(19.1.2017) Die Beeinträchtigung der berechtigten Interessen eines Arztes durch die Erhebung, Speicherung und Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen eines Arztsuche- und Arztbewertungsportals wiegt nicht schwerer als das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit, so dass dem betroffenen Arzt weder ein Löschungsanspruch dem Bundesdatenschutzgesetz noch ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch zusteht (OLG Köln, Urteil vom 05. Januar 2017 – I-15 U 121/16).

negative Bewertungen sind hinzunehmen

Der Fall:

Eine Ärztin wehrte sich dagegen, bei einem Bewertungsportal für Ärzte im Internet (Jameda) eingetragen und darüberhinaus auch noch negativ bewertet worden zu sein. Binnen fünfeinhalb Jahren hatten sich dort achtzehn negative Bewertungen angesammelt ("Katastrophe", "stutenbissig", "geht gar nicht", "inkompetent" etc.). 

Die Entscheidung:

Das OLG Köln hat nun die Klage der Ärztin auf Löschung und Unterlassung auch in der zweiten Instanz als unbegründet zurück gewiesen. 

Das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikation (und mithin Vermittlung von Informationen über die Ärztin an die Öffentlichkeit) wiegt aus Sicht des Gerichts schwerer als das Recht der Ärztin auf informationelle Selbstbestimmung. Maßgeblich war dabei, dass die Veröffentlichung der Daten die Sozialsphäre der Ärztin, sprich ihre berufliche Tätigkeit) betrifft (und nicht ihre Privat- oder Intimsphäre) und dass die negativen Bewertungen weder schmähender Natur waren noch eine stigmatisierende oder anprangernde Wirkung besitzen. Maßgeblich war auch, dass die Ärztin die Möglichkeit hat, sich gegen einzelne negative Bewertungen zu wehren, z.B. über eine Gegendarstellung oder einen Einspruch. Und auch anonyme Meinungsäußerungen sind von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt.

Desweiteren hat bereits das Landgericht Köln zutreffend festgestellt, dass keine der konkret angeführten 18 Bewertungen der Klägerin als Schmähkritik anzusehen ist, weil sie jeweils durch eine konkrete, teils sogar umfangreiche Beschreibung des Behandlungsverlaufs bzw. des Verhaltens der Klägerin während der Behandlung einen hinreichenden Sachbezug der Kritik aufweisen und eine persönliche Herabwürdigung der Klägerin nicht im Vordergrund steht.

Insbesondere vermag das OLG den von ihr konkret beanstandeten Überschriften (GA 33 f.: "Katastrophe und absolut nicht vertrauenswürdig", "Frau Doktor F geht GAR NICHT", "Sind die Ärzte noch Menschen?", "Frau Doktor F ist nicht kompetent - Eher als Reiseverkehrskauffrau", "Zu vermeiden!!! Sehr schlecht von Empfang bis zum Gespräch und keine Behandlung", "NICHT zu empfehlen - diese Frau versteht ihr Handwerk nicht") nicht zu entnehmen, dass die Klägerin - wie sie meint - als Mensch herabgewürdigt oder ihre Eigenschaft als Mensch infrage gestellt wird. Ihre weitere Beschreibung als "stutenbissig" (Bewertung vom 11.07.2015: "Das Personal ist sehr nett, nur nutzt das reichlich wenig, wenn die Ärztin inkompetent ist und nicht einmal im Beruf ihre Stutenbissigkeit unter Kontrolle hat, um Patienten zu behandeln.") ist zwar nicht besonders niveauvoll und mag kränkend sein, weist allerdings in dem Gesamtkontext der Bewertung doch noch den erforderlichen Sachbezug auf und enthält jedenfalls keine derartige Herabwürdigung, dass sie als Schmähkritik zu bezeichnen wäre.

Praxisanmerkung:

Ein Arzt kann sich gegen einzelne Bewertungen wehren: Ein Arztbewertungsportal muss einen Einspruch des bewerteten Arztes gegen die Bewertung überprüfen, indem es die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersendet und ihn dazu anhält, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus muss das Portal den Bewertenden auffordern, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen (BGH, Urteil vom 1.3.2016 - VI ZR 34/15).

Der Arzt kann sich aber nicht dagegen wehren, überhaupt in einem Ärztebewertungsportal aufgenommen und zur Bewertung freigegeben zu werden.

Und solange die Kritik einen sachlichen Bezug zu der Behandlung hat, muss der Arzt diese hinnehmen, auch wenn sie verletzend und pointiert ist. Nicht mehr hinnehmen muss er unsachliche oder schmähende Kritiken, also solche, bei denen es dem Bewertenden um die reine Herabwürdigung des Arztes geht.

Dem betroffenen Arzt ist zu raten, das Beste aus der rechtlichen Situation zu machen und bei dem Portalbetreiber seine E-mail-Adresse zu hinterlegen und die Funktion zu aktivieren, mit der er über jede eingehende Bewertung per E-mail informiert wird. So kann er zeitnah gegen fehlerhafte Bewertungen vorgehen und zum Beispiel eine Stellungnahme abgeben. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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