(4.1.2017) In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH Ärzten die Bewertung ihrer Arztpraxen erleichtert. Der Arzt kann zur Berechnung des Praxiswerts - wenn der Stichtag der Bewertung auf die Jahresmitte fällt - auf die Erstellung einer Zwischenbilanz zum Endstichtag verzichten; stattdessen kann der Arzt die hierfür erforderlichen Angaben ohne weiteres den ihm bereits vorliegenden Jahresabschlüssen der letzten drei oder fünf Jahren entnehmen (BGH, Beschluss vom 22. November 2017 – XII ZB 230/17). Gleichwohl hat das für den Arzt einen Haken. 

Was ist die Praxis der Arztes wer4Im vorliegenden Fall ging es um die Bewertung u.a. einer Arztpraxis anläßlich der Scheidung der Ehe einer Ärztin und dem vom Geschiedenen verlangten Zugewinnausgleich. Streitig war, ob die Ärztin einen (teuren) Sachverständigen benötigte, um eine Praxisbewertung zum Stichtag der Scheidung, die in der Jahresmitte lag, durchführen zu lassen.

Der Bundesgerichtshof sah dies nicht als erforderlich an. Der Arzt müsse keine Halbjahresbilanz erstellen lassen. Es reiche aus, wenn der Arzt auf die letzten drei oder fünf Jahresabschlüsse zurückgreife. Deshalb benötige die Ärztin auch keinen Sachverständigen zur Erstellung einer Zwischenbilanz. Vorzugswürdige Bewertungsmethode ist aus Sicht des BGH weiterhin die sog. modifizierte Ertragswertmethode. 

Praxisanmerkung:

Also kann er Arzt, der seine Praxis (oder Gemeinschaftspraxis) nicht zum Jahresende, sondern zur Jahresmitte auflöst oder verkauft, auf eine genaue Bewertung zum Stichtag verzichten und stattdessen auf die letzten drei oder fünf Jahreswerte zurückgreifen.

Somit wird dem Arzt auch ein gestalterischer Spielraum eingeräumt, als er wählen kann, ob er die letzten drei oder fünf Jahre zur Bewertung heranzieht. So kann der Arzt bzw. eine Ärztin das Ergebnis beeinflussen, indem er/sie starke oder schwache Jahre aus der Berechnung herauslässt oder diese miteinbeziehet, je nachdem, ob er/sie einen hohen Preis erzielen will oder - wie im Fall einer Scheidung - eher einen niedrigen Wert in Ansatz gebracht sehen möchte.

Gleichwohl ist die Entscheidung kritisch zu sehen. Wenn der Arzt - wie vom BGH als vorzugswürdig betrachtet - die modifizierte Ertragswertmethode nutzt (was er nicht zwingend muss), so benötigt er meines Erachtens ohnehin sachverständiger Hilfe. Alleine kann er die Berechnungsformel dieser Methode kaum anwenden. Denn die Berechnungsformel ist derart komplex, dass ein mathematischer Laie sie nicht ohne weiteres selbst durchführen kann. Anders als die - weit einfachere - neue Bundesärztekammermethode, erfordert die modifizierte Ertragswertmethode die Verrechnung mehrerer nicht ohne weiteres verständlicher Werte: Je nach Ausführungsart müssen Einnahmenüberschüsse, Abzinsungsfaktoren und Kalkulationszinsfüße oder Ausschüttungen, Kapitaleinlagen, Kapitalentnahmen und Abzinsungsfaktoren in Formeln verrechnet werden. Das alles ist also nicht so einfach, wie es sich der BGH vorstellt und der Arzt bleibt gut beraten, sich bei der Praxisauseinandersetzung bzw. Praxisbewertung fachlich unterstützen zu lassen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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