(12.1.2022) Muss ein Gewerbemieter sein Geschäft aufgrund behödlicher Anweisung schließen, so kann er eine Anpassung seines Mietzinses verlangen, wenn die wirtschaftlichen Nachteile ein solches Ausmaß erreicht haben, dass eine solche Anpassung der Miete erforderlich ist. Dabei sind aber nicht nur die verlorenen Betriebseinnahmen zu berücksichtigen, sondern der Mieter muss sich auch anrechnen lassen, was er durch Corona-Hilfsfonds, Betriebsschließungsversicherungen etc. als Ausgleich für die Schließung seines Geschäfts erhalten hat. Die behördlichen Betriebsschließungsanordnungen stellen aber keinen Mietmangel dar, der zu einer Mietminderung berechtigte (Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.1.2022 - XII ZR 8/21).
(12.1.2022) Wirft die Kassenärztliche Vereinigung einem Kassenarzt schwerwiegende Verstöße gegen seine Vertragsarztpflichten vor und beantragt eine Zualssungentziehung, so kann ein freiwilliger Zulassungsverzicht taktisch sinnvoll sein, um Druck aus der Sache zu nehmen und dem Arzt einen Neustart in einer anderen Praxis zu ermöglichen. Die aktuelle Entscheidung des OLG Saarland (Urteil vom 9.12.2021 – 4 U 30/21) beleuchtet den Fall, bei dem einem Transfusionsmediziner u.a. unplausible Abrechnungen, Privatliquidationen von Kassenpatienten und Überweisungen von Patienten an eine andere Praxis vorgeworfen wurden, an der der Arzt selbst beteiligt war. Der Arzt entschloss sich zu einem Zulassungsverzicht, erwarb in einem anderen KV-Bezitk eine neue Zulassung und nahm seinen Patientestamm mit.
(11.1.2022) Mit einem Vergleich können Patient und Behandler einen Rechtsstreit um einen Behandlungs- und/oder Aufklärungsfehler zu einem schnellen und versöhnlichen Ende bringen. In dem Vergleich verpflichtet sich die Behandlungsseite einen bestimmten Schmerzensgeld- und/oder Schadensersatzbetrag an den Patienten zu zahlen und damit ist der Rechtsstreit beendet. Problematisch sind aber mögliche Spätfolgen der (fehlerhaften) ärztlichen Tätigkeit. Treten solche Folgen Jahre nach Abschluß des Vergleichs auf, so ist fraglich, ob der Vergleich diese Folgen erfasst hat (so dass der Patient dafür keine weitere Entschädigung verlangen kann) oder nicht (so dass der Patient weiteres Schmerzensgeld verlangen kann). Eine aktuelle Entscheidung des OLG Bremen beleuchtet die Frage, was von dem Vergleich erfasst wird (Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 8.7.2021 – 5 U 62/20) und zeigt auf, worauf die Parteien bei einem solchen Vergleich besonders achten müssen.
(4.1.2022) Niedergelassene Ärzte müssen als selbständige Freiberufler grundsätzlich keine Gewerbesteuer zahlen. Nimmt eine Gemeinschaftspraxis eine Ärztin als Gesellschafterin auf, die tatsächlich aber wie eine Mitarbeiterin behandelt wird, so werden sämtliche Einnahmen der Gemeinschaftspraxis gewerbesteuerpflichtig (Finanzgericht Münster, Urteil vom 26. November 2021 – 1 K 1193/18 G,F). Denn in einem solchen Fall werden die Einnahmen der Ärztin nicht durch die eigene Fachkenntnis, Leitung und Verantwortung der verbleibenden Gesellschafter erzielt (also in "selbständiger" Tätigkeit), sondern werden quasi durch eine angestellte aber eigenverantwortlich tätige Ärztin erwirtschaftet. Im Folgenden werden Strategien aufgezeigt, wie eine Gewerbesteuerpflicht vermieden werden kann.
(27.12.2021) Impfgegner und Coronaleugner tauschen sich in Telegram-Gruppen intensiv darüber aus, wie sie mittels gefälschter Impfnachweise an die begehrten digitalen Impfzertifikate kommen, die ihnen trotz fehlender Impfungen Zutritt zu Einzelhandelsgeschäften, Restaurants und Veranstaltungen verschaffen. Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Fälschungen von Impfnachweisen steigt deshalb sprunghaft an, Kontrolliert werden die Impfnachweise überwiegend von Apothekern, die dann auch die digitalen Impfzertifikate erteilen. Apotheker gehen von Betrugsversuchen in einer Größenordnung von 5 - 10 % der Zertifikatsanfragen aus. Manche Apotheker haben aber Angst, verdächtige Impfnachweise zu monieren oder gar bei der Polizei anzuzeigen - sie fürchten gewalttätige Reaktionen der Impfgegner. Sie fürchten vor allem, sich strafbar zu machen, wenn sie den Verdacht einer Fälschung der Polizei anzeigen. Welche Rechte und Pflichten hat der Apotheker in dieser Situation?
(15.12.2021) Der Arzt hat den Patienten über die Risiken einer Operation so rechtzeitig aufzuklären, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Daher ist eine Einwilligung des Patienten, die durch Unterzeichnung des Aufklärungsformulars unmittelbar nach dem Ende des Aufklärungsgesprächs erfolgt, im Regelfall unwirksam - folglich haftet die Behandlungsseite dem Patienten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld (Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 25. November 2021 – 5 U 63/20).
