Es widerspricht dem chirurgischen Standard bei einer perforierten Appendizitis - trotz Gabe eines Bereitband-Antibiotikums - keine Abstrichentnahme durchzuführen. Fehlt die Abstrichentnahme, wird die Chance vertan, den Keim gezielt mit einem speziellen Antibiotikum zu bekämpfen. Zu einer Haftung führt ein solcher Fehler nur, wenn feststeht, dass sich die Einzelkeimbestimmung zum Nachteil des Patienten auswirkt oder wenn zugunsten des Patienten Beweiserleichterungen eingreifen (OLG Hamm, Urteil vom 07.07.2015 - 26 U 112/14).

Die Berufung des Klägers gegen das am 24. Juni 2014 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Fall:

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen Behandlung in der Zeit vom 07.10.2008 bis zum 14.10.2008 auf Schmerzensgeld, Schadensersatz, Feststellung zukünftiger Schadensersatzpflicht und Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.

Der am ... 1966 geborene Kläger wurde am 7.10.2008 wegen zunehmender und seit dem Vortag akut bestehender starker Bauchschmerzen im rechten Unterbauch in der chirurgischen Klinik der Beklagten zu 1) stationär aufgenommen, deren damaliger Chefarzt der Beklagte zu 2) war.

Die anschließenden laborchemischen Untersuchungen zeigten deutliche Symptome für eine Appendizitis, so dass der Kläger noch am selben Tag operiert wurde. Intraoperativ ergab sich der Befund einer hochakuten perforierten Appendizitis mit Unterbauchperitonitis, der operativ umfassend saniert wurde.

Postoperativ besserte sich das Beschwerdebild des Klägers. Es kann nunmehr jedoch zu einer deutlich eingeschränkten Darmtätigkeit mit rezidivierenden Subileuszuständen sowie zu deutlich fühlbaren Veränderungen im rechten Unterbauch. Es verschlimmerte sich zudem eine bestehende Passagestörung, so dass die Beklagten zu 2) und 3) unter antibiotischer Abschirmung eine konservative Therapie zur Entlastung des Magen-Darm-Traktes einleiteten.

Der Kläger setzte anschließend vom 9.10. bis zum 12.10.2008 mehrfach Stuhlgang ab. Am 13.10.2008 hatte er erneut zweimal Stuhlgang. Die Situation war aber gleichwohl unter anderem deshalb auffällig, weil der Kläger nunmehr einen Flankenschmerz angab. Eine daraufhin am 14.10.2008 durchgeführte Kontrastdarstellung der einliegenden Drainage zeigte (wiederum) keinen Darmverschluss. Eine ergänzend dazu vorgenommene CT-Untersuchung beschrieb allerdings eine Erweiterung des rechten Nierenbeckens einschließlich des Ureters. Die Beklagten zu 2) und 3) führten die kolikartig auftretenden Beschwerden letztlich auf einen Harnleiterkonkrement zurück und verlegten den Kläger noch am selben Tag zur weiteren neurologischen Abklärung in die urologische Klinik des Klinikums I.

Dort konnte eine Harnstauungsniere rechts ausgeschlossen werden. Es zeigte sich dabei allerdings ein Dünndarmileus, worauf der Kläger am 15.10.2008 in die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Klinikums I verlegt wurde. Hier konnten die Schmerzen des Klägers zunächst durch abführende diätetische Maßnahmen gelindert werden. Am Abend traten dann jedoch wiederum heftige Schmerzen auf. Eine durchgeführte CT-Untersuchung erbrachte den Nachweis einer Stenose. Eine daraufhin am Folgetag, dem 16.10.2008, vorgenommene komplette Koloskopie zeigte einen stark abgeknickten eingeengten Dickdarm in ca. 40 cm Höhe. Aufgrund der persistierenden Schmerzen des Klägers erfolgte am selben Tag eine diagnostische Laparoskopie mit Wechsel zur Laparotomie, eine Adhäsiolyse mit Ileocoecalpolresektion, eine Lavage sowie eine Drainage. Der Kläger wurde im Anschluss auf die Intensivstation verlegt, wo zusätzlich noch eine Hypokaliämie und eine Exsikose diagnostiziert wurden. Postoperativ kam es darüber hinaus zu einem Plexusschaden Links.

Am 27.10.2008 konnte der Kläger schließlich aus der stationären Krankenhausbehandlung entlassen werden. Er war anschließend noch bis zum 27.2.2009 arbeitsunfähig. Im Rahmen einer weiteren stationären Behandlung vom 7.9. bis zum 9.9.2010 in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie I wurde der bestehende Subileus konservativ mit abführenden Maßnahmen therapiert, so dass ein Darmverschluss abgewendet werden konnte. Es fanden sich dabei jedoch Ansammlungen genau in dem Bereich, wo aufgrund der vorangegangenen Ileocoecalpolresektion Verwachsungen zu verzeichnen waren.

