(27.3.17) § 17 des Arzneilieferungsvertrages stellt eine Ausschlußfrist dar mit der Folge, dass 12 Monate nach Ende des Monats der Lieferung des Medikaments eine Retaxierung nicht mehr möglich ist (Landessozialgericht Hessen Urteil vom 26.01.2017 - L 8 KR 332/14). 

Apotheke: Ab wann kann ein Apotheker nicht mehr retardiert werden?Der Fall:

Zwischen einer Apothekerin und einer retaxierenden Ersatzkasse war im Zusammenhang mit einem Rezept über ein (in Bodybuilderkreisen beliebtes) Wachstumshormon streitig, ob § 17 des Arzneilieferungsvertrages vom 21. August 2008 zwischen dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK) und dem Deutschen Apothekerverband e.V. (im folgenden: ALV) eine Ausschlußfrist darstellt oder nicht. Ausschlußfristen sind solche Fristen, die eine Geltendmachung eines Anspruches nach Zeitablauf vollständig ausschließen.

§ 17 ALV

Beanstandungen

1) Die bei der Rechnungsprüfung festgestellten rechnerisch und sachlich unrichtig angesetzten Beträge werden von den Ersatzkassen innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Kalendermonats berichtigt, in dem die Lieferung erfolgte. Hierzu gehören neben den rechnerischen und sonstigen offenbaren Unrichtigkeiten auch Taxdifferenzen und die Summe zurückgegebener Rezepte, auch von Fremdkassen (Irrläufer). Die Prüfung hat sowohl Differenzen zugunsten als auch zuungunsten der Apotheker bzw. der Ersatzkassen zu berücksichtigen ...

Ende 2009 wurde in der Apotheke der Klägerin ein Kassenrezept des niedergelassenen Arztes Dr. med. C. vorgelegt, welches auf fünf Fertigspritzen Norditropin Nordiflex zu einem Preis von 4.564,70 EUR lautete. Auffällig war lediglich ein orthographischer Fehler in der Abkürzung im Arztstempel ("Dr.Med"). Die Medikamente wurden durch einen approbierten Mitarbeiter der Klägerin herausgegeben. Die Abrechnung gegenüber der Beklagten erfolgte im Dezember 2009 über ein Apothekenrechenzentrum unter Berücksichtigung eines Apothekenabschlags zu einem Preis von 4.333,74 EUR. Die Beklagten beglich die Forderung.

Mit Schreiben vom 19. April 2011 machte die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 4.333,74 EUR geltend. Bei dem abgerechneten Rezept handelte es sich um eine Fälschung.

Die Entscheidung:

Das Hessische Landessozialgericht kommt zu dem Schluss, dass die 12-Monats-Frist des § 17 Abs. 1 ALV eine derartige Ausschlussfrist ist. Nach Ablauf der Frist dürfen Retaxierungen nicht mehr durchgeführt werden.

Nach dieser Vorschrift werden die bei der Rechnungsprüfung festgestellten rechnerisch und sachlich unrichtig angesetzten Beträge von den Ersatzkassen innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Kalendermonats berichtigt, in dem die Lieferung erfolgte. Die so gesetzte Frist dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden, indem sie Rechnungskorrekturen nur innerhalb des genannten Zeitfensters zulässt.

Das LSG verneinte auch eine Fahrlässigkeit der Apotherkerin: Nach § 4 Abs. 5 Satz 5 ALV Hessen dürfen gefälschte Verordnungen oder Verordnungen auf missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern nicht beliefert werden, sofern der Apotheker die Fälschung oder missbräuchliche Ausstellung erkannt hat oder hätte erkennen müssen. Daraus folgt im Umkehrschluss ein Zahlungsanspruch des Apothekers, wenn die Fälschung auch bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nicht erkennbar war. Insoweit reicht einfache Fahrlässigkeit aus, um den Zahlungsanspruch des Apothekers auszuschließen. Eine solche lag hier aber nicht vor. Das Sozialgericht hatte eine Fahrlässigkeit der Apothekerin angenommen, weil die ärztliche Verordnung über ein hochpreisiges Arzneimittel lautete, welches wegen seiner Verwendung in Bodybuilder-Kreisen als missbrauchsanfällig anzusehen sei, weshalb die – an sich eher geringfügigen – Unregelmäßigkeiten ("Dr.Med") in der ärztlichen Verordnung besonderen Anlass für eine Prüfung durch die Klägerin gegeben hätten. Aus Sicht des Senats ist allerdings nicht unzweifelhaft, ob allein die Hochpreisigkeit eines Medikaments ohne konkrete Hinweise auf aktuelle Fälle von Missbrauch eine besondere Prüfungspflicht des Apothekers begründet. Der Vortrag der Beklagten, dass es sich um ein in Bodybuilder-Kreisen beliebtes Medikament mit entsprechendem Missbrauchspotential handelt, mag zutreffen, es fehlt jedoch ein konkreter Vortrag, dass dies zum damaligen Zeitpunkt in Fachkreisen allgemein bekannt war. Ebenso wenig hat die Beklagte konkrete Umstände vorgetragen, dass zum damaligen Zeitpunkt Apotheker generell für Medikamentenfälschungen hinsichtlich dieses Präparats sensibilisiert sein mussten. Die Beklagte räumt selbst ein, dass das Medikament nicht nur für Kinder, sondern auch für (kleinwüchsige) Erwachsene zugelassen ist, so dass das Geburtsdatum des Versicherten ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht notwendig Anlass zu Zweifeln sein musste. Die Unregelmäßigkeiten der vorgelegten Verordnung selbst waren aus Sicht des Senats jedenfalls nicht sehr gravierend.

Daher wies das Gericht die Klage der Ersatzkasse auf Rückzahlung des ausgezahlten Betrages zurück. 

Praxisanmerkung:

Nach Ablauf von 12 Monaten kann nicht mehr retaxiert werden. Apotheker können spätere Retaxierungen unter Hinweis auf die Ausschlußfrist zurückweisen.  

Es ist für den Apotheker immer der sicherste Weg, bei kleineren Unregelmäßigkeiten auf dem Rezept dieses mit nach hinten zu nehmen und den Inhalt des Rezepts kurz durch telefonische Nachfrage beim Arzt zu prüfen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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