Vor allem Berliner Haus- und Kinderärzte werden vermehrt von Flüchtlingen aufgesucht und um Behandlung gebeten. Auch wenn die Bereitschaft, die Patienten unentgeltlich zu behandeln unbestreitbar da ist, sie ist nicht unerschöpflich. Diese Ärzte fragen sich, wann und vor allem wie sie diese Patienten gegen Entgelt aus öffentlichen Kassen behandeln können.

Man muss hier danach unterscheiden, wie lange sich der Asylbewerber bzw. Flüchtling bereits hier aufhält.

Phase 1:

Der Asylbewerber ist frisch eingetroffen und vorläufig in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht.

Der niedergelassene Arzt kann diesen Patienten nur pro bono behandeln. Denn die medizinische Versorgung dieser Patienten ist staatliche Aufgabe, die durch die Gesundheitsämter erbracht werden soll. Die Behandlung dieser Patienten kann der niedergelassene Arzt also nicht vertragsärztlich behandeln und über die KV abrechnen.

Die KV Berlin rät, solche Patienten nicht zu behandeln:

"Sollte ein Patient ohne diesen Behandlungsschein bei Ihnen vorstellig werden, bittet das LAGeSo darum, sich in akuten dringenden Einzelfällen direkt an den Sozialdienst des Landesamtes für Gesundheit und Soziales zu wenden, um einen personenbezogenen Krankenschein zu erhalten. Eine ärztliche Behandlung ohne Krankenschein sollte vermieden werden.

Hinsichtlich in der Vergangenheit erbrachter ärztlicher Leistungen ohne Krankenschein sowie in Einzelfällen auch entsprechender künftiger Fälle kann die Rechnung über den einfachen GOÄ-Satz direkt beim LAGeSo – II A 3000 – eingereicht werden."

Phase 2:

Der Asylbewerber ist untergebracht (meist in einer Sammelunterkunft) und ist noch keine 15 Monate in Deutschland (ab Datum der Anmeldung in Erstaufnahmeeinrichtung).

Hier hat der Patient einen Anspruch auf Behandlung akuter Erkrankungen durch niedergelassene Ärzte gegen Entgelt aus den Sozialkassen.

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) stellt pro Quartal einen Behandlungsschein aus (sogenannter Grüner Schein) mit der Kennzeichnung "A". Dieser muss folgende Daten enthalten:

  • Name, Vorname des Patienten
  • Geburtsdatum
  • Anschrift

Der Arzt lässt sich den Schein im Original vorlegen und nimmt ihn zur Behandlungsakte (bitte keine Kopien akzeptieren).

Dann behandelt er den Patienten zur Heilung der akuten Erkrankung so, wie er es für richtig hält. D.h. der Arzt bestimmt den Leistungsumfang. Will er aber nicht nur akute Erkrankungen behandeln, so muss dies zuvor vom LAGeSo genehmigt werden.

Soweit die Erkrankungen akut sind, sind auch Arznei- und Verbandmittel verordnungsfähig.
Für Heilmittel, Brillen, orthopädische oder andere Hilfsmittel ist eine Genehmigung des LAGeSo erforderlich. Impfstoffe sind auf den Namen des Patienten auf Kassenrezept zu Lasten des Sozialhilfeträgers zu verordnen; Impfstoffe dürfen nicht dem Sprechstundenbedarf entnommen werden. Asylbewerber sind grundsätzlich von der Zuzahlung befreit.

Rechtsgrundlage ist § 4 AsylbLG.

Notfälle:
Der Arzt verwendet einen Notfall-/Vertreterschein und zeigt die Notfallbehandlung als sofortige Eilanzeige beim LAGeSo an. Dies hat spätestens binnen 14 Tagen zu erfolgen.

Abrechnung:
Der Grüne Schein verbleibt als Abrechnungsgrundlage beim erstbehandelnden Arzt für alle von diesem erbrachte Leistungen innerhalb eines Quartals. Sind weitere Untersuchungen erforderlich, muss der Patient an den anderen Arzt überwiesen werden. Wichtig ist, dass auf der Überweisung (Muster 6) alle Angaben des Grünen Scheins übernommen werden, das gilt auch für die Befristung! Folgeüberweisungen müssen nicht vom erstbehandelnden Arzt ausgestellt werden, sondern können auch von einem Arzt ausgestellt werden, zu dem selbst überwiesen wurde.

In Berlin übernimmt die AOK Nordost auftragsweise die Abrechnung der Leistungen für Asylbewerber für das LAGeSo, Kostenträger ist somit die 72802. Als Kostenträgerbereich ist für den Grünen Schein die „08“ im Praxisverwaltungssystem einzugeben und im Falle einer Überweisung unbedingt auf diese Angabe des Kostenträgerabrechnungsbereichs zu achten.

Krankenhaus:
Eine Krankenhaus-Einweisung darf nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des LaGeSo erfolgen. Liegt ein Notfall vor, der in der Praxis nicht zu behandeln ist, so kann der Patient auch sofort das Krankenhaus aufsuchen. Der niedergelassene Arzt soll dem Patienten dann eine Kopie des Behandlungsscheines mitgeben, die dieser in der Klink vorlegt, damit diese ihre Leistungen abrechnen kann.

unbegleitete Kinder:
Eine besonders schutzbedürftige Gruppe stellen die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge dar. Sie gelten nicht als Asylbewerber (s.o.). Für sie gelten besondere Regeln. Sie erhalten durch den Jugendhilfeträger einen sog. Behandlungsausweis (seltener haben sie Anspruch auf eine elektronische Gesundheitskarte), womit ihnen weitgehend die gleichen Leistungsansprüche zustehen, wie gesetzlich versicherten Patienten.

Rechtsgrundlagen sind § 40 SGB VIII (Jugendhilfe) und § 47 ff. SGB XII (Sozialhilfe).

Phase 3:

Der Asylbewerber ist bereits mehr als 15 Monate in Deutschland.

Der Patient erhält eine Krankenversicherungskarte. Rechtliche Grundlage ist § 264 II SGB V. Er hat damit dieselben Ansprüche wie ein gesetzlich versicherter Patient. Intern wird er bei dem niedergelassenen Arzt dann auch wie ein normaler GKV-Patient behandelt.

Rechtsgrundlage ist § 2 AsylbLG.

Zum Thema:

Ärzte wollen Flüchtlingen helfen - was ist rechtlich zu beachten?

Kontaktdaten der Anlaufstelle für Asylbewerber:
Zentrale Leistungsstelle für Asylbewerber (ZLA) Frau Pöggel
Turmstraße 21, 10559 Berlin

Tel.: (030) 90229-3120
Fax: (030) 90229-3099

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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