Der Kläger hat den Beklagten Behandlungsfehler vorgeworfen. Die postoperativ aufgetretenen Komplikationen hätten die Beklagten verschuldet und nicht erkannt. In der Klinik seien daneben auch die gebotenen Kontrolluntersuchungen nicht sachgemäß durchgeführt worden, wobei auch die postoperative Diagnostik unzulänglich gewesen sei. Er sei deshalb verspätet in das Klinikum I verlegt worden. Unter den Folgen der fehlerhaften Behandlung leide er noch heute, es bestehe die erhöhte Gefahr des erneuten Auftretens von Darmverschlüssen. Insgesamt seien die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 20.000 € sowie zum Ersatz des materiellen Schadens i. H. v. 3.554,09 € verpflichtet, der sich neben Zuzahlungskosten im Krankenhaus (130 €) aus den Kosten von Heilmittelbehandlungen (52,68 €), Kosten für Akupunktur (460 €) sowie Verdienstausfall (3.041,41 €) zusammensetze.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines fachchirurgischen Sachverständigengutachtens abgewiesen. Der Kläger sei in der Klinik der Beklagten zu 1) insgesamt fachgerecht behandelt worden. Die Operation vom 7.10.2008 sei als lebensrettender Notfalleingriff indiziert gewesen. Der Eingriff selbst habe laparoskopisch vorgenommen werden dürfen und sei fachgerecht durchgeführt worden. Es begründe insbesondere keinen Behandlungsfehler, dass intraoperativ auf eine Abstrichentnahme verzichtet worden sei, zumal eine antibiotische Therapie eingeleitet worden sei und postoperativ kein Anhalt für das Vorliegen einer infektiologischen Problematik bestanden habe. Auch die dokumentierte peritoneale Lavage sei nach Art und Umfang nicht fehlerhaft. Die postoperativ aufgetretene Magen-Darm-Atonie sei ebenfalls regelgerecht und konsequent behandelt worden. Der Kläger sei dabei korrekterweise zur weiteren urologischen Diagnostik und Behandlung der Harnabflussstörung im Bereich der rechten Niere und des rechten Harnleiters in die urologische Klinik überwiesen worden. Dass zuvor schließlich keine weitere Untersuchung des Abdomens durchgeführt worden sei, habe sich jedenfalls auf den folgenden Verlauf deshalb nicht ausgewirkt, weil die Bauchdecke im Klinikum I untersucht und als weich befundet worden sei. Auch insoweit liege daher insgesamt keine unzureichende Diagnostik vor. Gleiches gelte für die zum Teil nicht dokumentierte Beschreibung des Drainagesekrets. Dass bei dem Kläger noch in der Klinik der Beklagten zu 1) eine Revisionsoperation indiziert gewesen sei, sei nach den übrigen Untersuchungsbefunden und dem Krankheitsverlauf ausgeschlossen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiterverfolgt. Der Sachverständige habe mehrfach eine unzureichende Dokumentation des operativen Vorgehens im Rahmen der laparoskopischen Verfahrensweise bemängelt. Hierzu widersprüchlich habe er jedoch die Schlussfolgerung getroffen, dass dennoch von der Einhaltung des fachärztlichen Standards auszugehen sei. Insbesondere sei die bei perforierter Appendizitis stets erforderliche Abstrichentnahme durch die Beklagten sorgfaltswidrig nicht veranlasst worden. Ein derartiges Unterlassen sei als schuldhaftes Fehlverhalten einzustufen, weil durch die Untersuchung des Abstriches andere Erkenntnisse hätten gewonnen werden können, die letztlich auf die Einleitung früherer therapeutischer Maßnahmen abgezielt und auf die dringende zeitnahe Revisionsoperation hingedeutet hätten. Die Schlussfolgerung des Sachverständigen, dass die nach der Patientendokumentation unterlassene Lavage des Abdomens nicht als primär fehlerhaft beurteilt werde, sei inkonsequent und nicht tragbar, da aus retrospektiver Sicht das Risiko der Ausbildung eines Abszesses am Zökalpol durch eine ausreichende Lavage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit hätte minimiert werden können. Schlich falsch sei angesichts ansteigender CRP-Werte weiter die Schlussfolgerung des Sachverständigen, soweit lediglich von moderat erhöhten Entzündungsparametern ausgegangen worden sei. Angesichts der nicht dokumentierten ärztlichen Untersuchung des Abdomens sei auch keinesfalls mehr von einer regelgerecht verlaufenden und engmaschigen Behandlung des Klägers auszugehen. Die vom Sachverständigen insgesamt getroffene Bewertung, wonach im Ergebnis kein Behandlungsfehler ersichtlich sei, stehe in Widerspruch zu dessen im schriftlichen Gutachten erfolgten inhaltlichen Ausführungen.

