(6.3.2024) Leistungen nach der Corona-Testverordnung, die im Zusammenhang mit der Auswertung von PCR-Testungen vorgenommen werden, sind nur abrechenbar, sofern sie unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden. War aber während der in einer Stichprobe überprüften Tagen kein Arzt in der Teststelle anwesend, so besteht kein Vergütungsanspruch (Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 7.2.2024 – 2 K 2565/23).
(6.3.2024) Ein ausländischer Arzt, der eine deutsche Approbation beantragt, hat Anspruch auf eine Gleichwertigkeitsprüfung. Die Gleichwertigkeitsprüfung geht der Kenntnisprüfung vor. Auch wenn der ausländische Arzt bereits mehrfach durch die Kenntnisprüfung gefallen ist, kann er eine Gleichwertigkeitsprüfung verlangen. Der Arzt kann auch nicht wirksam auf das Recht zur Gleichwertigkeitsprüfung verzichten (Sächsisches Oberverwaltungsgericht Bautzen, Urteil vom 29.8.2023 - 2 A 370/22). Die Entscheidung stärkt die Rechte ausländischer Ärzte und macht den Gesundheitsämtern, die ausländischen Ärzte vermehrt die Gleichwertigkeitsprüfung zu verwehren suchen, einen Strich durch die Rechnung.
(5.3.2024) Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung darf der Arzt seine (unvollständige oder ungenaue) Abrechnungsdiagnose ergänzen und korrigieren durch Vorlegen der Behandlungsdokumentation. Hat er zuerst eine (falsche) Abrechnungsdiagnose gestellt (hier: u.a. Enzephalitis), so verbietet ihm dies nicht, in der Wirtschaftlichkeitsprüfung "nachzulegen" und mittels Vorlage seiner Behandlungsdokumentation nachzuweisen, dass er ein Medikament (hier Tecfidera) ordnungsgemäß und mit gutem Grund verordnet hat (hier: zur Behandlung von Multipler Sklerose) (Sozialgericht Marburg, Urteil vom 14.2.2024 – S 18 KA 96/23).
(29.2.2024) Der vom BGH vor langem entwickelte Grundsatz, dass ein Arzt sich gegen den Vorwurf mangelhafter Aufklärung darauf berufen kann, seine Patienten immer in (rechtmäßiger) Weise aufzuklären (sog. Immer-so-Verteidigung), ist nicht auch auf Behandlungsfehler übertragbar (Landgericht München, Beschluss vom 6.12.2023 - 1 O 1722/22 Hei). Denn die rechtliche Lage bei der Aufklärung unterscheide sich von der einer Behandlung.
(22.2.2024) Ärzte müssen ihre Leistungen bei der Behandlung von Privatpatienten und Selbstzahlern zwingend nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechnen. Dagegen müssen Ärzte-GmbH oder MVZ in der Rechtsform einer GmbH ihre am Patienten erbrachten Behandlungsleistungen nicht nach der GOÄ abrechnen. Vielmehr können Ärzte-GmbH oder MVZ in der Rechtsform einer GmbH das Entgelt für die Behandlung mit dem Patienten frei aushandeln. Diese GmbH dürfen die Behandlungsverträge auch selbst mit den Patienten schließen und diese Verträge sind auch nicht formbedürftig (Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 21.09.2023 - 6 W 69/23). Diese Entscheidung des OLG Frankfurt ist kritisch zu hinterfragen.
(19.2.2024) Die Abrechenbarkeit der GOP 35100 und 35110 EBM erfordert keine codierte F-Diagnose. Der Arzt kann diese Leistungen auch dann nachweisen, wenn sie nicht mittels F-Diagnose codiert sind, wenn er der Prüfungsstelle die entsprechende Behandlungsdokumentation vorlegt, aus der sich eine funktionelle Störung und zugleich eine seelische Belastung des Patienten ergeben. GOP 35110 dürfe nicht fallbezogen geprüft werden von der Prüfstelle, weil diese Leistung auch mehrfach im Quartal erbracht werden könne (Sozialgericht Marburg, Urteile vom 31.1.2024 - S 17 KA 319/21 und S 17 KA 320/21).
(15.2.2024) Eine Online-Versandapotheke darf zwar Stammdaten, wie den Namen, die Anschrift und die Zahlungsinformationen verarbeiten. Daneben kann einzelfallbezogen auch das Geburtsdatum bzw. das Geburtsjahr verarbeitet werden, wenn dies im jeweiligen Fall erforderlich ist. Es ist einer Online-Versandapotheke aber aus Gründen des Datenschutzes untersagt, das Geburtsdatum und die Anrede bei allen Bestellvorgängen zu erfassen und zu verarbeiten, es sei denn, der Kunde hat dafür ausdrücklich seine Einwilligung erteilt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. Januar 2024 – 14 LA 1/24).
