(29.3.2018) Verbleibt nach einer erfolgreichen Geburt ein Rest des Mutterkuchens (Plazenta) in der Gebärmutter der Mutter, so kann der behandelnde Gynäkologe abwarten, ob dieser Rest von selbst abgeht oder er kann den Rest operativ entfernen. Bespricht der Gynäkologe das weitere Vorgehen mit der Mutter, so muss sie auch über die Möglichkeit, lediglich abzuwarten, aufklären. Tut er dies nicht, führt dann die operative Entfernung durch und die Mutter verliert dann die Gebärmutter, so haftet er der Mutter wegen eines Aufklärungsfehlers und die Mutter kann ein Schmerzensgeld von EUR 35.000 von dem Arzt verlangen. Bei der Schmerzensgeldbemessung berücksichtigte das Gericht, dass die Mutter bereits zwei Kinder hatte. Behandlungsfehler verneinte das Gericht hingegen (Landgericht Regensburg, Urteil vom 18. Mai 2017 – 4 O 5/15 (4)). 

Kind nach der GeburtTenor

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 35.000,‒ € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.02.2015 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, welche aus der fehlerhaften Behandlung im Zeitraum vom ... resultieren, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 80.000,00 € festgesetzt. (Zahlungsantrag gem. Ziff. 1 der Klage: 75.000,‒ €, Feststellungsantrag gem. Ziff. 2 der Klage: 5.000,‒ €)

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden der Klägerin wegen von der Klägerin behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung im Zeitraum vom ... .

Die ... geborene Klägerin gebar am ... im Kreiskrankenhaus ... ihr zweites Kind ... . Die ärztliche Betreuung erfolgte durch den Beklagten zu 1, der am ... aus der Gemeinschaftspraxis mit den Beklagten zu 2 und zu 3 ausgeschieden ist.

Nach einer komplikationslos verlaufenden Geburt kam es mit einer zeitlichen Verzögerung von 51 Minuten zur Entbindung der Plazenta. Eine sonographische Abklärung, ob sich noch Reste der Plazenta in der Gebärmutter der Klägerin befanden, erfolgte nicht. Tatsächlich befand sich noch ein Plazentarest in der Gebärmutter der Klägerin.

Am ... ‒ die Klägerin litt seit der Geburt unter regelhaften Blutungen ‒ stellte der Beklagte zu 1 sonographisch fest, dass sich noch ein Plazentarest in der Gebärmutter befindet. Er führte mit der Klägerin ein Aufklärungsgespräch und ließ sich von ihr den Aufklärungsbogen vom ... auf den verwiesen wird, unterzeichnen, in dem das Risiko der Entfernung der Gebärmutter als extrem seltenes Risiko dargestellt wurde. Über die Möglichkeit, lediglich abzuwarten, ob sich der Plazentarest von selbst löst, wurde vom Beklagten zu 1 nicht hingewiesen. Am ... kam es bei der Entfernung des Plazentarests zu einer Verletzung der Gebärmutterwand mit der Folge, dass die gesamte Gebärmutter entfernt werden musste.

Die Klägerin trägt vor, bereits nach der Geburt des Kindes am ... sei es erforderlich gewesen, angesichts der erheblichen zeitlichen Verzögerung der Geburt der Plazenta sonographisch abzuklären, ob sich noch Plazentareste in der Gebärmutter befinden. Diese unterbliebene Befunderhebung hätte ergeben, dass sich die Plazenta nicht vollständig gelöst hat.

Der Eingriff vom ... sei weder indiziert gewesen noch nach dem zum Eingriffszeitpunkt gültigen Facharztstandard durchgeführt worden. Über das Risiko der Gebärmutterentfernung sei die Klägerin nicht ausreichend aufgeklärt worden. Nach Auffassung der Klägerin war auch eine Aufklärung über die Möglichkeit, abzuwarten, ob sich die Plazenta von selbst löst, erforderlich. Bei ihrer mündlichen Anhörung sagte die Klägerin, sie hätte in diesem Fall zumindest überlegt, ob sie sogleich die Ausschabung durchführen lässt.

