(22.5.17) Wie ein Arzt Praxisbesonderheiten (hier ging es um Mehrkosten wegen einer Behandlung mit Parathormonen) richtig geltend macht und so den Beschwerdeausschuss der KV zwingt, sich damit auch bei der Berechnung eines Regresses auseinander zu setzen, zeigt der vorliegende Fall (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. April 2017 – L 3 KA 136/16 B ER). 

Medikamente des ArztesSo hat der antragstellende Arzt im Verwaltungsverfahren nicht nur geltend gemacht, dass seine Praxis einen besonderen Patientenzuschnitt (besonders hoher Anteil an Osteoporose-Patienten) aufweist. Vielmehr hat er dazu noch dargelegt, dass er aufgrund seiner fortlaufend erneuerten Kenntnisse über die Behandlung der Osteoporose als einziger Orthopäde im Bereich der Vergleichsgruppe für besonders schwer von der Erkrankung betroffene Patienten Parathormone verordnet hat, deren Verordnungskosten ein Vielfaches der üblicherweise verordneten Präparate betragen. Nach den Angaben des Ast hat er 2005 ca. für 12 bis 15 Patienten entsprechende Medikamente verordnet; den sich daraus ergebenden Mehrbedarf hat er in seinem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage auf über 40.000 Euro beziffert.

Wenn der Arzt seine Praxisbesonderheiten derart substantiiert vorträgt, muss der Ausschuss dies auch berücksichtigen. Dies tat dieser aber nicht. Der Prüfungsausschuss verwendete stattdessen ein vereinfachtes Verfahren zur Quantifizierung der Praxisbesonderheiten: Er hat als Praxisbesonderheit des Ast u.a. die Versorgung von Osteoporose-Patienten anerkannt. Den sich daraus ergebenden (Verordnungs-)Mehrbedarf hat der Ausschuss quantifiziert, indem er zunächst die Anzahl der vom Ast versorgten Patienten in dem entsprechenden Indikationsgebiet mit der durchschnittlichen Anzahl der Patienten aus der Vergleichsgruppe der Orthopäden verglichen hat. Für die Anzahl der Patienten, mit der der Ast die durchschnittliche Patientenzahl der Vergleichsgruppe überschritten hat, hat der Ag anschließend - wiederum auf die Vergleichsgruppe bezogen - die durchschnittlichen Verordnungskosten pro Patient zuzüglich eines „Sicherheitsaufschlags“ von 20 v.H. als Mehrbedarf (überschlägig) anerkannt.

Das LSG hat vorliegend ernsthafte Zweifel, ob die vom Ausschuss angewandte Berechnungsmethode auch geeignet ist, im Fall des antragstellenden Arztes den sich aus der Versorgung von Osteoporose-Patienten ergebenden Mehrbedarf sachgerecht - dh im Rahmen des dem Ausschuss zustehenden Beurteilungsspielraums - festzulegen. Zur Quantifizierung eines als Praxisbesonderheit anerkannten Verordnungs-Mehrbedarfs ist es also nicht ausreichend, nur auf die im Vergleich zur Fachgruppe höhere Zahl der betroffenen Patienten abzustellen, wenn sich der Mehrbedarf (auch) darin zeigt, dass die verordneten Arzneimittel (Parathormone) teurer sind als bei durchschnittlicher Verordnungsweise. 

Praxishinweis: 

Je präziser der Arzt seine Praxisbesonderheiten darlegt und je besser er sie mit Nachweisen belegt, desto eher werden diese Besonderheiten bei der Abrechnung berücksichtigt. Es empfiehlt sich dabei, sogleich alle Beonderheiten umfassend aufzuzählen - ein späteres Nachschieben ist nicht zu empfehlen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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