(12.2.2024) Weiter streiten sich Sozialgerichte und Verwaltungsgerichte über die Frage, welches Gericht denn nun zuständig ist für die Klagen der Betreiber von Corona-Testzentren auf Zahlung der austehenden Vergütungen von Corona-Tests nach der Testverordnung (TestV). Zwar hatte das Bundessozialgericht als höchstes Sozialgericht entschieden, dass die Verwaltungsgerichte zuständig seien (B 6 SF 1/23 R). Viele glaubten, damit sei der Streit der Gerichte beigelegt. Nun hat aber unter anderem das Verwaltungsgericht Hamburg genau andersherum entschieden (VG Hamburg, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 5 K 4395/23). Welche Auswirkungen hat dieser Streit für Betreiber von Testzentren, die ihre Testvergütung einklagen wollen?
(12.2.2024) Auch wenn keine rechtliche Pflicht zu einer bestimmten Diagnostik (hier: Fertigen eines CTG) bestand, muss der Arzt doch die Ergebnisse dieser durchgeführten Diagnostik (hier: CTG war auffällig) beachten und ihnen weiter nachgehen. Erkennt der Arzt einen Befund (hier Bandbreite von 25 Schlägen pro Minute), ordnet diesen aber (fälschlicherweise) als nicht auffällig ein, so liegt (nur) ein Diagnoseirrtum des Arztes vor, nicht aber ein (schwerwiegenderer) Diagnoseirrtum. Unterläßt der Arzt in Folge eines (einfachen) Diagnoseirrtums aber weitere Diagnostik, so darf dies wegen der Sperrwirkung des Diagnoseirrtums nicht als (zusätzlicher) Befunderhebungsfehler gewertet werden. Ist der Diagnoseirrtum dagegen allerdings als grob einzuschätzen, so greift diese Sperrwirkung nicht ein, so dass in der Folge doch ein grober Fehler vorliegt. Im Ergebnis haftete die Gynäkologin für den Hirnschaden des Kindes vollumfänglich (OLG München, Urteil vom 25. Januar 2024 – 24 U 2058/22).
(7.2.2024) Ein pauschaler Vortrag des von dem Regress betroffenen Arztes, mehr Patienten mit bestimmten (psychosomatischen) Erkrankungszuständen zu behandeln als andere Praxen, reicht regelmäßig nicht aus, um sich gegen einen Regress zu verteidigen - dazu muss der Arzt detailliert und unter Beifügung von Belegen vortragen. Auf Vertrauensschutz kann sich ein Arzt nur berufen, wenn die Prüfstelle ihm schriftlich mitgeteilt hätte, in welchem Umfang er bestimmte Leistungen nunmehr oder in Zukunft als wirtschaftlich erbracht angesehen werden könnten - und dies war vorliegend nicht geschehen (Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.11.2023 - L 4 KA 5/22).
(2.2.2024) Tritt während einer Anästhesie unter maschineller Beatmung eine Sauerstoffunterversorgung der Patientin ein (Blutsauerstoffgehalt von weniger als 40%), so hat der Anästhesist die Patientin von der maschinellen Beatmung zu trennen und ein anderes funktionierendes Beatmungsgerät einzusetzen oder erforderlichenfalls eine Mund-zu-Tubus-Beatmung durchzuführen. Tut er dies nicht und verläßt sich trotz eingetretener Hypoxie-Anzeichen auf die Richtigkeit der Angaben des Beatmungsgerätes, die eine ausreichende Sauerstoffsättigung anzeigen, so haftet er der Patientin, die infolgedessen einen Hirnschaden erlitten hat, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld (Oberlandesgericht München, Endurteil vom 25.01.2024 – 24 U 2706/19).
(29.1.2024) Der Apothekerin wurden mehrere Verstöße gegen Vorschriften des BtMG in Gestalt der nicht ordnungsgemäßen Nachweisführung vorgeworfen. Dieser Verstoß gegen Vorschriften, die in erster Linie der Überwachung des BtM-Verkehrs und im Fernziel dem Gesundheitsschutz dienen, ist für sich allein genommen aber nicht ausreichend, um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine konkrete Gesundheitsgefahr zu begründen (im Sinne dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, § 64 Abs. 4 Nr. 4 AMG) und damit eine vorläufige Schließung der beiden Apothekenfilialen der Apothekerin zu rechtfertigen (Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 2.1.2024 - M 26b E 23.5834).
- Zur (Schein)Selbständigkeit einer Augenärztin in einer Privatpraxis: Bundessozialgericht 12-12-2023
- Corona-Testcenterbetreiber scheitert mit Klage auf Zahlung von Testvergütungen wegen mangelhafter Dokumentation der Corona-Tests: Verwaltungsgericht Weimar 07-08-2023
- Nachbesetzung Psychotherapie: Muss der Praxiskäufer das gleiche Richtlinienverfahren ausüben wie der Praxisabgeber? Sozialgericht Marburg 11-12-2023
- Nachbesetzung einer Arztpraxis scheitert, wenn Fallzahl der Praxis zu gering ist: Landessozialgericht Baden-Württemberg 15-11-2023