Ein Radiologe, der im Auftrag des behandelnden Frauenarztes eine Mammographie vornimmt, haftet der Patientin für die Richtigkeit seiner Empfehlung an den Frauenarzt, auch wenn die Patientin mit ihm gar keinen Behandlungsvertrag geschlossen hat (OLG Thüringen, Urteil vom 15.10.2008 - 4 U 990/06 - ).

Weitere Leitsätze des Urteils:

Der Frauenarzt, der an den Radiologen überwiesen hat, muss Zweifeln an der Richtigkeit der ihm übermittelten Empfehlung nachgehen. Im vorliegenden Fall hatte der Radiologe dem Frauenarzt empfohlen, erst in zwei Jahren eine Kontrolluntersuchung durchführen zu lassen. Geht der Frauenarzt diesen Zweifeln nicht nach, hat er wie der beauftragte Arzt für die Richtigkeit der Begleitempfehlung des Radiologen einzustehen (auch wenn diese nicht von ihm selbst stammt). Der Frauenarzt haftet also für eine Krebserkrankung der Patientin, die wegen der falschen Empfehlung des Radiologen zu spät erkannt wurde.

Bei der Bewertung einer im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung auszuwertenden Mammographie gelten die gleichen Maßstäbe wie auch sonst bei einer Diagnoseerstellung. Das bedeutet, dass die Wertung einer objektiv fehlerhaften Diagnose eine vorwerfbare Fehlinterpretation erhobener Befunde oder die Unterlassung für die Diagnosestellung oder ihre Überprüfung notwendiger Befunderhebungen voraussetzt.

Da die Symptome einer Erkrankung nicht immer eindeutig sind, können Diagnoseirrtümer, die objektiv auf eine Fehlinterpretation der (erhobenen) Befunde zurückzuführen sind, nur mit Zurückhaltung als - im Haftungsregime des Arztes relevanter - Behandlungsfehler gewertet werden. Dies greift nur dann nicht, wenn Symptome vorliegen, die für eine bestimmte Erkrankung kennzeichnend und eindeutig sind, vom Arzt aber nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Kann eine Fehlinterpretation des Befundes einer Mammographie im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung danach nicht als grob fehlerhaft bewertet werden, kommen der Patientenseite grundsätzlich keine Beweiserleichterungen im Hinblick auf eine (möglicherweise) zu spät erkannte Krebserkrankung (hier: Mammakarzinom) zu. Daher bleibt es in diesem Fall bei der vollen Beweislast des Patienten, dass die (einfache) Fehlbefundung bzw. die in Folge des Diagnoseirrtums ausgesprochene (fehlerhafte) Empfehlung einer zu weitmaschigen Kontrolluntersuchung für die Zuspäterkennung der erst Jahre später erkannten Krebserkrankung ursächlich war.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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