(6.7.2022) Versorgt ein kleineres Krankenhaus Schlaganfallpatienten unter telemedizinischer Hinzuziehung von Fachleuten einer größeren Klinik, so ist eine engmaschigste Vernetzung erforderlich, um eine zeitnahe und fachkundige Versorgung dieser Patienten zu gewährleisten. Erforderlich sind detaillierte Regelungen, wer für was zuständig ist. Diese können beispielsweise in einer SOP (Standard-Operating-Procedure) niedergelegt werden. Werden diese Grundsätze verletzt und verzögert sich dadurch die Behandlung des Schlaganfallpatienten, so dass es zu Schäden des Patienten kommt, so haftet die Klinik aus einem Organisiationsverschulden, dies auch für Versäumnisse der größeren Klinik (Landgericht München II, Urteil vom 10. Mai 2022 – 1 O 4395/20 Hei).
(5.7.2022) Beschäftigte einer Klinik haben keinen Anspruch auf Teilnahme an einem Sommerfest, wenn sie die von der Klinik geforderten Vorgaben zum Schutz vor dem Coronavirus nicht einhalten (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluß vom 1.7.2022 - 6 Ta 673/22).
(30.6.2022) Ein Praxisinhaber (hier ein Zahnarzt) ist verpflichtet, seine Patienten bei werbenden Darstellungen darauf hinzuweisen, wenn ein dort tätiger Arzt angestellt tätig ist. Andernfalls verstößt er gegen die Berufsordnung der Ärzte bzw. Zahnärzte, handelt wettbewerbswidrig und muss dies unterlassen (Landgericht Aurich, Urteil vom 20.1.2022 - 2 O 895/19). Es ist dem Zahnarzt auch verboten, eine bereits etablierte Behandlungsmethode (hier: Intraoralscanner-Verfahren) als "bahnbrechend" oder sinngemäß als neu zu bewerben, ebenso wie er nicht behaupten darf, dieses Verfahren mache das Fertigen von Zahn-Abdrücken überflüssig, da dies nicht immer der Fall ist.
(20.6.2022) Rechnet ein Zahnarzt Zahnlaborleistungen für Kronen etc., die in der Türkei hergestellt wurden, als Eigenleistungen zu einem höheren Preis als dem tatsächlich an das Fremdlabor gezahlten Preis ab, so betrügt er die Kassenzahnärztliche Vereinigung in gewerbsmäßiger Weise um den Differenzbetrag. Der Zahnarzt kann sich dabei nicht darauf berufen, von der Abrechnung überfordert gewesen zu sein (Amtsgericht Wuppertal, Urteil vom 5. Mai 2022 – 12 Ls-20 Js 796/17-43/21).
(16.6.2022) Eine Berufs-Ausübungsgemseinchaft von Ärzten (BAG) kann - anders als ein MVZ oder eine Klinik oder einzelne Ärzte - nicht an der Ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) teilnehmen (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 8. April 2022 – L 12 KR 546/21).
(10.6.2022) Ein Arzthaftungsanspruch eines Patienten gegen den ihn behandelnden Arzt kann nicht zeitlich unbegrenzt verfolgt werden. Nach Ablauf von drei Jahren ab Kenntnis von Schaden (Behandlungsfehler) und Schädiger tritt Verjährung ein. Wann aber hat der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von einem Behandlungsfehler? Diese Kenntnis ist jedenfalls regelmäßig dann zu bejahen, wenn der Patient oder sein Anwalt Kenntnis von einem Privatgutachten hat, das einen Behandlungsfehler bejahte (OLG Dresden, Beschluss vom 9. Mai 2022 – 4 W 230/22).
(1.6.2022) Das Gericht hat erhebliche Zweifel, ob es zulässig ist, dass Privatärzte, die nicht Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen sind, zur Finanzierung des Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen beitragen müssen (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17.3.2022 - L 4 KA 3/22 B ER).