Da nunmehr der noch vorhandene Kinderwunsch der Klägerin nicht mehr erfüllbar ist und psychische und physische Folgeschäden nicht ausgeschlossen werden können, beantragte die Klägerin, die ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 75.000,‒ € für angemessen hält, mit der sämtlichen Beklagten am 03.02.2015 zugestellten Klage:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 75.000,‒ € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, welche aus der fehlerhaften Behandlung im Zeitraum vom ... resultieren, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 2 und 3 treten einer Haftung aus Rechtsgründen entgegen.

Der Beklagte zu 1 bestreitet, dass nach der Geburt des Kindes am ... eine sonographische Untersuchung erforderlich war. Bei Durchführung der Maßnahme hätten sich ‒ so der Beklagte zu 1 ‒ keine therapeutischen Konsequenzen ergeben.

Dass sich die Gebärmutter nicht vollständig nach der Geburt gelöst hat, sei nicht erkennbar gewesen.

Der Eingriff vom ... sei sowohl indiziert gewesen, als auch standardgerecht durchgeführt worden. Auf das Risiko der Entfernung der Gebärmutter sei die Klägerin ausreichend hingewiesen worden. Nach Auffassung des Beklagten zu 1 war es aus Rechtsgründen nicht geboten, die Klägerin über die Möglichkeit des Abwartens als Alternative zur operativen Entfernung des Plazentarestes hinzuweisen. Der Beklagte zu 1 beruft sich auf die hypothetische Einwilligung der Klägerin.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 13.04.2015 durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. ..., der sein schriftliches Gutachten vom 04.06.2016 im Termin vom 09.03.2017 mündlich erläuterte und die Fragen der Parteien beantwortete. Darüber hinaus wurden die Klägerin und der Beklagte zu 1 informatorisch gehört.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und die Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf das Gutachten vom 04.06.2016, das Protokoll vom 09.03.2017 und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig.

Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg beruht auf den §§ 12, 13 ZPO, 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG.

Auch die Feststellungsklage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, da ‒ nach dem Vortrag der Klägerin ‒ zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht absehbare materielle und immaterielle Folgeschäden denkbar sind.

Die objektive und subjektive Klagehäufung beruht auf den §§ 260, 59, 60 ZPO.

II. Die Klage ist zum Teil begründet.

1. Die Beklagten schulden gesamtschuldnerisch der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000,‒ € gemäß den §§ 280 Abs. 1, 278, 253 Abs. 2, 31, 421 Abs. 1 BGB.

a) Für die Haftung der Beklagten zu 2 und zu 3 kann dahinstehen, in welchem Rechtsverhältnis der Beklagte zu 1 am 07.07.2011 zu ihnen stand; war der Beklagte zu 1 bei ihnen angestellt, so folgt die Haftung der Beklagten zu 2 und zu 3 aus den §§ 280 Abs. 1, 278, 241 Abs. 2 BGB, war der Beklagte zu 1 hingegen Gesellschafter der Beklagten zu 2 und zu 3 so haften sie für dessen Fehlverhalten in analoger Anwendung von § 31 BGB (Steffen/ Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Auflage, Rdn. 53, 54).

b) Der vom Beklagten zu 1 am ... bei der Klägerin vorgenommene Eingriff war rechtswidrig, da die Einwilligung der Klägerin unwirksam war. Unwirksam war die Einwilligung der Klägerin deshalb, weil der Beklagte zu 1 sie ‒ insoweit unstreitig ‒ nicht darüber aufgeklärt hat, dass als Alternative zum Eingriff auch ein Abwarten in Betracht gekommen wäre.

§ 630 e Abs. 1 Satz 3 BGB ist vorliegend zwar unmittelbar nicht anwendbar, da die Behandlung der Klägerin vor dem Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes erfolgte; der sich aus § 630 e Abs. 1 Satz 3 BGB nunmehr ergebende Rechtsgedanke kann jedoch auch auf vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erfolgte Behandlungen entsprechend angewendet werden.

Nach Auskunft des Sachverständigen, der auf das Gericht einen sachkundigen und zuverlässigen Eindruck machte und die Fragen der Parteien und des Gerichts umfassend und nachvollziehbar beantwortete, bestand am ... als "gute Alternative" die Möglichkeit, statt der operativen Entfernung des Plazentarests abzuwarten, ob der vorhandene Plazentarest sich von selbst löst. Die abwartende Methode hat der Sachverständige mehrfach als "gute Alternative" bezeichnet.