Ungeachtet des bereits am ersten postoperativen Tag geäußerten Verdachts auf einen Dünndarmileus sei der Kläger erst am 14.10.2008 zur Durchführung einer konsiliarischen Untersuchung in der Urologischen Klinik des Klinikums I vorgestellt worden, wo dieser Verdacht selbstredend erneut bestätigt worden sei. Das Landgericht habe zudem nicht bewertet, mit welcher Risikoträchtigkeit bei den einzelnen Vergleichsverfahren zur gewählten laparoskopischen Appendektomie im Vergleich zur offenen Appendektomie mit einer besseren und erweiterten Möglichkeit der OP-Vornahme sich ein Unterschied der Risiken zur Entstehung intraabdomineller Abszesse darstelle. Angesichts des in der Dokumentation nicht beschriebenen Divertikels sei auch als ausgeschlossen zu betrachten, dass eine divertikle Perforation quasi als Zweiterkrankung ursächlich für den weiteren negativen Gesundheitsverlauf des Klägers verantwortlich sei. Das Landgericht habe angesichts der massiven antibiotischen Therapie die CRP-Werte fehlerhaft als fehlende Symptome eines septischen Krankheitsbildes gewertet. Bezogen auf die postoperativen Beschwerden habe sich die postoperative Behandlung des Klägers tatsächlich als nicht fachgerecht dargestellt. Angesichts der nach dem ersten postoperativen Tag unterbliebenen Einträge in der Patientendokumentation und des im Pflegebericht am zweiten postoperativen Tag als „blutig-serös“ beschriebenen Drainagesekrets sei die Schlussfolgerung, dass sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen lasse, dass das Sekret trübe gewesen sei, nicht nachvollziehbar. Aus dem Vorliegen trüben Sekrets hätte sich aber eine Notwendigkeit zur Erhebung weiterer Befunde ergeben, die zu einer frühzeitigen Intervention hätten führen können. Überdies habe bereits die Fehllage der Drainage die Möglichkeit der Bewertung des Drainagesekrets ausgeschlossen. Es sei für die behandelnden Ärzte weitaus frühzeitiger erkennbar gewesen, dass der Kläger die später bei der Revisionsoperation festgestellte entzündliche Problematik in sich getragen habe. Die abwartende Haltung sei angesichts der dringlichen Notwendigkeit für einen zeitnahen Revisionseingriff nicht mehr als medizinisch vertretbar zu bewerten. Bei frühzeitiger Durchführung dieses Eingriffs vor dem 16.10.2008 hätte er unter weitaus geringeren Verletzungsfolgen gelitten und von einem schnelleren Heilungsverlauf profitiert.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 24.06.2014 verkündeten Urteil des Landgerichts Bielefeld - LGBIELEFELD Aktenzeichen 4 O 372/09 -

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.04.2009;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 3.554,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.04.2009 zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner vorbehaltlich des Anspruchsübergangs auf den Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte verpflichtet sind, ihm allen künftigen materiellen Schaden und den weiteren unvorhersehbaren immateriellen Schaden aus der ärztlichen Fehlbehandlung ab dem 07.10.2008 zu ersetzen.

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, weitere Anwaltskosten in Höhe von 1.411,28 € zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Das umsichtige Handeln der Beklagten habe das Leben des Klägers gerettet. Es sei lege artis, im konkreten Fall durch die laparoskopische Operation den Gesamtüberblick über die abdominellen Verhältnisse zu gewinnen und eine Spülbehandlung intraoperativ sorgsam und zielführend durchzuführen. Dies müsse als selbstverständlicher Operationsschritt nicht dokumentiert werden. Der Zielbefund habe sich sofort im rechten Unterbauch gezeigt, in dem sich putride Flüssigkeit bzw. eine lokale Peritonitis dargestellt habe. Die zielgerichtete Dokumentation sei insbesondere gerechtfertigt, wenn wie vorliegend der Stumpfverschluss des Appendix sicher gelänge. Es sei sodann standardgerecht eine antibiotische Therapie durchgeführt worden. Man habe bei der Revisionsoperation auch keine Stumpfinsuffizienz nach laparoskopischer Appendektomie gefunden, sondern eine Perforation eines Pseudodivertikels des Sykalpols mit interenterischen Abszessen. Diese eindeutige Zweiterkrankung habe die entzündlichen Befunde und Prozesse hervorgerufen und sei im histologischen Befund klar beschrieben worden. Die auf den 12.10.2008 rückläufigen Entzündungsparameter und auch die CT-Untersuchung hätten die Zweiterkrankung nicht eindeutig angezeigt. Trotz korrekt durchgeführter Operation mit ausgiebiger Spülung könne es zu postoperativ entzündlichen Problemen mit Darmpassagen-Behinderung oder entzündlichem Verhalten kommen.

Der Senat hat den Kläger und die Beklagten und 2) und 3) persönlich angehört. Ferner hat der Sachverständige Dr. S sein Gutachten mündlich erläutert und ergänzt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 07.07.2015 nebst Berichterstattervermerk verwiesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere des genauen Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Entscheidung:

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Schmerzensgeldzahlung, Schadensersatz und Feststellung zukünftiger Ersatzpflicht stehen ihm nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Es kommen weder vertragliche Ansprüche aus dem Behandlungsvertrag gemäß §§ BGB § 611, BGB § 278, BGB § 280 Abs. BGB § 280 Absatz 1, BGB § 280 Absatz 249, BGB § 280 Absatz 253 Abs. BGB § 280 Absatz 2 BGB gegenüber der Beklagten zu 1) noch deliktische Ansprüche gemäß §§ BGB § 823 Abs. BGB § 823 Absatz 1, BGB § 831, BGB § 249, BGB § 253 Abs. BGB § 253 Absatz 2 BGB gegenüber den Beklagten zu 1) bis 3) in Betracht.

