(6.11.2017) Die Regeln, die das Bundessozialgericht ((B 6 KA 6/13 R) für die Regelleistungsvolumen entwickelt hat (zum einjährigen Moratorium bei der Fallzahlsteigerung und zur Höhe des RLV-​Fallwertes) können auf die Bewertung des qualifikationsgebundenen Zusatzvolumens (QZV) übertragen werden, weil QZV und RLV ein ausschöpfbares Gesamtvolumen bilden. Dies hat das SG Kiel in dem Fall eines niedergelassenen Chirurgen entschieden, der Magenspiegelungen über das qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen "Gastroenterologie" abrechnete (Sozialgericht Kiel, Urteil vom 24. Oktober 2017 – S 2 KA 509/15).

Magenspiegelung Duodenoskopie

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Fall:

Tatbestand

1 Die Beteiligten streiten über die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Quartal I/2011.

2 Der Kläger ist als Facharzt für Chirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte teilte ihm mit RLV/QZV-​Mitteilung vom 28. Januar 2011 ein Gesamtvolumen in Höhe von 25.165,44 EUR mit (RLV 19.324,20 EUR, QZV 5.841,24 EUR). Dabei wurde ein QZV Gastroenterologie I in Höhe von 3.454,99 EUR (Leistungsfallzahl Vorjahresquartal 77 x QZV-​Fallwert 44,87 EUR) eingestellt. Dieses Gesamtvolumen stellte die Beklagte in die Berechnung des Honoraranspruchs des Klägers mit Honorarbescheid vom 14. Juli 2011 ein. Der Kläger erbrachte RLV/QZV-​relevante Leistungen in einem Umfang, der das mitgeteilte Volumen überschritt, so dass die Mehrleistungsvergütung einsetzte.

3 Gegen die Mitteilung des Gesamtvolumens und den Honorarbescheid legte der Kläger am 16. August 2011 Widerspruch ein. Die Bemessung des QZV Gastroenterologie I sei rechnerisch nicht nachvollziehbar, jedenfalls aber materiell rechtswidrig. Er erbringe ausschließlich Leistungen gemäß der GOP 13400 EBM, die mit 82,71 EUR bewertet sei. Dem stünde ein zugebilligtes QZV je Leistungsfall in Höhe von lediglich 44,87 EUR gegenüber. Wenn das QZV für einen Leistungsfall niedriger ausfalle als die Bewertung einer Einzelleistung innerhalb dieses QZV-​Bereichs, liege darin ein rechtswidriger Eingriff in das Bewertungsgefüge des EBM. Daher beantrage er die Anpassung des QZV Gastroenterologie I. Die im Quartal I/2011 erbrachten Röntgenleistungen seien bei der Bemessung des RLV/QZV unberücksichtigt geblieben, jedoch als QZV-​Leistungen in der Honorarabrechnung eingestellt worden. Er beantrage die Anpassung des RLV/QZV unter Berücksichtigung der erstmaligen Erbringung von Röntgenleistungen ab dem Quartal II/2010.

4 Am 23. August 2012 teilte das HVM-​Team der Beklagten dem Kläger mit, dem Begehren des Klägers könne nicht stattgegeben werden. Die Berechnung des QZV erfolge arztgruppenspezifisch für jedes QZV einzeln, wobei jeder Arztgruppe dafür ein bestimmtes Verteilungsvolumen zur Verfügung stünde, aus dem die unterschiedlichen Zusatzvolumen ermittelt werden würden. Der Fallwert errechne sich aus dem für das Zusatzvolumen vorhandenen Verteilungsvolumen geteilt durch die gesamte Leistungsfallzahl der Ärzte der Arztgruppe. Die Zuweisung des jeweiligen QZV an den einzelnen Arzt erfolge auf Basis der individuellen Leistungsfallzahl des Vorjahresquartals. Der Leistungsfall definiere sich dabei als Anzahl der Patienten in einer Arztpraxis in einem Quartal, an denen QZV-​relevante Leistungen erbracht und abgerechnet worden seien. Eine davon abweichende Regelung und entsprechende nachträgliche Anpassung des QZV Gastroenterologie I könne nicht gewährt werden. Ein QZV Teilradiologie habe dem Kläger nicht zugestanden werden können, da eine entsprechende Leistungsfallzahl aus dem Vorjahresquartal nicht zugeordnet werden konnte. Die Erbringung dieser Leistungen sei erst mit Genehmigung vom 3. März 2010 zulässig gewesen. Damit habe das QZV Teilradiologie frühestens ab dem Quartal II/2011 zugeordnet werden können. Eine vorzeitige Berücksichtigung nach Genehmigung zusätzlicher Leistungen sehe der Beschluss des Bewertungsausschusses nicht vor. Dagegen legte der Kläger am 7. September 2012 Widerspruch ein, da die Entscheidung keinerlei Begründung und keinerlei ermessensleitende Erwägungen enthalte. Auf die weiteren Ausführungen wird verwiesen.

