(22.8.2017) Ist die handschriftliche Dokumentation eines niedergelassenen Arztes unleserlich und kann die Kassenärztliche Vereinigung deshalb die Honorarabrechnungen des Arztes nicht auf ihre Richtigkeit, sprich die vollständige Erbringung der abgerechneten Gebührenziffern überprüfen, so ist die KV berechtigt, die Abrechnung des Arztes sachlich-rechnerisch zu berichtigen und Honorare zurückzufordern (Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 14.9.2016 - S 24 KA 235/14).

Honorarrückforderungen wegen unleserlicher ärztlicher DokumentationDie Schrift von Ärzten ist häufig auffällig unleserlich. Insbesondere bei der Ausstellung von Rezepten führt dies immer wieder zu Problemen und Fehlverordnungen bis hin zu Todesfällen. Aber auch die Dokumentation leidet erheblich. Im Nachhinein ist oft selbst für den Arzt nicht mehr zu klären, was er dokumentiert hat. Dies ist mißlich für den Patienten, sind doch die weiterbehandelnden Ärzte ganz wesentlich darauf angewiesen zu erfahren, welche Behandlungen und Medikamente der vorbehandelnde Arzt eingesetzt hat. 

Dabei sieht das Gesetz vor, dass die Dokumentation in geeigneter Form zu erfolgen hat. § 57 Abs. 1 BMV-Ä lautet:

Der Vertragsarzt hat die Befunde, die Behandlungsmaßnahmen sowie die veranlassten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung in geeigneter Weise zu dokumentieren.

Das Sozialgericht Stuttgart hat nun klar gestellt, dass hohe Anforderungen an die Dokumentation des Arztes zu stellen sind: 

Die vom Vertragsarzt nach § 57 Bundesmantelvertrag-Ärzte vorzunehmende Dokumentation seiner ärztlichen Leistungen muss vollständig, in sich widerspruchsfrei und lesbar sein. Eine völlig unleserliche Handschrift - nach Angabe des Klägers eine geradezu typische „Doktorschrift“ - genügt diesen hohen Anforderungen nicht.

Die Kassenärztliche Vereinigung kürzte die vom Kläger, einem HNO-Arzt, gestellten Honorarabrechnungen für mehrere Quartale im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach § 106a SGB V aF, da sie seine handschriftliche Dokumentation nicht lesen und so nicht überprüfen konnte, ob der Inhalt der vom Arzt abgerechneten Gebührenziffern vollständig erbracht worden war. Der Arzt klagte gegen die Richtigstellung.

Das Sozialgericht Stuttgart hat die Klage des Arztes abgewiesen, da auch ihm nicht einmal unter Zuhilfenahme einer vom Arzt später erstellten maschinenschriftlichen Abschrift eine ansatzweise Entzifferung der Handschrift möglich war. Da im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit die Dokumentation Voraussetzung für die Nachprüfung korrekter Diagnostik, Therapie und Abrechnung sei, berechtige eine fehlende oder unvollständige Dokumentation zur sachlich-rechnerischen Berichtigung durch die Kassenärztliche Vereinigung.

handschriftliche Vermerke in der BehandlungsaktePraxisanmerkung:

Obgleich immer mehr Ärzte digitale Dokumentationssysteme einsetzen, bleibt die handschriftliche Erfassung bedeutsam. So werden z..B. auf Aufklärungsbögen handschriftliche Vermerke aufgenommen, die im Arzthaftungsprozess von erheblicher Bedeutung sind. Auch werden viele Rezepte immer noch handschriftlich erstellt - ist dann die Schrift unleserlich, kann ein Patient statt dem verordneten Mevinacor schon einmal vom Apotheker Marcumar ausgehändigt bekommen.

Es hilft schon, wenn der Arzt etwas langsamer schreibt. Wichtige Fachbegriffe sollten in Druckbuchstaben geschrieben werden. Abkürzungen sind erlaubt, solange sie gebräuchlich sind.

Wer nicht handschriftlich, sondern überwiegend elektronisch dokumentiert, sollte beachten, dass eine spurlos veränderbare elektronische Dokumentation im Zweifel keinen Beweiswert hat.

Ist die Dokumentation unleserlich oder nicht vorhanden, so kann dies dem Arzt erhebliche Beweisnachteile bringen, sei es nun im Arzthaftungsprozess oder - wie hier - im Streit um ärztliche Honorare. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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