Das Abwarten stellte eine echte, und deshalb aufklärungspflichtige Alternative dar. Im Gegensatz zum sofortigen operativen Eingriff bestand bei der abwartenden Methode für die Klägerin die Chance, dass der Plazentarest sich ohne operativen Eingriff von selbst löst. Andererseits ist das Abwarten mit dem Risiko verbunden, dass später dennoch eine operative Entfernung des Plazentarests erforderlich ist. Außerdem bedarf es bei der abwartenden Methode ‒ nach Auskunft des Sachverständigen ‒ einer engmaschigen Kontrolle der Klägerin. Damit kann das Abwarten als eine im Sinne von § 630 e Abs. 1 Satz 3 BGB echte Alternative angesehen werden, die mit wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen verbunden ist. Auch die bei Martis/ Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Auflage, A 1247 ff. zitierte Rechtssprechung zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass eine echte Behandlungsalternative in den Fällen bejaht wird, in denen dem operativen Eingriff eine konservative Methode gegenübersteht (vgl auch Geiß/Greiner, Arzthaftungsrecht, 6. Aufl., S. 228).

Über diese Alternative hätte die Klägerin aufgeklärt werden müssen. Dem steht nicht entgegen, dass ‒ so der Sachverständige ‒ auch 2011 die von ihm beschriebene abwartende Methode - aus welchen Gründen auch immer nicht zum medizinischen Standard gehörte. Der Wortlaut des § 630 e Abs. 1 Satz 3 BGB verwendet im Gegensatz zu § 630 a Abs. 2 BGB nicht den Begriff des Standards, sondern erstreckt die Pflicht zur Alternativaufklärung auf medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden. Diese Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt:

In § 630 a Abs. 2 BGB knüpft das Gesetz den Inhalt der sachgerechten Behandlung an den jeweils gültigen Facharztstandard zum Zeitpunkt der Behandlung an und will damit die körperliche Integrität des Patienten sicherstellen. Anders die Regelung in § 630 e Abs. 1 Satz 3 BGB, durch welche nicht die körperliche Integrität des Patienten, sondern dessen Selbstbestimmungsrecht gewahrt werden soll (BGH, Urteil vom 15.3.2005, VI ZR 313/03, VersR 2005,836). Dies ergibt sich auch aus den Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren, wonach von der Pflicht zur Alternativaufklärung lediglich solche therapeutischen Verfahren ausgenommen sein sollen, die sich erst in der Erprobung befinden (vgl. Bundestagsdrucksache 17/10488, S. 24).

Dass somit ‒ wie der Sachverständige mehrfach erklärte ‒ die abwartende Methode auch zum Zeitpunkt des Eingriffs im Jahre 2011 nicht zum Facharztstandard zählte, steht der Notwendigkeit, die Klägerin über diese Alternative aufzuklären, nicht entgegen. Zur Wahrung ihres Selbstbestimmungsrechts war es für die Klägerin unerlässlich, vom Beklagten zu 1 in geeigneter Weise darüber aufgeklärt zu werden, dass an Stelle des sofortigen operativen Eingriffs auch ein Zuwarten in Betracht gekommen wäre.

Dass sich der Umfang der geschuldeten Alternativaufklärung nicht mit dem für die Behandlung geltenden üblichen Standard deckt, ergibt sich ‒ unter Geltung des Patientenrechtegesetzes - auch aus dem Wortlaut des § 630 a Abs. 2 BGB, der die Vereinbarung einer vom Standard abweichenden Behandlung zulässt. Geschuldet sein kann somit auch eine vom üblichen Standard abweichende Methode, über die der Patienten, da er von ihr typischerweise keine Kenntnis haben kann, aufzuklären ist (§ 630 e Abs. 1 S. 3 BGB).

c) Der Beklagte zu 1 beruft sich auf die hypothetische Einwilligung der Klägerin. Insoweit hat die Klägerin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung durch das Gericht nachvollziehbar und glaubhaft bekundet, dass sie sich den Eingriff ernsthaft überlegt hätte, hätte der Beklagte zu 1 sie darauf hingewiesen, dass auch ein Abwarten möglich ist.

2. Die Beklagten schulden der Klägerin somit als Gesamtschuldner wegen Verletzung des Behandlungsvertrages ein angemessenes Schmerzensgeld im Sinne von § 253 Abs. 2 BGB.

Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes spielte neben den Beschwerden der Klägerin insbesondere die Tatsache eine entscheidende Rolle, dass weiterer Kinderwunsch der Klägerin unerfüllbar geworden ist. Schmerzensgelderhöhend wertete die Kammer, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Eingriffs erst ... Jahre alt war, andererseits konnte nicht außer Betracht gelassen werden, dass sie bereits zwei Kinder hatte. Zur Höhe des Schmerzensgeldes wird auf vergleichbare Entscheidungen, abgedruckt bei Zwissler, Schmerzensgeldkatalog, 2015, Seite 144 bis 147 hingewiesen, in denen für den Verlust einer Gebärmutter Schmerzensgelder im Bereich von 33.400,‒ € bis 48.400,‒ € gewährt wurden.

Die zugesprochenen Zinsen beruhen auf den §§ 291, 280 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB, 253, 261, 261 Abs. 1 ZPO.

Soweit die Klägerin ein höheres Schmerzensgeld als 35.000,‒ € geltend machte, war die Klage als unbegründet abzuweisen.

3. Die Beklagten schulden der Klägerin weder materiellen noch immateriellen Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt eines Behandlungsfehlers oder der unzureichenden Aufklärung über das Risiko der Gebärmutterentfernung.

Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass bei der Geburt des Kindes am ... die zeitliche Verzögerung der Geburt der Plazenta nicht zwingend eine Indikation für eine sonographische Untersuchung ergab. Aus seiner Sicht war es nicht behandlungsfehlerhaft bei einer als vollständig beurteilten Plazenta davon abzusehen, weitere Untersuchungen mit dem Ziel durchzuführen, ob sich noch ein Plazentarest in der Gebärmutter befindet.

Auch der Eingriff vom ... wurde nach den überzeugenden Darstellungen des Sachverständigen standardgerecht durchgeführt.

Über das Risiko der Entfernung der Gebärmutter war die Klägerin ausreichend aufgeklärt. Letzteres ergibt sich aus der informatorischen Anhörung des Beklagten zu 1 im Zusammenhang mit dem von der Klägerin unterzeichneten Aufklärungsbogen vom ..., in dem das Risiko der Gebärmutterentfernung ausdrücklich erwähnt ist.

4. Die Kostenentscheidung erging gemäß §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.

Praxisanmerkung:

Das Abwarten (sprich die konservative Behandlungsmethode) war hier auch ein denkbarer Weg, der aber eine engere Nachkontrolle erforderte. Da operative Eingriffe andere, meist höhere Risiken für den Patienten mit sich bringen als das kontrollierte Abwarten, ist das Abwarten eine echte Behandlungsalternative. Insofern ist dem Landgericht zuzustimmen. 

Kritisch muss das vom Gericht zugesprochene niedrige Schmerzensgeld bewertet werden. Die Gebärfähigkeit ist eine unersetzliche körperliche Eigenschaft einer Frau. Ihr Verlust muss ein deutlich höheres Schmerzensgeld als 35.000 EUR nach sich ziehen. Dass die Frau bereits zwei Kinder hat, ist insofern irrelevant, da sie auch mehr als nur zwei Kinder gewünscht haben kann. Männer werden bei Verlust der Zeugungsfähigkeit im Übrigen auch nicht besser entschädigt. Das Landgericht Wiesbaden sprach einem Mann z.B. nur ein Schmerzensgeld von 70.000 DM zu für den Verlust der Zeugungsfähigkeit (Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 07. August 1991 – 14 O 110/88). Die Schmerzensgeldbeträge sind mE allgemein zu niedrig und können so oft die erlittenen Schmerzen nicht kompensieren.

Kollege Dr. Christian Maus sieht die Entscheidung des LG Regensburg als falsch an, weil über nicht als Standard anerkannte Behandlungsalternativen nicht aufzuklären sei, folglich auch kein Aufklärungsfehler vorliege (Maus in jurisPR-MedizinR 2/2018). Aufzuklären sei nach Maus entsprechend dem Gesetzeswortlaut des einschlägigen § 630 e BGB nur über "übliche" (alternative) Behandlungsmethoden. Allerdings hat der Sachverständige hier nicht festgestellt, dass das Zuwarten nicht üblich sei, er hat lediglich festgestellt, dass es nicht dem Standard entsprach. Und § 630 e BGB verlangt nicht, dass die Alternative dem Standard entsprach. Insofern ist dem Kollegen Maus nicht zuzustimmen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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