5 Die Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2015 zurück. Sie erläuterte die Honorarverteilungssystematik. Eine abweichende Vergütung für Leistungen des QZV Gastroenterologie I könne aus den bereits dargelegten Gründen nicht erfolgen. Lediglich RLV-​relevante Leistungen könnten als Praxisbesonderheiten anerkannt werden, sofern die maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt seien. Da es sich bei der GOP 13400 EBM Zusatzpauschale „Ösophago-​Gastroduodenoskopie“ nicht um eine RLV-​relevante Leistung handele, bestünde grundsätzlich keine Möglichkeit, diese Leistung als Praxisbesonderheit anzuerkennen. Die vom Kläger im Quartal I/2011 erbrachten Röntgenleistungen seien in der Honorarabrechnung I/2011 als QZV-​Leistungen ausgewiesen und vergütet worden. Die beantragte Anpassung des RLV/QZV unter Berücksichtigung der erstmaligen Erbringung von Röntgenleistungen habe nicht entsprochen werden können.

6 Dagegen richtet sich die am 7. September 2015 eingegangene Klage. Diese begründet der Kläger damit, das QZV Gastroenterologie I sei nicht nachvollziehbar berechnet worden. Unklar sei insbesondere, warum der QZV-​Fallwert zu niedrig sei. Diese Leistung würde nur von wenigen Mitgliedern der Arztgruppe der Fachärzte für Chirurgie erbracht werden.

7 Der Kläger beantragt,

8 die RLV-​/QZV-​Mitteilungen und die Honorarabrechnung für das Quartal I/2011 in der Fassung der Entscheidung des HVM-​Teams vom 23. August 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05. August 2015 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

9 Die Beklagte beantragt,

10 die Klage abzuweisen.

11 Die Bildung der QZV in Schleswig-​Holstein sei in enger Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden erfolgt, sodass die regionalen Besonderheiten berücksichtigt worden seien. Nach eingehender Analyse sei entschieden worden, dass die Leistungen, die von mehr als Dreiviertel der Arztgruppe erbracht werden, als Regelleistung anzusehen und somit dem RLV zuzuordnen seien. Für die Berechnung als solche spiele die Anzahl der Praxen keine Rolle. Gleichwohl teilte sie mit, dass für das QZV Teilradiologie ein Honorartopf in Höhe von 464.156,13 EUR zur Verfügung gestanden habe, der auf eine Gesamtfallzahl der Arztgruppe in Höhe von 37.009,3 von 108,3 Erbringerpraxen verteilt worden sei. Das habe zu einem Fallwert in Höhe von 12,54 EUR geführt. Für das QZV Gastroenterologie I habe ein Honorartopf in Höhe von 16.421,00 EUR zur Verfügung gestanden, der auf eine Gesamtfallzahl der Arztgruppe in Höhe von 366,0 von fünf Erbringerpraxen verteilt worden sei. Das habe einen Fallwert in Höhe von 44,87EUR ergeben. Der Bewertungsausschuss habe die Geldzuordnung für die RLV und QZV je Fachgruppe auf Basis ihrer jeweiligen quartalsbezogenen Leistungsanteile des Jahres 2008 festgelegt.

