(8.2.2023) Der Arzt ist nicht verpflichtet, dem Patienten nach dem Aufklärungsgespräch über die Risiken einer Operation eine bestimmte Bedenkzeit einzuräumen, bevor dieser in die Behandlung einwilligt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.12.2022 - VI ZR 375/21).
(3.2.2023) Bei einer im wesentlichen komplikationsarm verlaufenden Geburt kam es zu einem eingeengten CTG es entwickelte sich eine Entzündung der Gebärmutterfruchthülle der Mutter, was eine nicht seltene Komplikation bei der Geburt ist. Das Kind wurde deshalb per Kaiserschnitt entbunden. Nach der Geburt zeigte sich, dass das Kind einen Schlaganfall erlitten hatte. Nach sachverständiger Beratung verneinte das Gericht aber Schadensersatz – und Schmerzensgeld Ansprüche des nun behinderten Kindes (Landgericht Flensburg, Urteil vom 16. Dezember 2022 – 3 O 313/20).
(26.1.2023) Zulassungsverfahren für Ärzte dauern oft mehrere Monate, insbesondere wenn unterlegene Konkurrenten Widerspruch einlegen. Im Verlauf dieser Verfahren kann es daher dazu kommen, dass ein angestellter Arzt, für den eine Zulassung erteilt wurde, wegzieht oder eine andere berufliche Tätigkeit aufnimmt und daher nicht mehr für die vertragsärztliche Versorgung zur Verfügung steht. Fraglich ist, ob dann die anderen, unterlegenen Bewerber automatisch den Zuschlag erhalten oder ob das Zulassungsverfahren neu aufgerollt werden muss. Das Sozialgericht München hat nun entschieden, dass in einem solchen Fall eine Klage eines vormals unterlegenen Mitbewerbers auf Erteilung der (nun freiwerdenden) Zulassung unzulässig ist und dass die Zulassung gegebenenfalls neu auszuschreiben ist (SG München, Urteil vom 23. November 2022 – S 38 KA 35/21).
(11.1.2023) Die Entnahme und Einfügung von Eigenfett im Rahmen sogenannter Schönheitsoperationen ist mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden, wie dieser aktuelle, vor dem Bundesgerichtshof verhandelte Fall eines Schönheitschirurgen aus Düsseldorf zeigt. Weil der Arzt seine - nach der Operation verstorbenen - Patientinnen nicht über diese Risiken aufgeklärt hatte, wurde er 2021 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer über dreijährigen Haftstrafe verurteilt und ihm wurde ein vierjähriges Berufsverbot auferlegt. Diese Entscheidung hat der BGH nun bestätigt (BGH, Beschlüsse vom 2.11.2022 - 3 StR 162/22).
Streiten Arzt und Hebamme, die zur gesamtschuldnerischen Haftung gegenüber dem an einem Geburtsschaden leidenden Kind verurteilt wurden, über der Frage, wer von beiden nun den Schaden in welcher Höhe intern zu tragen hat, so gelten auch für diese Fragen der internen Haftungsverteilung zwischen den beiden Gesamtschuldnern Hebamme und Arzt die anerkannten und gesetzlich bestimmten Regeln der Darlegungs- und Beweislast nach den Grundsätzen auch des Arzthaftungsrechts, also beispielsweise die Beweislastregel des § 630h Abs. 5 BGB, wonach bei groben Behandlungsfehlern sich die Beweislast zu Lasten der Behandlungsseite umkehrt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 284/19 –, juris).(3.1.2023)
(12.12.2022) Der Einsatz von Cytotec in der Geburtshilfe zur Einleitung der Geburt ist nach der Zulassung des Medikaments Angusta in der Geburtshilfe in der Regel fehlerhaft, wie Prütting und Wolk in einer aktuellen Übersicht herausgearbeitet haben (Prütting/Wolk, Arzthaftungsrechtliche Konsequenzen des Einsatzes von Cytotec® im Rahmen der Geburtseinleitung in Gesundheitsrecht 2022, 749-762). Mit der Zulassung von Angusta kommt damit eine intensiv geführte Debatte zu der Anwendbarkeit von Cytotec im sog. Off-Label Use zu einem Abschluß. Daraus ergeben sich konkrete Handlungsempfehlungen für Ärzte in der klnischen Geburtshilfe.
