(8.1.2018) Eine Fahrtstrecke von 10 km zwischen der Praxis einer niedergelassenen Unfallchirurgin in BS und einer niedergelassenen radiologischen Gemeinschaftspraxis in F ist den Patienten zumutbar. Daher hat eine radiolologische Klinik, die am selben Ort sitzt wie die Unfallchirurgin, keinen Anspruch auf eine entsprechende Ermächtigungserweiterung (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7.9.2017 – L 24 KA 54/16).

MRT des Knies (Radiologie)Der Fall:

Der Chefarzt eines Klinik-Instituts für Radiologie in BS wollte, das seine radiologische Ermächtigung erweitert wird. Er wollte ermächtigt werden, auch Patienten einer zuweisenden niedergelassenen Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, Frau Dr. O.,  mit Sitz in BS mit konventioneller Technik radiologisch zu untersuchen. Im Einzelnen wollte er ermächtigt werden, auch auf taggleiche Überweisung von Frau Dr. O hin auf dem Gebiet der Radiologie Leistungen nach den Gebührenn Nr. 34210, 34212, 34220, 34221, 34222, 34230, 34231, 34232, 34233, 34234, 34240, 34241, 34242, 34243, 34244, 34245 und 34280 zu erbringen. Die Patienten der Ärztin, bei denen es sich häufig um Unfallpatienten handelte, bedurften regelmäßig einer Röntgenuntersuchung. Der nächste niedergelassene Radiologe finde sich in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis im 10 km entfernten F. Der Chefarzt argumentierte, es solle den frisch verunfallten Patienten der niedergelassenen Ärztin nicht zugemutet werden, von der Praxis der Ärztin in zu 10 km entfernt liegenden radiologischen Praxis zu fahren, um sich radiologisch untersuchen zu lassen, um dann wieder für die weitere Behandlung in die Praxis der Ärztin zurückzukehren.

Der Zulassungsausschuss bewilligte die vom Chefarzt beantragte Erweiterung der Ermächtigung.

Gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses legte die Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin Dr. M und Kollegen in F Widerspruch ein, der sich gegen die Erweiterung der Ermächtigung auf taggleiche Überweisung von Frau Dr. O hin beschränkte. 

Daraufhin entschied der beklagte Berufungsausschuss die dem Kläger erteilte Ermächtigung dahingehend, dass sie nicht mehr die Erbringung von Leistungen auf Überweisung von Frau Dr. O hin erfasste.

Dagegen klagte der Chefarzt der Klinik. 

Das Sozialgericht Potsdam gab der radiologischen Gemeinschaftspraxis Recht. Der Chefarzt legte Berufung gegen dieses Urteil ein. 

Die Entscheidung:

Auch das Landessozialgericht gab der Gemeinschaftspraxis Recht. Es bestünden ausreichende und kurze öffentlichen Fahrverbindungen zwischen BS und F. Der Zulassungsausschuss durfte die Patienten - jedenfalls für alle planbaren radiologischen Leistungen - auf die in F bestehenden Behandlungsmöglichkeiten verweisen. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme des räumlich nahegelegen Chefarztes diene zwar der Bequemlichkeit der Patienten, sei aber nicht aus medizinischen Gründen erforderlich, mithin bestehe hier noch kein Bedarf im Sinne einer Ermächtigung gemäß § 116 SGB V. Und in echten medizinischen Notfällen könne eine Behandlung durch den Chefarzt auch ohne besondere Ermächtigung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen. Denn dann finde § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V Anwendung, der Versicherten erlaube, auch zur vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassene Ärzte in Anspruch zu nehmen.

Praxisanmerkung:

Die radiologische Gemeinschaftspraxis hat sich hier im Wege des defensiven Konkurrentenwiderspruchs gegen die Erweiterung der Ermächtigung erfolgreich zur Wehr gesetzt. Eine Ermächtigung nach § 116 SGB V ist nämlich (nur) zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Ärzten der in Satz 1 genannten Einrichtungen, also insbesondere in Arztpraxen, nicht sichergestellt wird (sog. Sicherstellungslücke). Vorrang vor der Ermächtigung hat demnach die Zulassung nach § 95 Abs. 1 und 3 SGB V, die zur Erbringung von vertragsärztlichen Leistungen innerhalb eines bestimmten Fachgebietes ermächtigt. Nur ein besonderer Bedarf kann also die Ermächtigung von Krankenhausärzten rechtfertigen.

Es bleibt festzuhalten, dass eine notwendige Fahrt von 10 km zwischen Arzt und Radiologie bei Vorhandensein von ausreichenden öffentlichen Fahrverbindungen keinen Grund darstellt, eine Ermächtigung zu erteilen, soweit es sich nicht um Notfallpatienten handelt. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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