12 Für die weiteren Einzelheiten und den weiteren Vortrag der Beteiligten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze verwiesen.

Die Entscheidung:

Entscheidungsgründe

13 Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

14 Die RLVQZV-​Mitteilung und der Honorarbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides für das Quartal I/2011 erweisen sich jeweils als rechtmäßig. Auch die Härtefallanträge für diese Quartale lehnte die Beklagte zu Recht ab.

15 Die Kammer hat in der Entscheidung vom 9. August 2017, Az. S 2 KA 563/14, ihre vorherige Rechtsprechung aufgegeben, dass die Entscheidung des HVM-​Teams vom 23. August 2012 ein feststellender Bescheid sei, der einen Anspruch des Arztes auf Berücksichtigung bei der Festlegung des RLV/QZV-​Gesamtvolumens und bei der Bescheidung des Honoraranspruchs begründet und somit in einem eigenständigen Gerichtsverfahren erfasst werden kann. Sie schließt sich den überzeugenden Ausführungen des 4. Sen. des Schleswig-​Holsteinischen Landessozialgerichts in mehreren Entscheidungen vom 8. November 2016 und 17. Januar 2017 (u.a. L 4 KA 40/14, veröffentlicht bei juris) an, dass nicht nur eine teilweise zusprechende Entscheidung des HVM-​Teams während des Widerspruchsverfahrens ein Änderungsbescheid im Sinne von § 86 SGG ist, sondern auch eine ablehnende Entscheidung des HVM-​Teams der Beklagten während des Widerspruchsverfahrens als partieller Zweitbescheid über § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens wird.

16 Gemäß § 85 Abs. 4 Sozailgesetzbuch (SGB) V in der Fassung des GKV-​Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I Seite 378) verteilt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Gesamtvergütungen im Sinne des § 85 Abs. 1 SGB V an die Vertragsärzte. In der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt gemäß der Untergliederung des § 73 SGB V in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Sie wendet bei der Verteilung gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an. Gemäß Abs. 4 Satz 3 sind bei der Verteilung Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen. Für die Honorarverteilung ab dem 1. Januar 2009 enthält § 87b Abs. 2 SGB V besondere von den Vertragspartnern zu beachtende Bestimmungen. Nach § 87b Abs. 1 SGB V muss ab diesem Stichtag die Vergütung auf der Grundlage der regional geltenden Euro-​Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V erfolgen. Nach § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V sind hierzu ab dem ersten Quartal 2009 zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Ein Regelleistungsvolumen in diesem Sinne ist gemäß Abs. 2 Satz 2 die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-​Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 SGB V enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten sind. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist abweichend von Abs. 1 Satz 1 gemäß Abs. 2 Satz 3 mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten kann hiervon abgewichen werden. Die Werte der RLV sind nach § 87b Abs. 3 Satz 1 SGB V morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen. Soweit dazu Veranlassung besteht, sind gemäß § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V auch Praxisbesonderheiten bei der Bestimmung des RLV zu berücksichtigen. Nach § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V bestimmt der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina nach den Abs. 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten.

17 In Ausführung dieser gesetzlichen Vorgaben hat der Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 4 SGB V in Teil F Abschnitt I. Ziffer 1.3.1 und 1.3.2 des Beschlusses vom 26. März 2010 mit Wirkung ab 1. Juli 2010 bestimmt, dass arztpraxisbezogen Regelleistungsvolumina (RLV) und qualifikationsbezogene Zusatzvolumina (QZV) zugewiesen werden. Die Höhe des RLV eines Arztes ergibt sich für die in der Anlage 2 benannten Arztgruppen aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KV-​bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwertes gemäß der Anlage 7 des Beschlusses und der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal. Die dem Kläger zugewiesenen qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina beruhen auf Anlage 3 und Anlage 8. In der „Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen in den Jahren 2011 und 2012 mit Wirkung zum 1. Januar 2011“ haben die Vertragspartner in Teil D Ziffer 2.6 als Bezugsparameter den Leistungsfall vereinbart. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Beklagte die für die Berechnung des Gesamtvolumens des Klägers (RLV und QZV) geltenden Regelungen entsprechend des Wortlauts umgesetzt haben.