Der Senat stützt sich dabei aus den nachfolgenden Gründen auf die erstinstanzliche Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. L2 sowie die umfassenden und überzeugenden Ausführungen des Mitverfassers Priv. Doz. Dr. S bei seiner Anhörung vor dem Senat. An der hohen Qualifikation und Sachkunde der Sachverständigen im Bereich der Chirurgie und Viszeralchirurgie bestehen keine Zweifel. Der Sachverständige Dr. S hat sich bereits erstinstanzlich dezidiert mit den vorhandenen Krankenunterlagen und dem zu begutachtenden Sachverhalt auseinandergesetzt. Er hat auch im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat seine Feststellungen und fachlichen Beurteilungen unter Berücksichtigung sämtlicher Befunde und der einschlägigen Literatur überzeugend vertreten.

Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht, dass es in Zusammenhang mit seiner stationären Behandlung in der Zeit vom 07.10.2008 bis 14.10.2008 im Krankenhaus der Beklagten zu einem vorwerfbaren Behandlungsfehler gekommen ist, der eine Haftung der Beklagten begründen würde.

1. Ohne Erfolg legt der Kläger den Beklagten im Berufungsverfahren weiterhin Behandlungsfehler in Zusammenhang mit der am 07.10.2008 bei der Beklagten zu 1) erfolgten laparoskopischen Appendizitis zur Last.

Das Landgericht ist gestützt auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L2 und die mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen Priv. Doz. Dr. S zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger in der Klinik insgesamt fachgerecht behandelt worden ist.

a) Die Operation vom 07.10.2008 war angesichts des Vorliegens einer akuten, perforierten Appendizitis mit beginnender Unterbauchperitonitis als lebensrettender Notfalleingriff indiziert.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass als Operationsverfahren die laparoskopische Appendektomie gewählt worden ist. Auch wenn das laparoskopische Verfahren nach Angabe des Sachverständigen bei perforierter Appendizitis „mit einer erhöhten Inzidenz intraabdomineller Abszesse assoziiert zu sein scheint“, weil man nicht so gut spülen kann und Fibrinrückstände nicht so gut abgetragen werden können, bietet es andererseits gegenüber dem offenen Verfahren mehrere Vorteile. Die Laparoskopie bietet den Vorteil, dass man trotz kleinerer Schnittführung eine bessere Rundumsicht hat, da die Kamera im gesamten Bauchraum des Patienten bewegt werden kann. Insbesondere treten im Vergleich zum offenen Verfahren weniger Wundinfektionen auf. Nachdem auch bei primär offener Operation die Entstehung intraabdomineller Abszesse möglich gewesen wäre, stellt die Durchführung einer laparoskopischen Appendektomie danach im Ergebnis auch bei perforierter Appendizitis keinen Behandlungsfehler dar.

Der Sachverständige hat im Rahmen der von ihm vorgenommenen Bewertung der Risikoträchtigkeit der gewählten laparoskopischen Appendektomie im Vergleich zur offenen Appendektomie ausgeführt, dass es nur bei Vorliegen einer schweren 4-Quadranten-Peritonitis mit perforiertem Appendix gegebenenfalls besser gewesen wäre, offen zu operieren mit einem großen Schnitt. Nachdem von einer solchen aber aus ex ante Sicht nicht auszugehen war und sie auch tatsächlich beim Kläger nicht vorgelegen hat, ist die Entscheidung für die Laparoskopie aber in jedem Fall nicht zu beanstanden. Die Laparoskopie wird mittlerweile in der Literatur bevorzugt und stellt das Mittel der Wahl dar, welches seinen Angaben nach auch der Sachverständige selbst in einem derartigen Fall angewendet hätte.

b) Die Operation vom 07.10.2008 ist aus gutachterlicher Sicht fachgerecht durchgeführt worden, ohne dass es hierbei zu einer vermeidbar fehlerhaften Beeinträchtigung und/oder Erkrankung des Darms gekommen ist. Es wurde eine laparoskopische Appendektomie regelrecht durchgeführt, wobei ein Eingriff mit einem kleinen Schnitt von 2-3 cm gewählt wurde.

aa) Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist im Operationsbericht ausdrücklich dokumentiert, dass eine intraoperative Lavage stattgefunden hat. Der Sachverständige hat insoweit lediglich angeführt, dass bei fehlenden detaillierten Angaben im Operationsbericht unklar bleibt, wie ausgedehnt diese Lavage durchgeführt worden ist.

Die peritoneale Lavage wird im Rahmen einer laparoskopischen Appendektomie nach Angabe des Sachverständigen kontrovers diskutiert. Der Schweregrad der Peritonitis ist maßgeblich für den Umfang der Spülung. Bei der beim Kläger vorliegenden frisch perforierten Appendizitis ist nach einer Studie, die eine ausgiebige Lavage der gesamten Abdominalhöhle favorisiert, eine Spülung in geringerem Umfang erforderlich, während nach einer anderen Studie nur sehr geringfügig bis gar nicht gespült werden soll. Der Sachverständige vermochte den genauen Schweregrad der klägerischen Peritonitis nicht anzugeben, sieht die Bedeutung der Lavage aber besonders bei einer frisch perforierten Appendizitis mit lokal perforierter Peritonitis als hoch an. Retrospektiv hätte seinen Angaben nach das Risiko einer Abszessbildung am Zökalpol durch eine Lavage möglicherweise minimiert werden können. Aufgrund der widersprüchlichen Literatur vermochte der Sachverständige aber selbst eine unterlassene Lavage nicht als primär fehlerhaft anzusehen.

