(28.4.2020) Morddrohungen im Internet sind ein Phänomen, das immer häufiger auftritt. Derzeit hat es den bekannten Virologen und Arzt Christian Drosten erwischt, wie die ZEIT berichtet. Muss man solche Drohungen ernst nehmen? 

Morddrohungen im InternetDas Internet eröffnet Menschen die Möglichkeit, sich anonym zu aktuellen Themen zu positionieren und ihre Meinung zu sagen. Das ist gut und wichtig. Allerdings eröffnet die Anonymität solcher Meinungsäußerungen auch erhebliche Mißbrauchsmöglichkeiten. Davon können nicht nur Ärzte, die sich mit falschen oder übertriebenen Bewertungen auf Ärztebewertungsportalen wie jameda.de herumschlagen müssen, ein Lied singen. Auch die poltische Meinungsbildung kann durch gefälschte Meinungsäußerungen durch sog. bezahlte Kommentatoren oder Troll-Armeen beeinflusst werden. Hier ist zum Beispiel der Versuch russischer Personen zu nennen, die mittels gelenkter Kommentare und Meldungen die politische Meinungsbildung in Europa und den Vereinigten Staaten zu lenken versuchen und dies teilweise auch schaffen.  

Morddrohungen als Mittel der Diskussion?

Nun hat auch der bekannte Virologe Drosten Morddrohungen erhalten. Seine fachlich fundierten Äußerungen zur Corona-Pandemie finden Gehör. Er warnt u.a. vor vorzeitigen Lockerungen der Corona-Eindämmungsmaßnahmen und macht damit von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch. Dabei verleiht seine fachliche Expertise seinen Worten zusätzliches Gewicht. Das passt manchen nicht. Sie kritisieren seine Wertungen und Schlußfolgerungen. Manche können den fachlich begründeten Äußerungen des Arztes aber nur wenig entgegensetzen - und sprechen nun Morddrohungen aus. 

Soziale Medien ignorieren

Nach meiner anwaltliichen Erfahrung sind solche Morddrohungen aber ebenso zu ignorieren wie negative Kommentare auf sozialen Medien. Überhaupt sind Kommentare auf sozialen Medien grundsätzlich zu ignorieren. Denn zum einen sind diese Kommentare oft fachlich derart inkompetent, dass sich eine Auseinandersetzung damit nicht lohnt. Zum anderen ist oft die schiere Zahl der Kommentare so groß, dass es zeitlich kaum zu schaffen wäre, sich mit allen auseinanderzusetzen. Und wer einmal in eine "Diskussion" mit Kommenatoren einsteigt, läuft Gefahr, sich darin zu verfangen, da Rechtfertigungen und Erklärungen der eigenen Meinung oft nur weitere Kommentare und weitere Kritik nach sich ziehen und sogar in einem Shit-storm enden können. Und welcher erwachsene Mensch mit einem Beruf, der ihn zeitlich beansprucht, soll wirklich seine Zeit damit verbringen, mit ihm unbekannten Menschen, die anders als er selbst oft aus dem Schutz der Anonymität heraus sprechen, zu diskutieren? Wenn ein Mensch auf der Straße, am Telefon oder per Brief mit mir über ein Thema diskutiert, kann ich mich damit auseinandersetzen. Mit einer anonymen Äußerung muss ich mich nicht auseinandersetzen, denn es ist nur ein virtuelles Gespräch, in dem die bei einem direkten, echten Gespräch bestehende Gewalthemmung weitgehend aufgehoben ist. Anders gesagt: Im Internet ist man schnell mal mit einer Beschimpfung des Gegenübers bei der Hand, auch Unterstellungen oder Falschbehauptungen gehen dort schnell mal von den Lippen. Ist ja weitgehend folgenlos, wie die Grünen-Politikerin Renate Künast schmerzlich erleben musste

In diese Gespräche einzusteigen ist daher nicht angeraten. Drohungen gegen die eigene Person sind zu ignorieren. Wenn jemand auf der Straße mich bedroht, so nehme ich dies ernst. Ich kann auch darauf reagieren, etwa indem ich die Person anzeige, die Polzei rufe etc. Eine Morddrohung im Intrenet ist dagegen eine rein virtuelle Sache. Da kann ein frustrierter und üpellauniger Mensch, der sonstwie weit weg wohnt von mir, Verwünschungen in die Tastatur tippen, so viel er will - es wird mich nicht interessieren und ich werde ihm nicht die Aufmerksamkeit schenken, darauf zu reagieren.

Abwehr negativer berufsbezogener Bewertungen aber sinnvoll

Dagegen ist es durchaus sinnvoll, berufsbezogene Bewertungen auf speziellen Plattformen, die Bürger zur Orientierung nutzen, zu beobachten und gegegebenfalls auch gegen dort beäußerte Bewertungen vorzugehen, wenn sie unberechtigt sind. Hier ist zum Beispiel die Plattform jameda.de zu nennen, auf der Menschen Ärzte bewerten können. Eine dort ausgesprochene Bewertung kann nämlich direkten Einfluß auf die ärztliche Tätigkeit nehmen - negative Bewertungen können den Arzt schlicht Kunden kosten. Die vielen Urteile, die Ärzte gegen negative unberechtigte Wertungen auf der Plattform jameda.de erstritten haben, zeigen, dass es durchaus notwendig sein kann, sich in diesem - berufsbezogenen - Kontext zu wehren, wenn man sich falsch bewertet fühlt.

Über den allgemeinen Umgang mit sozialen Medien

Hier zeigt sich auch ein grundsätzliches Mißverständnis vieler Menschen vom Sinn und Zweck sozialer Medien: Der Sinn sozialer Medien ist (leider) nicht die sachliche Diskussion. Sachliche Diskussion findet nur in wenigen Foren und Formaten statt. Überwiegend sind soziale Medien ein reines Mittel der Selbstdarstellung im virtuelen Raum, ein Ruf nach Aufmerksamkeit. So kann jeder, der ein Geschäft betreibt oder etwas verkaufen will, soziale Medien als kostenlose Werbeplattform nutzen. Man schaue nur auf das Heer kleiner Selbständiger (z.B. Fitneßlehrer), die über instagram oder youtube für sich und ihre Dienste werben können - kostenlos. Auch Staatschefs und Politiker nutzen z.B. twitter zur Selbstdarstellung und Werbung. Es wäre nun aber falsch, wenn diese Werbenden in die Diskussion mit ihren Lesern (vulgo: follower etc.) einsteigen. Die meisten Profis hauen auf den sozialen Medien ihre Kommentare und Meinungen raus - und reagieren nie wirklich auf die Reaktionen. Anfänger dagegen reagieren auf die Kommentare und verheddern sich in nutzlosen Diskussionen oder nehmen sich dort geäußerte Kritik oder hate-speech zu Herzen. So haben zum Beispiel mannigfaltige Kritiken die - ganz bezaubernde - Lena Meyer-Landrut verunsichert.

Nutzen Sie also soziale Medien als Äußerungsplattform - und ignorieren Sie negative Kommentare oder Drohungen. Oder haben Sie schon einmal gesehen, dass sich Profis wie Donald Trump auf twitter mit den Kommentaren im Einzelnen und sachlich auseinandersetzen oder sich diese wirklich zu Herzen nehmen? Nein, die wahren Profis nutzen negative Reaktionen auf sozialen Medien nur, um noch mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen und ignorieren sie im Übrigen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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