(24.10.2016) Eine Klinik ist berechtigt, die Nebentätigkeit eines angestellten Arztes und Professor für Neurologie auf einen Betrag von Euro 25.000 p.a. zu begrenzen (Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 20.10.2016 - 7 Ca 178/16 Ö).

Nebentätigkeiten sind lukrativ, können aber zu rechtlichen Problemen führenDer Fall:

Der Kläger ist seit 2008 als Arzt und Professor für Neurologie bei einem landeseigenen Klinikum angestellt. Das Jahresverdienst beträgt ca. 132.000 Euro. Aus Nebentätigkeiten für den Merz-Konzern erhielt er des weiteren in den vergangenen Jahren rund 43.000 Euro jährlich. Beratungen der Firma Merz wurden bis 2012 - bei einem Stundensatz von 250 Euro - mit 7500 Euro pro Jahr honoriert, die Unterstützung von „Medikamentenanwendern“ mit 36.000 Euro jährlich. In kleinerem Umfang beriet der Arzt zudem noch andere Firmen.

Das Klinikum erklärte dem Arzt Ende 2015, er dürfe künftig nicht mehr als 25.000 Euro im Jahr hinzuverdienen und verweigerte ihm die entsprechende Dienstherrengenehmigung der Nebentätigkeiten. Dies sollte der Verhinderung von Korruption dienen.

Der Arzt ist der Meinung, die neue Obergrenze für Nebenverdienste sei ihm inmitten seiner laufenden Professur willkürlich auferlegt worden. Hätte man ihm im Jahr 2008 von vornherein gesagt, dass es Höchstgrenzen für Nebentätigkeiten gibt, wäre er nicht nach Hannover gekommen.

Mit seiner Klage verlangt der Arzt vom Land 7.250 Euro Schadensersatz für November und Dezember 2015 sowie Ersatz der 20.000 Euro für das zweite Halbjahr 2016, die ihm Merz aufgrund der fehlenden Genehmigung der Klinik nicht auszahlt.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, wie die Hannoversche Allgemeine berichtete.

Der Arbeitgeber sei berechtigt gewesen, die Dienstherrengenehmigung zu verweigern. Das Land sei berechtigt, Obergrenzen für Nebenverdienste zu setzen.

Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor.

Praxisanmerkung:

Die Urteilsbegründung dürfte interessant werden. Hat sich durch die jahrelange Genehmigung der Nebentätigkeiten eine den Arzt schützende „betriebliche Übung“ gebildet? Was sah der Arbeitsvertrag hinsichtlich Nebentätigkeiten überhaupt vor? War die Haupttätigkeit des Arztes in der Klinik durch die Nebentätigkeiten beeinträchtigt? Was sehen die Landesvorschriften für die Nebentätigkeit des verbeamteten Arztes vor? Was sagt der Tarifvertrag dazu?

In jedem Fall muss abgewartet werden, wie das Gericht in diesem Einzelfall zu diesem Urteil kam, bevor man aus dem Urteil allgemeine Rückschlüsse auf das Recht der Nebentätigkeiten leitender Ärzte wie z.B. Chefärzte zieht.

Grundsätzlich kann jeder Mitarbeiter über seine Arbeitskraft außerhalb des Hauptarbeitsverhältnisses frei verfügen (Scholl-Eickmann in Oberarzt Heute 4/2015, S. 7). Dieses Recht ist verfassungsrechtlich über Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und Art. 2 Abs. 1 GG (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) abgesichert. Die Freiheiten sind jedoch dann eingeschränkt, wenn die Interessen des Hauptarbeitgebers durch die Nebentätigkeit nachhaltig betroffen werden. Dies ist etwa der Fall, wenn

  • die Arbeitskraft des Mitarbeiters wegen der Nebentätigkeit erheblich beeinträchtigt wird – zum Beispiel dürfte einem chirurgischen Oberarzt eine Nebentätigkeit mit einer schweren körperlichen Arbeit untersagt werden, wenn er dadurch so beansprucht wird, dass er seine regulären operativen Tätigkeiten nicht mehr sachgerecht ausüben kann;
  • die zulässigen Höchstarbeitszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz überschritten werden. In der Summe dürfen erstes und zweites Arbeitsverhältnis die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden in der Woche nicht überschreiten. Auch müssen bestimmte Ruhezeiten zwischen einer abendlichen Nebentätigkeit und dem morgendlichen Hauptarbeitsverhältnis – im Normalfall elf Stunden – bzw. entsprechende Ausgleichszeiten eingehalten werden;
  • Wettbewerbsinteressen des Hauptarbeitgebers entgegenstehen. Ein Oberarzt der Unfallchirurgie darf daher nach der Haupttätigkeit im Krankenhaus nicht in der D-Arzt-Praxis des niedergelassenen Unfallchirurgen Dr. A in der Abendsprechstunde tätig werden. Dadurch sollen die wirtschaftlichen Belange des Hauptarbeitgebers geschützt werden (aus Scholl-Eickmann aaO).

In jedem Fall ist dem Arzt zu raten, die Nebentätigkeit bereits im Dienstvertrag ausdrücklich zu regeln nach Art, Umfang, Betrag und Zustimmungs- oder Genehmigungserfordernis.

Der Arzt hat bereits Rechtsmittel angekündigt. Die Klinik soll dem Professor mittlerweile per Fax jegliche weitere Nebentätigkeiten verboten haben. Um eben solche Eskalationen zu vermeiden ist es regelmäßig besser, solche Differenzen am grünen Tisch zu lösen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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