Überweist ein Vertragsarzt einem Laborarzt Patienten und erhält der Vertragsarzt dafür eine Gegenleistung von jeweils DM 0,50, so ist die Abrechnung des Laborarztes wegen Verstoßes gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt rechtswidrig und nach § 106a Abs. 2 SGB V zu korrigieren. Die Einjahresfrist zur Geltendmachung von Honorarrückforderungen nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X beginnt erst mit dem Abschluss der Anhörung des Laborarztes. Verzögert die Behörde dagegen die Anhörung des Laborarztes, kann die Möglichkeit zur Bescheidaufhebung jedoch verwirkt sein. Dies war vorliegend aber nicht der Fall (LSG Niedersachsen, Urteil vom 08.06.2016 - L 3 KA 6/13).

Korruption unter Ärzten führt zu HonorarrückforderungenDer Fall:

Ein als Arzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Laborarzt vereinbarte mit einer zugelassenen Ärztin für Urologie, dass er ihr für jeden an ihn ausgestellten Überweisungsauftrag zu Laboruntersuchungen einen Betrag iHv 0,50 DM zahlen werde. Diese Zahlungen leistete der Laborarzt auch in den Quartalen I/1998 bis III/2000; insgesamt rund 10.000 DM. Die Laboraufträge in diesem Zeitraum stammten in erheblichem Umfang von der Urologin. Die vom Laborarzt in den Quartalen I bis III/2000 bezogenen Honorare waren zu rund 30% durch Überweisungen der Urologin veranlasst worden.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) zahlte dem Laborarzt im genannten Zeitraum vertragsärztliches Honorar iHv rund 9,5 Millionen DM.

Die KÄV stellte im Rahmen ihrer Abrechnungsprüfung im Jahr 2000 fest, dass die Urologin ihr sog. Laborbudget für eigene und erbrachte Laborleistungen III/1999 um fast 3.000% überschritten hatte. Die Urologin beauftragte für Laborleistungen ausnahmslos den Laborarzt. Im September 2000 fand eine Besprechung der KÄV mit der Urologin statt. Im Jahr 2000 kam es zu Strafverfahren gegen den Laborarzt und die Urologin wegen Betruges. Auf der Grundlage eines urologischen Gutachtens schätzte das Strafgericht, dass 1/3 der von der Urologin erteilten Laboraufträge medizinisch nicht erforderlich gewesen waren. Die Strafverfahren gegen Laborarzt und Urologin zogen sich bis in das Jahr 2009. Die Urologin wurde wegen Betruges verurteilt; das Verfahren gegen den Laborarzt wurde nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.

Nach Anhörung des Laborarztes (Schreiben der Beklagten vom 21. Juli 2008, Antwortschreiben vom 30. August 2008) hob die KÄV ihre Honorarbescheide für I/1998 bis III/2000 mit Bescheid vom 24. November 2008 teilweise auf und setzte das Honorar des Laborarztes für diese Quartale neu auf rund 9 Millionen DM fest. Der sich daraus ergebende Differenzbetrag von (umgerechnet) rund 300.0000 Euro wurde zurückgefordert.

Der Laborarzt wandte dagegen u.a. ein, er habe nicht gegen § 31 BO (Verbot der Zuweisung gegen Entgelt) verstoßen; die Zahlungen von 0,50 DM seien vielmehr als pauschale Abgeltung für der Urologin entstandene Transportkosten gemäß Nr. 7103 EBM erbracht. Die Honorarrückforderung sei auch verspätet erfolgt, weil die KÄV schon Ende 2000 Kenntnis von den Vorgängen gehabt habe.

Die Entscheidung:

Das LSG bestätigte die Honorarrückforderung. Honorarabrechnungen sind nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler rechtswidrig, sondern immer dann, wenn der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale und inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat. Leistungen sind schließlich auch sachlich-rechnerisch richtigzustellen, wenn sie unter Verletzung grundsätzlicher berufsrechtlicher Pflichten erbracht worden sind. Denn auch bei seiner Tätigkeit als Vertragsarzt ist der Arzt an die Normen des allgemeinen ärztlichen Berufsrechts gebunden. Dazu zählt auch die Beachtung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt nach § 31 BO.

