(6.10.2017) Begehrt ein Hausarzt im ländlichen Bereich eine Zweigpraxisgenehmigung (auch für Wochenendsprechstunden), so muss diese zu einer Versorgungsverbesserung führen, was wiederum einen Behandlungsbedarf vor Ort erfordert (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. September 2017 – L 24 KA 26/16). 

Arzt auf dem LandDer Fall:

Ein in Sachsen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Hausarzt wohnt in Brandenburg in N. Dort suchen ihn nach seinen Angaben immer wieder Patienten zu Hause auf und fragen um medizinischen Rat, dies auch am Wochenende. Daher beantragte er bei der KV Brandenburg eine Zweigpraxisgenehmigung in N. Er sei auch bereit, am Freitagabend und Samstagmorgen Patienten in N zu behandeln. Diese vor allem älteren Patienten seien unter der Woche immobil, weil ihre motorisierten Verwandten arbeiteten und könnten daher wochentags oft nicht zu den Ärzten im Umkreis fahren.

Diese Genehmigung wurde ihm aber vom Zulassungsausschuss versagt mit Hinweis auf fehlenden Bedarf an einer weiteren Hausarztpraxis in N (Versorgungsgrad: 104%).

Der Hausarzt klagte auf Erteilung der Zweigpraxisgenehmigung. Das Sozialgericht wies seine Klage als unbegründet ab. Nun hat der Arzt das Landessozialgericht angerufen. 

Die Entscheidung:

Das Landessozialgericht wies die Berufung des Arztes zurück. 

Es wies ersteinmal darauf hin, dass es wegen des Entscheidungsspielraumes des Zulassungsausschusses nur überprüfen könne, ob der Zulassungsausschuss die erforderlichen Tatsachenermittlungen angestellt hat und ob die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen vertretbar sind. Maßgeblich war also, ob der eine Tätigkeit des Hausarztes in N zu einer Verbesserung der Versorgung in N führen würde. Dabei kommt es nicht auf die rechnerische Verorgung im Sinne der Bedarfsplanung an, sondern auf die tatsächliche Versorgung. 

Eine Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort kommt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in drei Fällen in Betracht:

  1. Besteht eine Unterversorgung an dem weiteren Ort führt schon die Eröffnung einer Zweigpraxis offenkundig zu einer Verbesserung der Versorgung. 

    Eine tatsächliche Unterversorgung am Ort oder im Raum N lässt sich vorliegend aber aus Sicht des Gerichts nicht feststellen. Sie wird auch vom Kläger mit seinem Berufungsvorbringen nicht behauptet.

  2. Eine Versorgungsverbesserung liegt weiter vor bei einer qualitativen Verbesserung der Versorgung der Versicherten vor Ort (z.B. der hinzutretende Arzt bietet eine besondere Untersuchungs- oder Behandlungsmethode).

    Auch das ist hier aus Sicht des Gerichts nicht der Fall. 

  3. Schließlich kann eine Verbesserung der quantitativen vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten an dem weiteren Ort gegeben sein (z.B. durch das zusätzliche Angebot von Abend- und Wochenendsprechstunden). 

    Dass eine beabsichtigte Zweigpraxis ein solches Angebot vorhalten will, führt aber entgegen der Rechtsauffassung des Klägers noch nicht zwingend dazu, dass der Beklagte im Ergebnis eine Verbesserung der Versorgung feststellen müsste. Vielmehr handelt es sich insoweit nur um ein abwägungsrelevantes Element neben anderen, das von den zur Entscheidung berufenen Zulassungsgremien in Betracht zu ziehen ist. Das Gericht ist nicht der Auffassung, dass das Angebot des Klägers, zusätzliche Sprechzeiten am Freitagnachmittag und Samstagmorgen abzuhalten, ein Vorteil von einem solchen Gewicht ist, dass mögliche Nachteile dahinter zurücktreten müssten. Das Gericht vermag den Vortrag des Klägers über den insoweit bestehenden besonderen Bedarf vor Ort nur im begrenzten Umfang nachzuvollziehen. Wenn sich das Angebot der Wochenendsprechzeiten insbesondere an ältere Menschen richten soll, die auf ihre Verwandten angewiesen sind, damit sie zum Arzt gebracht werden können, ist nämlich zu bedenken, dass die Mobilität dieser Menschen an den Wochenenden dann eher höher ist als unter der Woche, wenn ihre berufstätigen Verwandten keine Zeit haben. Deswegen erscheint es nicht zwingend, dass nur ortsnahe Ärzte mit Sprechzeiten am Wochenende in der Lage sein könnten, den Versorgungsbedarf der Versicherten angemessen zu decken.

Praxisanmerkung:

Der Ärztemangel auf dem Land in Ostdeutschland ist bekannt. Vor allem Hausärzte fehlen. Ältere Menschen sind weniger mobil als jüngere Menschen. Der Vortrag des Hausarztes ist daher gut nachvollziehbar. Die Gegenargumente des Gerichts erscheinen dagegen überstreng. Der Arzt hatte allerdings auch keine Belege für seine Behauptungen vorgelegt. 

Allgemein ist es für Ärzte, die eine Zweigpraxisgenehmigung begehren, schwierig nachzuweisen, dass ein Versorgungsbedarf vor Ort besteht. Mit einfachen Behauptungen eines solchen Bedarfs ist es nicht getan. Hier muss man kreativ werden, um dem Zulassungsausschuss belastbare Nachweise für einen solchen Bedarf vorlegen zu können. Dann nämlich muss der Zulassungsausschuss weiter ermitteln, ob dieser Bedarf besteht oder nicht. Tut er dies nicht, macht er seine (ablehnenede) Entscheidung angreifbar.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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