Eine Lavage hat ausweislich der Angaben des Beklagten zu 3) im Streitfall stattgefunden und ist im OP-Bericht entsprechend dokumentiert worden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Ursache für die spätere Entzündung in einer nicht ausreichenden Spülung liegen könnte, sind nicht ersichtlich.

bb) Den Beklagten ist weiter nicht vorzuwerfen, die Drainage an der falschen Stelle eingebracht zu haben. Im Rahmen seiner erstinstanzlichen mündlichen Erläuterungen hat der Sachverständige die Lage der intraoperativ eingebrachten Drainage als „suboptimal“ bezeichnet. Er hat kritisiert, dass diese am Oberbauch lag, während sie seiner Auffassung nach näher am Zökalpol, d. h. im Unterbauch, eingebracht werden müsste, weil eine Lage der Drainage im Oberbauch deutlich die Beurteilbarkeit des Drainagesekrets im Hinblick darauf reduziert, dass dieses später als Indikator für eventuell postoperativ zu treffende Maßnahmen herangezogen wird.

Nach Inaugenscheinnahme der Abdomenübersicht vom 08.10.2008 im Bericht der Radiologie vom 09.10.2008 hat der Sachverständige jedoch die Angabe des Beklagten zu 2) bestätigt, dass die Drainage zunächst ordnungsgemäß gelegt worden und erst später - etwa durch Patientenbewegung - gewandert ist.

c) Soweit die intraoperativ unterbliebene Abstrichentnahme zur Überzeugung des Senats als Befunderhebungsfehler einzustufen ist, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass sich dieser im Streitfall auch zum Nachteil des Klägers ausgewirkt hat.

aa) Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten den Verzicht auf eine intraoperative Abstrichentnahme als „suboptimal“ bewertet, da die Abstrichentnahme zur mikrobiologischen Untersuchung durchgeführt wird, um eine resistogrammgerechte antibiotische Therapie durchführen zu können. Gemäß aktueller Lehrmeinung sollte daher im Rahmen einer laparoskopischen Appendektomie bei perforierter Appendizitis mit begleitender Peritonitis „stets“ eine Abstrichentnahme zur mikrobiologischen Untersuchung durchgeführt werden.

Im Rahmen seiner erstinstanzlichen mündlichen Anhörung hat der Sacherständige angesichts der beim Kläger vorliegenden frischen Perforation eine Abstrichentnahme zwar für „sicher besser“, nach damaligem medizinischem Stand aber nicht für zwingend erforderlich gehalten. Aus einem Abstrich hätten sich möglicherweise andere Erkenntnisse zur Erreichung des Keimspektrums gewinnen lassen können.

Nach erneuter Anhörung des Sachverständigen sieht der Senat im Falle einer perforierten Appendizitis mit begleitender Peritonitis eine Abstrichentnahme trotz intra- und postoperativer Gabe eines Breitband-Antibiotikums gleichwohl als aus medizinischer Sicht erforderlich an und stuft ein derartiges Unterlassen als schuldhaftes Fehlverhalten ein.

Der Sachverständige hat klargestellt, dass die Abstrichentnahme in seiner Klinik absoluter medizinischer Standard ist, da es Keime gibt, die auf Breitband-Antibiotika resistent sind. Es ist nach seinen überzeugenden Ausführungen immer besser, dass genaue Keimspektrum zu kennen. Gehen die Entzündungswerte eines Patienten nicht herunter, kann man so viel genauer reagieren. Man reagiert intra- und unmittelbar postoperativ - wie dies auch im Streitfall erfolgt ist - immer zunächst mit einem Breitbandantibiotikum auf das zu erwartende Keimspektrum. Liegt der genaue Befund dann aber 3 bis spätestens 5 Tage nach einem Abstrich vor, versetzt dieser den behandelnden Arzt erst in die Lage, genau auf eine bestehende Infektion zu reagieren. Geht es dem Patienten nicht besser, kann man vom Zeitpunkt des Vorliegens des Befundes aus gezielt auf ein anderes Antibiotikum umsteigen.

