(20.2.2018) Besteht zu einer Behandlung (hier: offene Biopsie einer vorbehandelten weiblichen Brust zur Abklärung eines unklaren Knotens) eine echte Behandlungsalternative (hier: Stanzbiopsie) so ist die Patientin über die Alternative aufzuklären. Ausreichend dafür ist es, wenn die Patientin durch den externen Radiologen auf die Möglichkeit der Stanzbiopsie hingewiesen wurde. Folgt sie stattdessen dem (laut Gerichtssachverständigem vertretbaren) Rat zur Durchführung einer offenen Biopsie, so ist dies ihre Entscheidung. Ein Aufklärungsfehler ist dann zu verneinen (OLG Hamm, Urteil vom 9. Januar 2018 – 26 U 21/17).

Brust vor der OperationDer Fall:

Die 1946 geborene Klägerin nimmt die beklagte Klinik und deren Ärzte nach einer Operation eines Herdbefundes in der linken Brust u.a, auf Schmerzensgeld in Anspruch.

2009 wurde der bereits an der Brust vorbehandelten Klägerin im Hause der Beklagten zu 1) von der Beklagten zu 2) zur Abklärung eines unklaren Herdbefundes (6 mm großer Tastbefund) zu einer Exzision nach sonographischer Markierung geraten, die sodann mittels offener Biopsie durchgeführt wurde, wobei ein Gewebeareal mit einem Gewicht von 35g entfernt wurde.

Nachdem sich bei einer erneuten ambulanten Vorstellung der Klägerin bei der Beklagten zu 2) 2010 im Rahmen der Sonographie wiederum ein Herdbefund gezeigt hatte, begab sich die Klägerin 2010 in die Behandlung des X Hospitals C, wo dieser Befund bestätigt und eine Kontrolle in 3 Monaten empfohlen wurde.

Eine Stanzbiopsie im Jahr 2011 im X-hospital C ergab bei 10 Uhr Anteile eines regressiv veränderten Papilloms, Klassifikation B3. Danach wurden die Befunde nach sonographischer Drahtmarkierung exzediert. Im Anschluss kam es zu einer Entzündung und erheblichen Wundheilungsstörungen.

Die Klägerin hat den Beklagten Behandlungs- und Aufklärungsfehler vorgeworfen. Statt einer offenen Biopsie hätte 2009 die Abklärung des sonographisch suspekten Befundes mittels Stanzbiopsie erfolgen müssen. Die Entfernung des Knotens wäre bereits bei dem Ersteingriff möglich gewesen. Der Verzicht auf eine Drahtmarkierung sei fehlerhaft gewesen. Die Aufklärung sei fehlerhaft gewesen, da keine Aufklärung über die alternative Möglichkeit einer Abklärung mittels Stanzbiopsie erfolgt sei.

Die Entscheidung:

Das OLG Hamm wies die Klage vollumfänglich ab.

Einen Behandlungsfehler verneinte das OLG. Denn die gewählte offene Biopsie sei nach Angabe des Sachverständigen bei der Größe des Tastbefundes medizinisch vertretbar gewesen.

Auch verneint das OLG eine unzureichende Aufklärung der Klägerin über die bestehende Behandlungsalternative einer Stanzbiopsie.

Zwar sei die Stanzbiopsie eine echte Behandlungsalternative zur offenen Biopsie, weil die beiden Alternativen zur Überprüfung des hier vorhandenen Herdbefundes (ca. 6 mm großer Tastbefund) als gleichermaßen indizierte und übliche Standardmethoden einzuordnen seien, welche mit wesentlich unterschiedlichen Belastungen und Erfolgschancen einhergingen. Die offene Biopsie berge alle Risiken eines invasiven Eingriffs.

Das OLG Hamm hat sich aber nach persönlicher Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 2) davon überzeugt, dass der Klägerin die Möglichkeit einer Stanzbiopsie nach einem entsprechenden Hinweis eines Radiologen bewusst gewesen sei, und dass sie gleichwohl im Wissen um die Alternative dem ärztlichen Rat der Beklagten zu 2) zur Vornahme einer offenen Biopsie gefolgt sei. Sie war also informiert darüber, dass eine Behandlungsaklternative bestand. 

Praxisanmerkung:

Über echte Behandlungsalternativen hat der Arzt den Patienten (im Großen und Ganzen) aufzuklären. Eine Behandlungsalternative besteht, wenn beiden Alternativen zur Behandlung oder Diagnostizierung als gleichermaßen indizierte und übliche Standardmethoden einzuordnen sind, welche allerdings mit wesentlich unterschiedlichen Belastungen und Erfolgschancen einhergehen (sprich eine Methode muss weniger belastend oder erfolgsversprechender sein).

Der Hinweis des Arztes eröffnet dem Patienten die Möglichkeit, weiter nachzufragen.

Der Arzt ist gut beraten, wenn er in der Behandlungsakte vermerkt, dass über die Alternativen A oder B gesprochen wurde.

Der Patient ist gut beraten, nachzufragen und sich die Vor- und Nachteile im Detail erläutern zu lassen, um eine eigene Entscheidung treffen zu können.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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