(21.3.2018) Bei der Einstellung von Ärzten sind gemäß TV-Ärzte Hessen Zeiten früherer ärztlicher Tätigkeit, die nach Erteilung der Approbation oder einer Berufserlaubnis zurückgelegt worden sind, uneingeschränkt anzurechnen. In Folge dessen ist die klagende Ärztin wegen ihrer vor Beginn des Dienstverhältnisses erfolgten ärztlichen Tätigkeit nun eine Entgeltgruppe höher einzustufen und kann nachträglich Zahlung des höheren Lohnes von ihrem Arbeitgeber verlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und welche Unterbrechungen zwischen dem früheren und dem klagegegenständlichen Arbeitsverhältniss liegen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Dezember 2017 – 6 AZR 863/16).

Mehr Lohn wegen zu niedriger Eingruppierung einer angestellten ÄrztinDer Fall:  

Die klagende Ärztin arbeitete von 4/2008 bis 3/2010 als Ärztin in einer neurologischen Klinik. 8/2011 nahm sie eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Ärztin) bei dem beklagten Land Hessen an. Eingruppert wurde sie in die tarifvertragliche Entgeltgruppe Ä 1, Stufe 1. Seit dem 8/2013 zahlte das Land ihr ein Entgelt aus der höheren Entgeltgruppe Ä 1 Stufe 2.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie hätte schon früher der Stufe 2 der Entgeltgruppe Ä 1 TV-Ärzte Hessen zugeordnet werden müssen. Nach ihrer insgesamt dreijährigen ärztlichen Tätigkeit (2008 bis 2010 und dann 2011 bis 2012) hätte sie zum 1. August 2012 die Entgeltgruppe Ä 2 Stufe 1 TV-Ärzte Hessen erreichen müssen. Das beklagte Land sah dies anders. Es wandte u.a. ein, durch die Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit sei eine Höhergruppierung ausgeschlossen.

Die Ärztin klagte daher auf Zahlung von rund 20.000 EUR ausstehendem Lohn. Das Arbeitsgericht gab ihr Recht. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung des Landes zurück. Das Land legte Revision zum Bundesarbeitsgericht ein.

Die Entscheidung: 

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Rechtsauffasung der Ärztin und wies die Revision des Landes als unbegründet zurück.

Da auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an den hessischen Universitätskliniken (TV-Ärzte Hessen) vom 30.11.2006 Anwendung finde, seien der Einstellung Zeiten vorhergehender ärztlicher Tätigkeit, die bei der neurologischen Klinik erbracht wurden, uneingeschränkt zu berücksichtigen.

Zwar habe es zwischen der Tätigkeit in der neurologischen Klinik und der hier im Streit stehenden Tätigkeit der Ärztin eine Unterbrechung von über einem Jahr gelegen. Darauf, ob und welche Unterbrechungen zwischen den einzelnen Arbeitsverhältnissen liegen, komme aber es nicht an. Denn § 11 Abs. 2 TV-Ärzte Hessen, auf den sich das beklagte Land hier beruft, finde bei der Einstellung keine Anwendung. Die Vorschrift regele andere Fälle. Für die Einstellung der Ärztin 8/2011 sei allein der § 10 Abs. 7 und § 14 Abs. 2 TV-Ärzte Hessen maßgeblich und abschließend. Diese Bestimmungen würden aber keine schädlichen Unterbrechungen kennen.

Praxisanmerkung:

Rechtsstreitigkeiten wegen fehlerhafter Eingruppierung sind häufig. Denn immer wieder kommt es zu Fehlern bei der tariflichen Eingruppierung, regelmäßig zum Nachteil des Arbeitnehmers.

Einen Anspruch auf das rückwirkend festgestellte höhere Entgelt haben Arbeitnehmer aber nur unter Berücksichtigung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist. Sie müssen ihre Ansprüche also innerhalb von sechs Monaten gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend machen und um Höhergruppierung nachsuchen, sonst verfallen die Ansprüche. So sehen dies z.B. § 37 Abs. 1 Tarifvertrag der Ärzte (TV-Ä) und auch § 37 TVöD vor. Diese Sechsmonatsfrist ist dringend zu beachten.

Die Frist wird übrigens nicht durch Einreichung einer Klage z.B. auf Zahlung einer Lohndifferenz gewahrt (BAG, Urteil vom 16. März 2016 – 4 AZR 421/15), sondern nur durch ein Anschreiben an den Arbeitgeber.  

Reagiert der Arbeitgeber darauf nicht entsprechend, hat es keinen Sinn, weiter Schreiben mit dem Arbeitgeber auszutauschen. Dann muss der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht eine Feststellungsklage (Eingruppierung) und Zahlungsklage (Entgelt) einreichen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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