eingeschnitten wurde, um einen gegenüber der Standardmethode erweiterten Zugang zum Hüftgelenk zu schaffen. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der diesbezüglichen Feststellungen bestehen nicht. Sie stehen im Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen Sv3, der in Übereinstimmung mit dem von ihm hinzugezogenen Radiologen Sv4 auf den von C gefertigten Bildaufnahmen keine quere Myotomie des Musculus gluteus medius zu erkennen vermochte und zu dem Ergebnis gelangt ist, der Kläger sei durch das roboterunterstützte Fräsverfahren nicht geschädigt worden. Hiergegen hat der Kläger mit seiner Berufung keine erheblichen Einwände erhoben. Insbesondere steht die in der gutachterlichen Stellungnahme C vom 22. August 2011 beschriebene teilweise Ablösung des mittleren Gesäßmuskels in keinem Zusammenhang mit der CASPAR-Operationsmethode.

Wie der Sachverständige Sv3 im erstinstanzlichen Verhandlungstermin vom 28. März 2012 näher erläutert hat, musste dieser Eingriff vorgenommen werden, um den auch bei herkömmlicher Operationstechnik erforderlichen Zugang zum Hüftgelenk zu schaffen. Dass hier mehr Muskelmasse abgelöst worden sei als bei Anwendung der Standardmethode notwendig gewesen wäre, sei nicht ersichtlich.

Das Landgericht hat allerdings übersehen, dass die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode zusätzliche Belastungen mit sich gebracht hat, die dem Kläger erspart geblieben wären, wenn er die Hüftgelenksoperation - was er nach eigenem Vorbringen bei ordnungsgemäßer Aufklärung getan hätte - in herkömmlicher Technik hätte durchführen lassen. In diesem Fall hätte sich der Kläger keiner Voroperation zum Einsetzen von Markierungsschrauben unterziehen müssen. Auch wäre die mit einer Computertomografie verbundene Strahlenbelastung des Klägers vermieden worden. Schließlich mag sich die Dauer der eigentlichen Hüftgelenksoperation durch den Einsatz des Fräsroboters etwas verlängert haben, wozu das Landgericht aber mangels dahingehenden Vortrags des Klägers keine näheren Feststellungen hat treffen können. Zwar waren dem Kläger diese zusätzlichen Belastungen bei Abgabe seiner Einwilligungserklärung bekannt. Wenn er gleichwohl bereit war, sie in Kauf zu nehmen, geschah dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode, wie in dem ihm übergebenen Merkblatt dargestellt, ansonsten ausschließlich Vorteile und keine besonderen Risiken mit sich brachte, was indes nicht zutraf. Die mit der Voroperation verbundenen Belastungen sind daher nach dem Schutzzweck der Aufklärungspflicht haftungsrelevant, weil die darauf bezogene Einwilligung des Klägers auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruhte, die ihm eine selbstbestimmte Entscheidung nicht ermöglichte.

Berücksichtigt man, dass den Beklagten nur die leicht fahrlässige Verletzung einer bis dahin in der Rechtsprechung noch nicht ausdrücklich postulierten Aufklärungspflicht über unbekannte Risiken einer Neulandmethode zur Last fällt, weshalb der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes im vorliegenden Fall keine erhebliche Bedeutung zukommt, ist es zum Ausgleich der immateriellen Schäden des Klägers ausreichend, aber auch erforderlich, dass ihm die Beklagten einen Betrag in Höhe von 2.000,00 EUR zahlen (§ 847 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Juli 2002 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB).

Da durch die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode keine Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Klägers verursacht worden ist, müssen die Beklagten auch nicht für die angeblichen materiellen und immateriellen Folgen der vom Kläger behaupteten körperlichen Beschwerden und Beeinträchtigungen einstehen.

Anmerkung:

Setzt der Arzt neue OP-Methoden ein, so ist dies grundsätzlich erlaubt, denn der Arzt kann die richtige Behandlungsmethode selbst auswählen. Er muss allerdings darauf hinweisen, dass er die Risiken noch nicht abschließend beurteilen kann, weil bei dem neuen Verfahren abschließende Erkenntnisse zu den Folgen etc. fehlen. Er muss dem Patienten mit anderen Worten vermitteln, dass Neuland betreten wird. Da den Ärzten hier aber nur leichte Fahrlässigkeit zur Last zu legen war, urteilte das Gericht nur ein geringes Schmerzensgeld aus. 

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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