Soweit man dem Patienten aber entsprechend den Angaben des Sachverständigen ohne Abstrich die Chance nimmt, gezielt mit einem Antibiotikum den Keim zu bekämpfen, liegt eine Abweichung vom medizinischen Standard in Form eines Befunderhebungsfehlers vor. Da die entsprechenden Erkenntnisse sämtlich bereits im Jahr 2008 vorgelegen haben, ist auch im Streitfall die unterlassene Abstrichentnahme als vorwerfbar anzusehen. Die demgegenüber vom Beklagten zu 2) angeführten Kosten/Nutzen Gesichtspunkte vermögen nicht zu verfangen. Ohne Abstrichentnahme wird dem Patienten die Chance genommen, durch Einzelbestimmung des Keimes nach 3 bis maximal 5 Tagen ein effizientes neues Medikament einzusetzen. Hierdurch lässt man die Möglichkeit auf eine rechtzeitige Risikoeindämmung trotz Vorliegens eines in Form des Abstrichs jederzeit verfügbaren einfachen Mittels verstreichen. Schlägt das zunächst verabreichte Breitband-Antibiotikum nicht an, verbleibt selbst nach Angabe der Beklagten allein die Möglichkeit, den Abstrich nachzuholen und damit zwingend eine weitere Zeitverzögerung um mehrere Tage in Kauf zu nehmen oder „blind“ ein anderes Antibiotikum zu versuchen und auf dessen Wirksamkeit zu hoffen. Die einfache Erkenntnisquelle, die man mit einem Abstrich gewinnt, muss man nach Auffassung des Senats bei einer derartigen perforierten Appendizitis mit begleitender Peritonitis nutzen. Anderenfalls hat man insbesondere für den Fall des worst case nicht das aus medizinischer Sicht Erforderliche getan.

bb) Der in der fehlenden Abstrichentnahme liegende Befunderhebungsfehler hat sich jedoch im Streitfall nicht ausgewirkt. Der Kläger hat insoweit den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht, dass der hierdurch zu bestimmende Einzelkeim eine Änderung des Antibiotikums erfordert hätte. Nach Angabe des Sachverständigen ist es rein spekulativ, welches Ergebnis ein Abstrich im Streitfall erbracht hätte. Es ist dagegen aufgrund der dokumentierten Entzündungswerte als überwiegend wahrscheinlich anzusehen, dass seitens der Beklagten, die eine vergleichsweise breite antibiotische Therapie mit Metronidazol und Mezlocillin durchgeführt haben, intra- und postoperativ die richtige Antibiose ausgewählt worden ist. Damit kann auch nicht festgestellt werden, dass die durch Untersuchung des Abstriches gewonnenen Erkenntnisse zum Vorliegen eines konkreten Keims auf eine dringliche zeitnahe Revisionsoperation hingedeutet hätten.

Dem Kläger kommt vorliegend keine Beweislastumkehr zugute. Der Senat vermochte die unterlassene Abstrichentnahme noch nicht als groben Befunderhebungsfehler einzustufen. Ein grober Behandlungsfehler liegt nur dann vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (st. Rspr. vgl. BGH Urt. v. 04.10.1994 - BGH Aktenzeichen VIZR20593 VI ZR 205/93, VersR 1995, VERSR Jahr 1995 Seite 46; BGH Urt. v. 03.07.2001 - BGH Aktenzeichen VIZR41899 VI ZR 418/99, VersR 2001, VERSR Jahr 2001 Seite 1116). Gestützt auf die ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen ist die unterlassene Abstrichentnahme vom 07.10.2008 noch nicht als ein solcher grober Befunderhebungsfehler anzusehen. Die wertende Entscheidung, ob die Voraussetzungen eines groben Behandlungsfehlers erfüllt sind, muss auf ausreichenden tatsächlichen Feststellungen beruhen, die sich auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen stützen und auf dieser Grundlage die juristische Gewichtung des ärztlichen Vorgehens als grob fehlerhaft zu tragen vermögen. Es ist dem Tatrichter nicht gestattet, ohne entsprechende medizinische Darlegung des Sachverständigen einen groben Behandlungsfehler aus eigener Wertung zu bejahen (BGH Urt. v. 03.07.2001 - BGH Aktenzeichen VIZR41899 VI ZR 418/99, VersR 2001, VERSR Jahr 2001 Seite 1116). Der Sachverständige hat es angesichts der auf das zu erwartende Keimspektrum abgestimmten Antibiose mit einem Breitband-Antibiotikum auch nach mehrfacher Nachfrage des Senats nicht als Verstoß gegen das „Dickgedruckte“ angesehen, hier einen Abstrich zu unterlassen.

Soweit bereits unterhalb der Schwelle zum groben Behandlungsfehler eine Beweislastumkehr bezüglich des Primärschadens in Betracht kommen kann, liegen deren Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Eine Beweislastumkehr ist auch bei einem einfachen Befunderhebungsfehler gerechtfertigt, wenn die unterlassene Befunderhebung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätte und sich die Verkennung des Befundes als fundamental oder das Verhalten des Arztes auf der Basis dieses Ergebnisses als grob fehlerhaft darstellen würde (vgl. BGH Urt. v. 13.02.1996 - BGH Aktenzeichen VIZR40294 VI ZR 402/94, NJW 1996, NJW Jahr 1996 Seite 1589). Eine Abstrichentnahme bei dem Kläger hätte voraussichtlich zur Bestimmung des konkret vorhandenen Keims geführt. Man hätte dann das Antibiotikum entweder beibehalten oder hätte auf ein anderes Antibiotikum umgeschwenkt. Es bleibt nach Angabe des Sachverständigen jedoch spekulativ, ob die Keimbestimmung überhaupt konkreten Anlass gegeben hätte, das Antibiotikum zu wechseln. Damit kann aber nicht festgestellt werden, ob der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein positives und deshalb aus medizinischer Sicht reaktionspflichtiges Ergebnis gehabt hätte