(9.12.2021) Grundlage der ärztlichen Behandlung ist nach wie vor die direkte Wahrnehmung des Patienten durch den Arzt. Ausnahmsweise kann ein solcher Arzt-Patienten-Kontakt nicht erforderlich sein. Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, so kann für eine solche Fernbehandlung auch geworben werden (§ 9 HWG). Im vorliegenden Fall warb eine private Versicherung mit der Fernbehandlung per App durch Schweizer Ärzte, ohne diese Behandlung auf bestimmte Krankheiten zu beschränken. Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass diese Werbung verboten ist, weil die Versicherung nicht dargelegt hat, warum in diesem Fall ein direkter Kontakt zwischen Patient und Arzt medizinisch nicht erforderlich ist (BGH, Urteil vom 9.12.2021 - I ZR 146/20).
(6.12.2021) Wirft das Personal eines Lebensmittelgeschäfts einen Kunden, der keine Mund-Nasen-Bedeckung trägt, aus dem Laden ohne das von dem Kunden mit sich geführte ärztliche Attest zur Maskenbefreiung zu beachten, so hat der Kunde keinen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen einer Verletzung des Antidiskriminierungsgesetzes (AGG) gegen das Ladengeschäft. Denn das dem Kunden attestierte chronisches Asthma ist keine Berhinderung im Sinne des AGG, insbesondere, wenn der Kläger nicht im Einzelnen vorträgt, wie schwer das Asthma ist und wie es ihn beim Tragen einer Maske im Rahmen eines kurzen, nicht mit besonderer Anstrengung verbundenen Lebensmitteleinkaufs, beeinträchtigt. Im Übrigen hat das Gericht auch Bedenken an dem vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attest, das gleichlautend mit einem Attest seiner Ehefrau vom selben Tage ist (Amtsgericht Berlin-Kreuzberg, Urteil vom 10.11.2021 . 3 C 200/21).
(30.11.2021) Für den Einsatz eines Femtosekundenlasers bei einer Operation des Grauen Stars des Auges kann der Augenarzt die GOÄ-Ziffern 1375 und 441 in Rechnung stellen, nicht aber die Ziffer 5855 GOÄ analog. Denn der Lasereinsatz stellt keine eigenständige Leistung dar. Den erhöhten Zeitaufwand kann der Augenarzt lediglich über eine Erhöhung des Steigerungssatzes ausgeglichen erhalten (Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.10.2021 - III ZR 350/20). Damit entscheidet der Bundesgerichtshof einen seit Jahren schwelenden Streit zu Lasten der Augenärzte.
(25.11.2021) Der Gesetzgeber hat gestern auf die Flut inhaltlich unrichtiger oder gefälschter Atteste und Impf- und negativen Testbescheinigungen im Zusammenhang mit der Covid19-Pandemie reagiert und die Strafen dafür drastisch verschärft. Damit soll der mittlerweile leider gängigen Praxis, dass Personen, die die Covid19-Pandemie als ungefährlich ansehen oder sich nicht impfen lassen wollen und die Corona-Schutzregeln durch Vorlage falscher Atteste zum Beispiel zur Befreiung von der Maskenpflicht oder durch Vorlage von falschen Impfbescheinigungen oder falschen negativen Testnachweisen umgehen wollen, ein wirksamer Riegel vorgeschoben werden.
(25.11.2021) Wird eine Mutter in einer Klinik direkt nach erfolgreicher Geburt mit ihrem neugeborenen Kind in ihrem Zimmer allein gelassen, um den Aufbau der Mutter-Kind-Bindung zu ermöglichen (sog. Bonding), so muss die Mutter dort eine Notrufklingel zur Verfügung stehen, damit sie bei Komplikationen schnell die Hebamme oder einen Arzt hinzurufen kann. Hat sie dagegen keine solche Klingel an ihrem Bett und kommt es zu Atemschwierigkeiten bei dem Kind, so haftet die Klinik für einen sich in Folge der Sauerstoffunterversorgung entwickelnden Hirnschaden des Kindes, weil das Fehlen einer solchen Klingel einen groben Behandlungsfehler darstellt (Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 20.9.2021 - 1 U 31/20).
(18.11.2021) Sobald eine Geburt regelwidrig verläuft, muss die Hebamme einen Gynäkologen hinzuziehen. Dies ist ihre elementare Pflicht - verletzt sie diese Pflicht, so liegt ein grober Behandlungsfehler vor. Blutungen der werdenden Mutter sind insofern ein Alarmzeichen für einen regelwidrigen Zustand. Die Hebamme muss die Unterlage, auf der die Mutter sitzt oder liegt (Vorlage genannt), rechtzeitig auf Blutungen kontrollieren. Wann diese Kontrolle nicht mehr rechtzeitig ist, hat das Oberlandesgericht Rostock in seinem Urtel herausgearbeitet (OLG Rostock, Urteil vom 5. November 2021 – 5 U 119/13).
- Auch für den Bürger ist die Verwendung falscher Atteste (hier Corona-Maskenbefreiung) strafbar: LG Freiburg 05-08-2021
- Jungpraxis mit wenig Patienten kann nicht nachbesetzt und an MVZ übertragen werden: SG Marburg 08-10-2021
- Fortbildungsnachweispflicht des Arztes gilt auch bei Zulassungswechsel: BSG 04-11-2021
- Dürfen Vertragsärzte Patienten, die nicht auf Covid19 geimpft, getestet oder genesen sind (3G), die Behandlung verweigern?