(19.6.2018) Hat eine Reitanfängerin, die ein umgänglichen Lehrpferd gesucht hat, ein Pferd gekauft, das nicht einfach zu handhaben war, kann sie vom Kaufvertrag zurücktreten (Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 1.2.2018 - 1 U 51/16).

Käuferin kann nervöses Pferd zurückgebenDer Fall:

Die Reiterin aus New York hatte im Alter von 58 Jahren begonnen, Reitunterricht zu nehmen. Sie suchte ein umgängliches und leichttrittiges sowie lektionssicheres Lehrpferd, das für sie mit ihren geringen Erfahrungen geeignet sein sollte. Der Beklagte stellte ihr das Pferd "Comingo" vor. Nach drei Proberitten wurde der Kauf zu einem Kaufpreis von 55.000 Euro besiegelt. In der Folge stellte sich heraus, dass das Pferd nicht so einfach zu handhaben war. Es ließ sich kaum longieren und musste beim Aufsteigen festgehalten werden. Die Reiterin erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag wegen eines "Sachmangels". Das Pferd habe nicht die vereinbarte Beschaffenheit. Der Verkäufer wollte von einem Rücktritt nichts wissen. An sich handele es sich bei Comingo um ein braves und leicht zu handhabendes Pferd.

Die Entscheidung:

Das OLG Oldenburg hat der Reiterin Recht gegeben.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts haben die Parteien eine sog. Beschaffenheitsvereinbarung getroffen. Das Pferd habe leicht zu handhaben sein sollen. Dies sei aber nicht der Fall. Zeugen hätten bestätigt, dass sich das Tier misstrauisch verhalte, sich in der Box nicht greifen lasse und nervös und unberechenbar sei. Einer hinzugezogenen Sachverständigen gelang es zwar, unter großer Vorsicht das Pferd zu longieren. Es handele sich aber um ein sehr sensibles Tier, für dessen Handhabung besondere Erfahrungen notwendig seien, so die Sachverständige. Es sei für einen Anfänger nicht geeignet. Trotz der Proberitte sei nicht davon auszugehen gewesen, dass der Reiterin der Mangel des Pferdes umfassend bekannt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht bekannt gewesen sei, was eine Rücktrittsberechtigung ausgeschlossen hätte. Die Reiterin habe dem Verkäufer auch keine Frist zur Nacherfüllung setzen müssen. Eine Nacherfüllung durch Lieferung eines Ersatzpferdes scheide aus. Denn die Parteien hätten sich auf den Verkauf dieses bestimmten Pferdes und nicht auf die Lieferung eines quasi "austauschbaren" Pferdes geeinigt.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg Nr. 28/2018 v. 18.06.2018

Praxisanmerkung:

Das Urteil zeigt, wie wichtig Ankaufsuntersuchungen und ein ausgiebiges Testen des gekauften Pferdes sind. Da die Käuferin hier eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen hat mit dem Verkäufer, konnte sie erfolgreich vom Kaufvertrag über das Pferd zurücktreten. Sinnvoll kann es auch sein, eine entgeltliche Probezeit zu vereinbaren im Kaufvertrag. In jedem Fall sollten Wunscheigenschaften in einem schriftlichen Kaufvertrag benannt und als Beschaffenheitsvereinbarung ausdrücklich bezeichnet werden, um spätere Rechtstreitigkeiten zu vermeiden. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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