2. Ohne Erfolg rügt der Kläger mit der Berufung weiter das postoperative Behandlungsregime der Beklagten.

Im postoperativen Verlauf ist es bei dem Kläger zu einer intraabdominellen postoperativen Abszessbildung gekommen, welche schließlich die Revisionsoperation vom 16.10.2008 erforderlich gemacht hat.

a) Die bei dem Kläger unmittelbar postoperativ aufgetretene Passagestörung ist seitens der Beklagten nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts fachgerecht mit konservativen Maßnahmen behandelt worden. Überdies sind die zur möglichst frühzeitigen Erkennung postoperativer Komplikationen erforderlichen klinischen, laborchemischen und radiologischen Untersuchungen durchgeführt worden. Die Beklagten durften nach Angabe des Sachverständigen bei rückläufigen Infektionsparametern, serösem Sekret in der Wunddrainage und Fehlen von Symptomen eines septischen Krankheitsbildes wie Fieber, Tachykardie oder Hypotonie von einem primären postoperativen (paralytischen) Ileus ausgehen. Auch die postoperativ durchgeführte radiologische Bildgebung ergab keine eindeutigen Hinweise auf das Vorliegen eines infektiösen intraabdominellen Fokus. Insofern hat der Sachverständige es als nachvollziehbar und vertretbar bezeichnet, dass von einem primären postoperativen Ileus ausgegangen wurde und ein konservativer Therapieansatz ohne erneuten operativen Eingriff verfolgt wurde.

Das Auftreten der später festgestellten Abszesse stellt eine häufige Komplikation nach perforierter Appendizitis dar. Für die behandelnden Ärzte war aber entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen angesichts der postoperativen Befunde gerade nicht erkennbar, dass der Kläger diese entzündliche Problematik bei sich trug. Der Grund liegt darin, dass die Entzündungswerte nach einem als normal anzusehenden Anstieg dann kontinuierlich abgefallen sind, der Kläger mobilisiert werden konnte und die Schmerzsymptomatik jedenfalls nicht derartig ausgeprägt war, dass daraus andere Erkenntnisse im Hinblick auf eine sofortige Operation zu ziehen gewesen wären.

b) Entgegen der Auffassung des Klägers war es für die behandelnden Ärzte gerade nicht weitaus frühzeitiger erkennbar, dass er die später bei der Revisionsoperation festgestellte entzündliche Problematik in sich getragen hat.

aa) Der Sachverständige hat nochmals bestätigt, dass die dokumentierten CRP-Werte nicht als Symptome eines septischen Krankheitsbildes zu werten sind. Der zunächst unmittelbar postoperativ dokumentierte Anstieg der Entzündungswerte ist nach einem derartigen schwerwiegenden Eingriff als normal anzusehen. Die Werte geben nur wieder, dass der Kläger eine schwere Appendizitis hatte. Am 2. oder 3. postoperativen Tag steigen die Entzündungswerte häufig an. Maßgeblich für die Beurteilung ist, dass die Entzündungswerte danach kontinuierlich abgefallen sind.

bb) Soweit der Sachverständige bemängelt hat, dass sich mit Ausnahme des klinischen Befundes bei der Aufnahme des Klägers in der gesamten Krankenakte keine weitere dokumentierte ärztliche Untersuchung des Abdomens befindet, hat der Senat bereits erhebliche Zweifel, ob eine derart selbstverständliche klinische Untersuchung angesichts der umfassend durchgeführten täglichen Untersuchungen überhaupt zwingend zu dokumentieren ist, wenn sich hierbei keine Auffälligkeiten zeigen. Zudem hat der Beklagte zu 2) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch den Senat angegeben, dass er postoperativ den Bauchraum des Klägers abgetastet hat. Schließlich hätte sich - eine Unterlassung der medizinisch gebotenen Untersuchung unterstellt - dieser Mangel nicht nachteilig ausgewirkt. In den Unterlagen des Klinikums I befindet sich ein Untersuchungsbefund des Abdomens, in dem die Bauchdecke des Klägers als weich beschrieben wird, so dass nach Angabe des Sachverständigen anhand des klinischen Zustands des Klägers auch dort zunächst keine Indikation zur sofortigen Operation gestellt worden ist. Nur das Vorliegen eines akuten Abdomens mit generalisierter Abwehrspannung hätte nach Angabe des Sachverständigen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer frühzeitigeren Revision geführt. Nachdem ein solcher Untersuchungsbefund aber nicht einmal nach der Verlegung des Klägers in das Klinikum I vorgelegen hat, hätte eine ordnungsgemäße Untersuchung des Abdomens im Haus der Beklagten zu 1) nicht zu einem handlungspflichtigen Befund geführt.