(8.12.2022) Die Medien beschreiben erhebliche Impfschäden infolge der flächendeckenden Covid19-Impfungen. Anwälte berichten ebenfalls über einen Anstieg dieser Impfschadensfälle und bieten in diesem Zusammenhang ihre Dienste an. Bei Licht bessehen lassen sich diese Zusammenhänge aber schwerlich bestätigen.
(13.11.2022) Ärzte haben berufsrechtswidrige Heilmittelwerbung zu unterlassen. Eine hochspezialisierte Neurochirurgen, die jährlich über 200 Rückenopertionen durchführt, in der Region als einzige diese Behandlungen anbietet sowie in ihrer Praxis sowohl Diagnose, Behandlung und Nachversorgung erbringt, darf aber ihre Praxis als "Wirbelsäulenzentrum (Ortsname)" bezeichnen (Landesberufsgericht für Ärzte Stuttgart, Urteil vom 30. Juli 2022 – LBGÄ Nr. 01/2022).
(10.11.2022) Die Regelung in § 45 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV, wonach ein Widerspruch eines Arztes gegen einen belastenden Verwaltungsakt der KV bzw. der Zulassungsausschüsse als zurückgenommen gilt, wenn die bei Einlegung des Widerspruchs nach § 46 Ärzte-ZV zu entrichtende Gebühr nicht fristgerecht gezahlt wird, ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und unwirksam (Bundessozialgericht, Urteil vom 7.9.2022 - B 6 KA 11/21 R).
(3.11.2022) der Verbandskostenregress gegen eine internistisch – chirurgisch tätige Gemeinschaftspraxis u.a. wegen Verordnung von teuren silberhaltigen Feuchtverbänden zur Behandlung eines offenen, lymphodematösen Beins im Wege der Einzelfallprüfung ist unzulässig, so das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in einer aktuellen Entscheidung. Das Gericht monierte hier, dass das Prüfgremium eine Einzelfallprüfung durchgeführt hatte, ohne zuvor eine Richtgrößenprüfung angesetzt zu haben. Denn die Richtgrößenprüfung ist zwingend vorrangig (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.8.2022 - L 5 KA 15/21).
(28.10.2022) Die Kassenärztliche Vereinigung kann den Nachweis der Unrichtigkeit der vertragsärztlichen Abrechnung nicht allein darauf stützen, dass die zusammengerechneten Prüfzeiten (z.B. GOP 21213: 17 Minuten) in der Summe der Arbeitszeit die Grenze von 780 Stunden im Quartal überschreitet. Um eine Implausibilität zu belegen, muss vielmehr nachgeweisen werden, dass die Prüfzeiten den notwendigen Zeitaufwand für die Erbringung der Leistung darstellen. Dies war hier nicht der Fall, weshalb das Sozialgericht Dresden den Rückforderungsbescheid aufhob (SG Dresden, Urteil vom 7.9.2022 – S 25 KA 173/17).
(26.10.2022) Wirft eine Patientin einem Krankenhaus vor, dort habe man sie vor einer Hirnoperation falsch aufgeklärt, weil ein Aufklärungsformular verwendet wurde, wonach es "selten" zu schweren bleibenden Störungen kommt, obwohl in ihrem konkreten Fall ein bis zu fünfzigprozentiges Risiko für eine bleibende Störung (hier: unter anderem Lebensgefahr und Gerfahr neurologischer Störungen) bestand, so hat das Gericht sich mit diesem Vorbringen auseinander zu setzen und zu prüfen, ob der aufklärende Arzt damit die Risiken der Operation nicht in unerlaubter Weise verharmlost hat (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.08.2022 - VI ZR 342/21).
- Urteil: Zeiterfassung ist verpflichtend für Arbeitgeber - gilt dies auch für Arztpraxen und Krankenhäuser?
- Corona: Tätigkeitsverbot für impfunwilligen Zahnarzt: Oberverwaltungsgericht Lüneburg 08-09-2022
- Gesundheitsamt darf nicht gegen Corona geimpfter Praxismitarbeiterin verbieten, die Arztpraxis zu betreten: Oberverwaltungsgericht Koblenz 02-09-2022
- Niedergelassener Arzt darf sich bei Tätigkeit für "Ärzte ohne Grenzen" vertreten lassen: Sozialgericht München 02-06-2022