Kliniken und niedergelassenen Ärzten/Honorarärzten droht Ungemach durch ein Urteil des LG Stuttgart, das eine verbreitete Formulierung in Wahlleistungsvereinbarungen für unwirksam erklärt (LG Stuttgart, Urteil vom 4.5.2016 - 13 S 123/15). Damit droht einer Vielzahl von erbrachten ärztlichen Wahlleistungen die Gefahr, nicht abgerechnet oder gar von den Patienten oder deren privaten Krankenversicherungen zurückgefordert werden zu können.  

Wahlleistungsvereinbarung Klinik

Die vom Krankenhaus in der Wahlleistungsvereinbarung verwendete Formulierung

"Ausdrücklich wird nochmals darauf hingewiesen, dass sich die Vereinbarung über zusätzliche wahlärztliche Leistungen auf alle an der Behandlung beteiligten Ärztlichen Direktoren/ Ärzte, soweit diese zur Erbringung wahlärztlicher Leistungen berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen durch Ärzte und ärztlich gerichtete Einrichtungen außerhalb des Klinikums erstreckt (Wahlarztkette nach § 17 Abs. 3 KHEntgG)."

genüge nicht den vom BGH an eine Wahlleistungsvereinbarung gestellten Anforderungen und sei damit aus Sicht des LG Stuttgart unwirksam.

Denn in Wirklichkeit verlange das Gesetz (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG) folgendes:

Eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstreckt sich auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der vollstationären und teilstationären sowie einer vor- und nachstationären Behandlung (§ 115a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses; darauf ist in der Vereinbarung hinzuweisen.

Die von der Beklagten angegriffene Klausel beschränke sich aus Sicht des LG gerade nicht darauf, das wiederzugeben, was ohnehin Inhalt des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG ist.

"Durch die hier von der Klinik verwendete Formulierung (...) wird der Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG nicht zutreffend wiedergegeben, sondern verkürzt. In der Formulierung findet sich die Einschränkung auf angestellte oder beamtete Ärzte des Krankenhauses weder wörtlich noch sinngemäß. Durch die unterbliebene Einschränkung wird der Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte in der Wahlleistungsvereinbarung erweitert. Insbesondere können auch Honorarärzte, welche aufgrund eines Kooperationsvertrages mit dem Krankenhaus tätig werden, ohne dort angestellt zu sein, Belegärzte oder Konsiliarärzte unter die Regelung gefasst werden. Der Hinweis weicht damit in einem entscheidenden Punkt von der Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG ab.

Aufgrund der Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung kann der Anspruch auf ärztliches Honorar nicht auf den Arztvertrag gestützt werden; die Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung hat auch die Unwirksamkeit des Arztvertrages zur Folge, § 139 BGB.

Die Nichtigkeit der Wahlleistungsvereinbarung hat die Nichtigkeit des Vertrages über wahlärztliche Leistungen zur Folge, weswegen dem behandelnden Arzt kein Vergütungsanspruch nach § 612 Abs. 2 BGB i.V.m. den Regelungen der GOÄ zusteht."

Auch die Rechtsgrundsätze der allgemeinen Geschäftsbedingungen stützten dieses Ergebnis. 

Praxishinweis: 

Ärzte und Kliniken, die diese oder ähnliche Formulierungen verwenden, sollten diese schnellstmöglich rechtlich prüfen lassen und verhindern, dass mit diesen Formularen derzeit Wahlleistungsvereinbarungen geschlossen werden. 

Ob und inwiefern im Einzelfall die Formulierungen gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen und ob dies - wie das LG Stuttgart meint - zu einer Unwirksamkeit der gesamten Vereinbarung führt, ist im einzelnen Fall zu prüfen. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu gibt es noch nicht. 

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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