18 Die RLV/QZV-​Mitteilung ist bereits nicht nach § 35 SGB X aufgrund einer unzureichenden Begründung rechtswidrig. Die Kammer hat bereits mehrfach entschieden, dass an eine RLV-​Mitteilung keine höheren Begründungsanforderungen zu stellen sind als an einen Honorarbescheid. Dieser Auffassung ist auch der 4. Senat des Schleswig-​Holsteinischen Landessozialgerichts (u. a. Urteile vom 8. November 2016, Az. L 4 KA 40/14). Es ist ausreichend, wenn die Beklagte in der RLV-​Mitteilung – wie im Honorarbescheid - jeweils die Daten und Zahlen darstellt, die konkret den jeweiligen Arzt betreffen, d. h. die für ihn maßgeblichen (arztgruppenspezifischen) Fallwerte, Fallzahlen, Morbiditätsfaktoren oder sonstige Anpassungsfaktoren sowie das rechnerische Ergebnis für den jeweiligen Arzt. Die Honorarregelungen selbst sind in den Beschlüssen des Bewertungsausschusses sowie den Honorarvereinbarungen geregelt und für jedermann einsehbar veröffentlicht worden. Die Beklagte war nicht gehalten, alle Berechnungsparameter (Höhe der Gesamtvergütung, Leistungsmengen der Arztgruppen in Punkten, Anzahl der Erbringerpraxen etc) im RLV/QZV-​Bescheid darzulegen. Selbst wenn das nicht der Fall wäre und die Kammer zu der Überzeugung gelangt wäre, die Begründungen seien mangelhaft, so könnte der Kläger aufgrund der Regelung in § 42 Abs. 1 SGB X nicht allein deswegen die Aufhebung der Bescheide begehren, wenn die Beklagte die Sach- und Rechtslage richtig zugrunde gelegt hat. Das ist hier der Fall.

19 Für den Kläger berechnete die Beklagte ein QZV Gastroenterologie I. Sie setzte dabei den Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010, Teil F. I.3.3 i.V.m. Anlage 3 und die Regelungen in der Honorarvereinbarung 2011/2012 um. Nach Anlage 3 Ziffer 1. wird unter anderem für Fachärzte für Chirurgie, für Kinderchirurgie, für Plastische Chirurgie, für Neurochirurgie ein QZV Gastroenterologie I gebildet. Die Kammer ist aufgrund der Erläuterungen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren davon überzeugt, dass die Beklagte die mathematischen Vorgaben zur Berechnung des QZV nach Anlage 6 und Anlage 8 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 26.03.2010 umgesetzt hat und sah keine Veranlassung, das Zahlenmaterial darüber hinaus von Amts wegen rechnerisch zu überprüfen. Der Rückgriff auf den Leistungsbedarf 2008 ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im März 2010 konnte das Jahr 2008 als vollständig ausgewertet angesehen werden.