cc) Der Senat vermag auch keinen Dokumentationsmangel darin zu sehen, dass nach dem ersten postoperativen Tag das Drainagesekret nicht mehr beschrieben worden ist. Die Kontrolle des Drainagesekrets ist nach Angabe des Sachverständigen erforderlich, weil sich daraus eventuell Rückschlüsse für die Behandlung ergeben, vor dem Hintergrund, dass man in den Bauchraum nicht mehr hineinsehen kann. Der Austritt von trübem Sekret über die einliegende Drainage hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer frühzeitigeren Intervention geführt. In der Dokumentation der Beklagten findet sich am ersten postoperativen Tag (08.10.2008) der Eintrag „Sekret wenig und klar“. Im Anschluss daran hätte nur eine Änderung des Befundes zwingend einer Dokumentation seitens der Ärzte der Beklagten bedurft. Entsprechend hat auch der Sachverständige angegeben, dass die Dokumentation regelgerechter Befunde in seiner Klinik nur aus dem Grund erfolgt, um sich abzusichern. Wenn keine Auffälligkeiten dokumentiert sind, kann dies danach ohne weiteres bedeuten, dass auch keine vorhanden gewesen sind. Zudem vermochte der Sachverständige nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass das Sekret ab dem zweiten postoperativen Tag oder im späteren Behandlungsverlauf im Krankenhaus der Beklagten zu 1) trübe gewesen wäre. Für diese Annahme fanden sich vielmehr keinerlei Anhaltspunkte.

c) Auf die am siebten postoperativen Tag (14.10.2008) auftretenden plötzlichen krampfartigen Schmerzen in der rechten Flanke ist durch Vornahme einer Sonographie des Abdomens und anschließender urologischer Abklärung der festgestellten Harnabflussstörung rechts mit deutlich dilatiertem Nierenbecken seitens der Beklagten zum Ausschluss des Verdachts eines Harnleiterkonkrements regel- und zeitgerecht reagiert worden. Der Sachverständige hat im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat insoweit bestätigt, dass die Konsilüberweisung in die Urologische Klinik in jedem Falle richtig gewesen ist.

d) Im Anschluss wurde der Kläger in I auf der chirurgischen Station, auf die er auf eigenen Wunsch hin verlegt worden ist, zunächst weiter konservativ behandelt, bis nach einer ohne wegweisenden Befund bleibenden Koloskopie eine explorative Laparoskopie durchgeführt wurde, die multiple intraabdominelle Abszesse zeigte, welche im offenen Verfahren behandelt wurden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist insoweit nach Angabe des Sachverständigen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch nicht von einer Zweiterkrankung auszugehen, wenn eine solche auch grundsätzlich möglich gewesen ist.

Der Sachverständige hat allerdings ausgeführt, dass der Befund des Vorliegens multipler intraabdomineller Abszesse bei undulierenden, lediglich moderat erhöhten Entzündungsparametern und insoweit unauffälliger radiologischer Diagnostik nicht zu erwarten war. Vielmehr durften die Beklagten - wie oben bereits ausgeführt - zunächst vom Vorliegen eines paralytischen Ileus ausgehen, der ohne weiteres als unmittelbare Folge der Operation eintreten kann und ebenfalls eine typische Komplikation des Eingriffs darstellt. Über einen Zeitraum von 7 Tagen postoperativ ist so etwas nach Angabe des Sachverständigen nicht ungewöhnlich, zumal die Befunde für einen paralytischen Ileus gesprochen haben. Die CT-Befunde haben demgegenüber die intraabdominellen Abszesse gerade nicht eindeutig gezeigt. Erst in Klinikum I bestanden hierfür überhaupt erste Anzeichen. Der Sachverständige hat nochmals klargestellt, dass die Radiologie bei dem Kläger gerade keinen mechanischen Ileus beschrieben hat. Nur dann hätte man eine Operation in Betracht ziehen müssen. Alles sprach im Streitfall zunächst für einen paralytischen Ileus. Dieser passte zu dem vorliegenden schweren Krankheitsbefund und einem normalen postoperativen Heilungsverlauf.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § ZPO § 97 Abs. ZPO § 97 Absatz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ ZPO § 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.

Anmerkung:

Auch wenn die Entscheidung hinsichtlich der Antibiotika-Behandlung in Anbetracht der Äußerungen des Sachverständigen nachvollziehbar ist, muss hier folgendes kritisch angemerkt werden: Die Behandlung mit Breitbandantibiotika ist eine der Ursachen für die immer häufiger anzutreffende Multiresistenz vom Keimen, die für manchen Patienten tödlich endet. In einigen Fällen ist die Breitbandbehandlung unumgänglich, nämlich immer dann, wenn der Arzt bei einer lokal umgrenzten Entzündung (Appendizitis) zu Beginn der Behandlung nicht weiss, was für ein Keim sich dort verbirgt, er aber trotzdem schon zur Sicherheit den Keim sogleich antibiotisch bekämpfen muss. Sobald der Arzt aber in das umgrenzte Gebiet vorgestoßen ist, ist ein Abstrich - wie es auch der Sachverständige herausgearbeitet hat - unumgänglich. Dann wäre es zum Schutz des betreffenden Patienten und auch anderer Personen (Stichwort: multiresistente Keime) aber nur folgerichtig, das Unterlassen des Abstriches grundsätzlich als groben Fehler anzusehen.   

Zum Thema:

 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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