(27.5.2022) Coronakritische Arbeitnehmer zeigen sich kreativ bei der Umgehung der Infektions-Schutzvorschriften: Eine Zeitlang nutzten sie dazu vor allem gefälschte Impfnachweise. Andere nutzten zweifelhafte ärztliche Atteste, die sie von der Maskenpflicht befreien sollten. All das hatte wenig Erfolg. Daneben gibt es auch die Masche, Genesenennachweise zu fälschen. Allerdings berechtigt eine solche Fälschung eines Justizmitarbeiters seinen Arbeitgeber zur sofortigen Kündigung, wie das Arbeitsgericht Berlin am 26.4.2022 entschied (ArbG Berlin, 26.4.2022 - 58 Ca 12302/21). Dasselbe gilt meines Erachtens auch für Mitarbeiter von Arztpraxen, Physiotherapiepraxen, Krankenhäusern und Altenheimen.
(18.5.2022) Nachdem der Bundesgerichtshof Honorarärzten die Abrechnung von Wahlleistungen im Jahr 2014 verboten hat, begannen die Kliniken, externe Ärzte in Teilzeit anzustellen und ihnen die Liquidationsrechte eines Wahlarztes einzuräumen. Das Amtsgericht Bielefeld hatte nun über eine private Abrechnung einer niedergelassenen Kassenärztin zu entscheiden, die 4 Stunden in einer Klinik angestellt war und der von der Klinik ein Liquidationsrecht eingeräumt worden war (AG Bielefeld, Urteil vom 20.5.2021 - 406 C 131/20). Das Gericht sprach der Ärztin das geforderte Wahlleistungsentgelt von rund 2.000 € zu. Die Entscheidung ist kritisch zu hinterfragen.
(12.5.2021) An sich können nur Chefärzte Wahllarzteistungen erbringen, ausnahmsweise auch deren ständige Vertreter, wenn der Chefarzt einmal unvorhergesehen verhindert ist. Das Landgericht Regensburg will nun einer Klinik auch für Behandlungen durch einen Oberarzt Wahlarztentgelte zusprechen: Hat eine Oberärztin besondere Erfahrungen und Kenntnisse auf dem betreffenden medizinischen Fachgebiet und ist sie in der Wahlleistungsvereinbarung zwischen dem Chefarzt und dem Patienten als gewünschte Stellvertreterin des Chefarztes benannt, so liege ebenfalls ein Fall der wirksamen Wahlarztleistung vor (LG Regensburg, Urteil vom 22. Februar 2022 – 23 S 63/21). Die Entscheidung bedarf einer kritischen Würdigung.
(11.5.2022) Vertragsärzte können Leistungen auch durch genehmigte Assistenten und angestellte Ärzte erbringen (vgl. § 15 Abs. 1 BMV-Ä). Ermächtigte Ärzte dagegen können dies nicht, sie müssen die Leistungen selbst erbringen und dürfen sie nicht durch Oberärzte und Stationsärzte erbringen lassen. Andernfalls muss der ermächtigte Arzt (hier: Chefarzt) die Honorare wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur persönliche Leistungserbringung zurückzahlen. (Sozialgericht München, Urteil vom 16. März 2022 – S 38 KA 300/19).
(17.5.2022) In Kliniken tätige Ärzte erbringen viele Überstunden. Die Bezahlung der Überstunden ist häufig ein Streitpunkt. Die Vergütung von Überstunden kommt dabei grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer nachweisen kann, dass er die Überstunden erbracht hat und dass diese vom Arbeitgeber angeordnet waren oder von ihm gebilligt wurden (BAG, Urteile vom 4.5.2022 - 5 AZR 359/21; 5 AZR 451/21; 5 AZR 474/21). Um Überstunden bezahlt zu bekommen, sollte der Arzt darüberhinaus mit seinem Dienstherren eine entsprechende Regelung zur Überstundenvergütung treffen. Diese Problematik stellt sich im übrigen ebenso für Ärzte, die zum Beispiel in einem MVZ oder einer Arztpraxis angestellt sind.
- Zu den Aufklärungspflichten bei einer Occluder-Herzoperation: OLG Dresden 16-02-2022
- Empfindliche Geldstrafe und teilweises Berufsverbot für Arzt, der massenhaft falsche Maskenatteste erstellte: Amtsgericht Passau 02-05-2022
- Werbung mit "Kinderzahnarzt" und "Kieferorthopäde" ist irreführend und zu unterlassen: Bundesgerichtshof 07-04-2022
- Ärzte und Kliniken müssen Kopien der Behandlungsunterlagen der Patienten auch an deren Krankenkasse herausgeben: Landgericht Kassel 02-03-2022