20 Dass der QZV-​Fallwert die EBM-​Bewertung der Leistung 13400 nicht bzw. nur in etwa zur Hälfte „abdeckt“, stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit oder den Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung dar. Das BSG hat in mehreren Entscheidungen betont, welche Aspekte bei der Honorarverteilung zu beachten sowie zu berücksichtigen und zu gewichten sind. Dabei hat es wiederholt respektiert und betont, dass der Honorarverteilungsmaßstab der KV mehrere Parameter miteinander in Einklang zu bringen bzw. gegeneinander abzuwägen hat. Wenn bzw. da die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung begrenzt ist und nicht alle von den Vertragsärzten erbrachten Leistungen zum geltenden (Orientierungs-) punktwert vergütet werden können, müsse die KV sicherstellen, dass die von allen Ärzten erbrachte Leistungsmenge mit der Gesamtvergütung in Einklang gebracht werde. Zu beachten seien der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung. Das bedeute indessen nicht, dass gleiche Leistungen stets gleich vergütet werden müssten. Beide Prinzipien stellten vielmehr nur Grundsätze dar, von denen aus sachlichem Grund abgewichen werden dürfe (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004, Az. B 6 KA 44/03 R, Rn 63 bei juris). Die gesetzlichen Grundstrukturen über die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen müssten einen Ausgleich u.a. zwischen dem Ziel der Gewährung angemessener Vergütungen und dem besonders hochrangigen Ziel der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Versorgung herstellen. Dieser Ausgleich sei erst dann nicht mehr verhältnismäßig realisiert (mit der Folge eines Anspruchs der Ärzte auf höheres Honorar bzw eine Honorarstützung aus dem Gesichtspunkt angemessener Vergütung), wenn in einem - fachlichen und/oder örtlichen - Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet ist (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004, Az. B 6 KA 44/03 R, Rn 153 bei juris; Urteil vom 11. Dezember 2013, Az. B 6 KA 6/13 R Rn 42 bei juris zur RLV-​Systematik ab 1. Januar 2009). Der Vertragsarzt hat daher nur einen Anspruch auf eine insgesamt leistungsgerechte Teilhabe an der Gesamtvergütung. Der vertragsärztlichen Vergütung liegt im Übrigen eine Mischkalkulation zugrunde, so dass es im Ergebnis einzelne Leistungen geben kann, die selbst für eine kostengünstig organisierte Praxis keinen Gewinn erzielen lassen (u.a. Urteil vom 16.05.2011, B 6 KA 20/00 R).

21 Zu der ab 1. Januar 2009 geltenden Honorarverteilungssystematik hat das BSG in seiner Entscheidung vom 11. Dezember 2013, Az. B 6 KA 6/13 R, ausgeführt, das RLV eines Arztes müsse nicht so bemessen sein, dass die wesentlichen Leistungen seines Fachgebiets rechnerisch in jedem Behandlungsfall mit den Preisen der Euro-​Gebührenordnung vergütet werden. Der Vertragsarzt habe keinen Anspruch auf eine Vergütung in bestimmter Höhe, sondern nur auf einen angemessenen Anteil an der Gesamtvergütung, da die vertragsärztliche Vergütung immer auf den beiden Säulen Vereinbarungen zur Höhe der Gesamtvergütung und Vereinbarungen bzw. Maßstäben zur Verteilung der Gesamtvergütung fuße. Mengenbegrenzungsregelungen führten nicht zur Nichtvergütung einiger Leistungen, sondern zu einer relativ abgesenkten Vergütung aller Leistungen. Der EBM bestimme nach § 87 Abs. 2 S. 1 Teilsatz 1 SGB V a. F. den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander. Der EBM sei damit keine der GOÄ vergleichbare Gebührenordnung. Es handele sich um eine relative und abstrakte Bewertung. Einzig feststehende Größe sei – wie im SGB V vorgesehen – das wertmäßige Verhältnis der im Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen zueinander. Der EBM bilde nicht das alleinige Verteilungskriterium für die Verteilung der Gesamtvergütung auf den einzelnen Arzt und gebe keine „absolute“ Vergütungshöhe vor, der sich alle übrigen Regelungen unterordnen müssten. Maßgeblicher Faktor für das RLV seien nicht die Preise der Euro-​Gebührenordnung, sondern die tatsächlich gezahlte Gesamtvergütung. Das RLV stelle nur im Idealfall sicher, dass die von ihm erfasste Leistungsmenge in vollem Umfang mit den Preisen der Euro-​Gebührenordnung vergütet werde.