Entscheidend ist dabei, ob dem zuweisenden Arzt Vorteile versprochen werden, die geeignet sind, die Zuweisungsentscheidung zugunsten des gewährenden Arztes zu beeinflussen. Das war hier der Fall. Wenn der Laborarzt der Urologin die Zahlung eines Betrages von 0,50 DM für jeden Auftrag zur Laboruntersuchung versprochen hat, ohne irgendeinen Nachweis zu fordern, dass ihr im Einzelfall überhaupt ein Transportaufwand entstanden war, konnte dies von ihr nur als Einladung verstanden werden, nach Belieben entsprechende Aufträge zu erteilen, um hierfür eine in der Summe ansehnliche Provision von rund 10.000 DM einnehmen zu können. Diese Einladung hat die Urologin auch angenommen: Ihr sog Laborbudget, hat sie in krassem Umfang zwischen 3.000 und 7.000 % überschritten.

Eine Zuwiderhandlung gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt kann nicht nur berufsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, sondern führt zur Sittenwidrigkeit und damit zur Nichtigkeit der getroffenen Vereinbarung (§ 138 Bürgerliches Gesetzbuch). Die Einbehaltung daraus gewonnener finanzieller Vorteile durch den Vertragsarzt kann den Krankenkassen einen Regressanspruch wegen eines sog. sonstigen Schadens verschaffen. Das hierin zum Ausdruck kommende Ausmaß rechtlicher Missbilligung muss auch zur Folge haben, dass dem Vertragsarzt das durch eine Provisions-Vereinbarung der hier vorliegenden Art zugeflossenen Honorar nicht verbleiben kann.

Ab 1. April 1999 regelte die Präambel zum EBM-Kapitel U, dass die Pauschalerstattung nach Nr. 7103 EBM nur einmal im Behandlungsfall und nur von dem Arzt berechnungsfähig ist, dem der Überweisungsauftrag zur Probenuntersuchung erteilt worden war. Nach dem Wortlaut dieser Regelung bestand von vornherein kein Anlass mehr, dass der auswertende Laborarzt an den Auftrag gebenden Arzt noch Erstattungszahlungen wegen entstandener Transportkosten erbringt. Auch nach der Kommentierung zur Nr. 7103 EBM war ein vollständiger Kostenersatz und nicht nur - wie hier - eine pauschale Abgeltung erforderlich.

Auf Vertrauensschutz (Überschreiten der Vierjahresfrist nach BSG, SozR 3-2500 § 82 Nr 3; SozR 4-5520 § 32 Nr 4) kann sich Laborarzt nicht berufen, weil er die bei der Beachtung der berufsrechtlichen Vorgaben (§ 31 BO) erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Der nachgehenden Honorarberichtigung steht auch ein Ablauf der einjährigen Handlungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht entgegen, weil diese Frist regelmäßig erst nach Anhörung des betroffenen Bescheidempfängers zu laufen beginnt. Die Anhörung des Laborarztes war vorliegend erst mit dem Anhörungsschreiben der KÄV vom 21. Juli 2008 und der daraufhin ergangenen Antwort des Laborarztes vom 30. August 2008 beendet. Wenn der hier umstrittene Berichtigungsbescheid am 24. November 2008 erlassen worden ist, war demnach die einjährige Handlungsfrist gewahrt.

Schließlich ist auch die Bezifferung des zurückgeforderten Betrages korrekt. Die KÄV hat im Ergebnis 1/3 der von der Urologin veranlassten Laborleistungen des Laborarztes gestrichen und sich zur Begründung auf die zu diesem Ergebnis kommende Schätzung des Strafgerichts berufen. Das Strafgericht war vom Gutachten des urologischen Sachverständigen ausgegangen - der die Auffassung vertreten hatte, 2/3 der von der Urologin veranlassten Laboruntersuchungen seien medizinisch nicht notwendig gewesen - und hatte diese Quote nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ vermindert, was für den Laborarzt sogar günstig war.

Die Revision ist beim BSG anhängig (B 6 KA 25/16 R).

Praxishinweis:

Die Entscheidung erging vor Einführung des § 299a StGB neuer Fassung (Antikorruptionsgesetz, gültig seit 04.06.2016). Dementsprechend wurden die beteiligten Ärzte auch ausschließlich wegen Betruges bzw. Untreue strafrechtlich belangt. Nach neuem Recht wäre das Vorgehen der Ärzte nach § 299a Nr. 3 StGB (Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial) strafbar. Da die beteiligten Ärzte jeweils Vorteile größeren Ausmaßes erwirtschafteten (Laborarzt: mind. 300.000 Euro, Urologin: rund 10.000 DM) und überdies dauernd (und damit gewerbsmäßig) kooperierten, läge sogar ein schwerer Fall, § 300 StGB, vor, der zu einer Mindeststrafe von drei Monaten Haft führte.

Allgemein kann Ärzten nur geraten werden, ihre bestehenden Kooperationen mit anderen Ärzten wegen möglicher Verstöße gegen die neuen Antikorruptionsbestimmungen prüfen zu lassen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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