22 Diese zu der aufgrund des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner Sitzung vom 27./28. August 2008 ab 1. Januar 2009 geltenden RLV-​Honorarverteilungssystematik ergangenen Feststellungen des BSG sind zur Überzeugung der Kammer auf die ab 1. Juli 2010 geltende RLV/QZV-​Honorarverteilungssystematik entsprechend anwendbar. Die QZV wurden eingeführt, um eine differenziertere Budgetbildung für die einzelnen Ärzte sicherzustellen. Die QZV-​relevanten Leistungen sind Leistungen, die nicht von allen Ärzten der jeweiligen Fachgruppe abgerechnet werden. Es handelt sich entweder um zuvor innerhalb der MGV, jedoch unbudgetiert vergütete sogenannte „freie“ Leistungen oder Leistungen, die als budgetierte RLV-​Leistung von Mitgliedern der Fachgruppe erbracht wurden, jedoch nicht von deren überwiegenden Mitgliedern. Auch für diese Leistungen gilt, dass die EBM-​Bewertung nur ihr wertmäßiges Verhältnis zu anderen ärztlichen Leistungen darstellt, jedoch keinen Anspruch auf Vergütung jeder Leistung in der im EBM beschriebenen Höhe begründet. Das QZV bildet mit dem RLV ein ausschöpfbares Gesamtvolumen (Beschluss BewA Teil F. I. 1.4). Gerade weil RLV und QZV ein ausschöpfbares Gesamtvolumen bilden, mit dem der Teilhabeanspruch des Vertragsarztes an der MGV zum Orientierungspunktwert sichergestellt wird, ist die Rechtsprechung des BSG zum RLV auf die QZV-​Systematik als weiterem Bestandteil des ausschöpfbaren Gesamtvolumens zur Überzeugung der Kammer übertragbar. Daher kann der Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der QZV-​Fallwert sichere die EBM-​Vergütung nur zur Hälfte. Diese Einzelbetrachtung ist unter Geltung der RLV bzw. der RLV/QZV-​Vergütungssystematik gerade nicht geboten. Das BSG hat sowohl zu regionalen Honorarverteilungssystemen der KVen als auch zu der ab 1. Januar 2009 durch den Bewertungsausschuss geprägten RLV-​Systematik klargestellt, dass die arztgruppenspezifische oder arztpraxisbezogene Budgetierung ärztlicher Leistungen nicht dazu führe, dass tatsächlich erbrachte ärztliche Leistungen nicht vergütet werden, sondern lediglich bewirken, dass bei einer Überschreitung des Grenzwertes die Höhe der Vergütung für jede einzelne erbrachte Leistung sinke (Urteil vom 3. Dezember 1997, 6 RKA 21/97, Rn 23 bei juris; Urteil vom 11. Dezember 2013, B 6 KA 6/13 R, Rn 35 bei juris).

23 Für die Leistungen des QZV Teilradiologie hat die Beklagte den Wortlaut des Beschlusses des BewA in seiner 218. Sitzung Teil F I. 3.3 für QZV umgesetzt. Sie ist nach § 87b Abs. 4 SGB V an Vorgaben des Bewertungsausschusses gebunden, da diesem die Aufgabe übertragen wurde, das RLV im Sinne von § 87b Abs. 2 SGB V zu bestimmen. Zur Überzeugung der Kammer begegnet es keinen Bedenken, wenn für die Bildung des QZV als Bestandteil des ausschöpfbaren Gesamtvolumens auf die Leistungsfallzahl im Vorjahresquartal abgestellt wird. Fallzahlsteigerungen im Abrechnungsquartal kommen dem Vertragsarzt somit im Folgejahresquartal für die Bestimmung des QZV als Teil des Gesamtvolumens zugute. Ein solches „einjähriges Moratorium“ hat das BSG für die ab 1. Januar 2009 geltende RLV-​Systematik bereits mit ausführlicher Begründung in mehreren Entscheidungen gebilligt (u.a. Urteil vom 17. Juli 2013, Az. B 6 KA 44/12 R, Rn 38 - 41 bei juris). Die Ausführungen und Bewertungen des BSG sind zur Überzeugung der Kammer auf die QZV-​Berechnung übertragbar, da das QZV mit dem RLV ein Gesamtvolumen bildet (so schon Urteil vom 16. Juni 2015, S 2 KA 58/12). Der Umstand, dass es für einzelne Leistungen gebildet wird, die nicht von allen Ärzten erbracht werden, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Denn das einem Vertragsarzt zugewiesene Budget bestimmt lediglich, bis zu welcher Grenze Leistungen zu einem festen Punktwert vergütet werden und ab wann die Systematik der Mehrleistungsvergütung eingreift. Mit welchen Leistungen der Arzt das Budget im Laufe des Quartals ausfüllt, lässt sich somit nicht genau bestimmen. Auch der Umstand, dass ein Vertragsarzt keine Leistungsfallzahlen des Vorjahresquartals hat, die in die erstmalige Berechnung eines QZV eingestellt werden könnten, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Ein „Wachstums-​QZV“ als Teilbereich des Gesamtvolumens ist nicht geboten.

24 Die Beklagte hat auch zu Recht den Antrag auf Anpassung der QZV abgelehnt, so dass weder das QZV Gastroenterologie I zu erhöhen war noch ein Anspruch auf ein QZV Teilradiologie besteht. Dabei ist die Entscheidung vom 23. August 2012 und im Widerspruchsbescheid nicht bereits deswegen fehlerhaft, weil Ermessenserwägungen fehlen würden. Da die Beklagte bereits das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen verneint hat, brauchte sie folgerichtig bereits keine Ermessenserwägungen anzustellen. Die Beklagte hat das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen auch jeweils zu Recht verneint. Der Antrag des Klägers war letztlich nicht explizit auf Anerkennung eine der in der Honorarvereinbarung geregelten Sonderregelungen gerichtet. Letztlich kann der Kläger keine Härtefallanpassung für die streitigen Quartale auf der Grundlage der für das streitige Quartal maßgeblichen Sonderregelungen der Honorarvereinbarung beanspruchen. Die Voraussetzungen von Teil D Ziffer 4.3.1 der Honorarvereinbarung liegen nicht vor, da der Kläger keinen RLV-​bedingten Verlust von mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal erlitten hat. Die Voraussetzungen von Teil D Ziffer 4.3.3 liegen ebenfalls nicht vor. Es liegt keine Praxisbesonderheit vor, die sich in einer erhöhten Abrechnung bestimmter EBM-​Nummern wiederspiegelt. Auch eine Praxisbesonderheit im Bereich QZV mit dem Erfordernis einer Einzelfallbetrachtung war zur Überzeugung der Kammer nicht geboten.

25 Entgegen der Auffassung des Klägers waren die Partner der Gesamtverträge im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch nicht nach Anlage 3 zu Beschluss Teil F Ziffer 2 bzw. Teil F I. 3.3 gehalten, Sonderregelungen zu treffen. Diese Öffnungsklausel ermächtigt bereits nicht zu der vom Kläger gewünschten Erhöhung eines QZV-​Fallwertes oder der Berücksichtigung einer nicht vorhandenen Leistungsfallzahl im Vorjahresquartal.

26 Nach allem war die Klage abzuweisen.

27 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG, 154 Abs. 1 VwGO.

Praxishinweis:

Besonders qualifizierte Ärzte können Qualifikationsgebundene Zusatzvolumen (QZV) für besondere Leistungen abrechnen. Die meisten QZVs setzen für die Abrechnung der jeweiligen Leistungen eine Genehmigung der KV voraus, zum Beispiel Sonographie oder Psychosomatische Grundversorgung. In anderen Fällen ist eine entsprechende Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnung erforderlich, um Anspruch zu haben. Qualifikations­gebundene Zusatzvolumen berechnen sich analog dem RLV. Jedem Arzt werden Quartal für Quartal RLV und QZV gleichzeitig und in einer Summe zu­gewiesen. Das RLV-/QZV-Honorar­volumen bildet also eine Ober­grenze, bis zu der alle RLV- und QZV-Leistungen mit festen Preisen vergütet werden. Wird das Honorarvolumen überschritten, wird es nach den bekannten Regeln abgestaffelt (vgl. KV Baden-Württemberg).

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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