(5.9.2019) In einer unerwarteten Entscheidung verweigert das Landgericht Frankfurt einem Augenarzt die Abrechnung der femtosekundenlasergestützten Katarakt-Operation über die GOÄ-Ziffer 5855 analog (LG Frankfurt, Urteil vom 31. Mai 2019 – 2-14 S 3/18).  

Augenoperation wegen grauem Star

Der Fall:

Der Kläger ist Augenarzt und Direktor der Augenklinik der Uniklinik. Er behandelte den Beklagten, der am Grauen Star beider Augen litt. Auf einem Kostenvoranschlag, den der Beklagte postoperativ unterzeichnete, ist vermerkt: "Der Patient wird darauf hingewiesen, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen bei femtosekundenlasergestützten refraktiven Kataraktoperationen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist.“

Der Kläger operierte beide Augen des Beklagten in zwei Terminen. Er setzte dabei einen Femtosekundenlaser ein.

Dafür rechnete er insgesamt 8.043,46 € ab (GOÄ 1375: 3,5 fach: „Extrakapsuläre Operation des Grauen Stars mittels Phakoemulsifikation mit Implantation einer IOL“ sowie GOÄ 5855 analog: 2,5 fach: „femtosekundenlasergesteuerte corneale Incision und Astigmatismusmanagement“).

Nach einer Korrespondenz mit seiner Krankenkasse bezahlte der Beklagte statt der jeweils gemäß Ziffer 5855 GOÄ geltend gemachten Beträge pro Auge einen Zuschlag für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen gemäß Ziffer 441 GOÄ in Höhe von 67,49 € und somit auf die Rechnung insgesamt einen Betrag in Höhe von 6.167,52 €. Begründung: Die Laserbehandlung sei nicht medizinisch notwendig gewesen.

Der Arzt klagte u.a. auf Zahlung des Restbetrages von 1.875,94 €. Im Rahmen der Klage führte er aus, die Laserbehandlung diene der Vorbehandlung der Augen. Der Kläger hat u.a. behauptet, der Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der Kataraktoperationen sei medizinisch notwendig gewesen.
Das Amtsgericht wies die Klage des Arztes überwiegend ab.

Die Entscheidung:

Das Landgericht wies die Berufung des Arztes ganz überwiegend als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Zahlung für die Gebühren der Femtosekundenlaserbehandlung nach Ziffer 5855 analog GOÄ bestehe nicht.

Denn die Voraussetzungen für eine Analogie nach § 6 Abs. 2 GOÄ lägen nicht vor.

Es fehle an einer selbständigen Leistung. Denn die femtosekundenlasergestützte corneale Inzision sei eine Methode und ein Teilschritt der indizierten Zielleistung (Katarakt-Operation) und keine selbständige Leistung, so dass eine Abrechnung nach Ziffer 5855 GOÄ ausscheide. Der Laser stelle ein Hilfsmittel dar, mit dem sich der Arzt nicht mehr allein auf seine Augen, sein Gefühl, seine Fingerfertigkeit und seine Erfahrung verlasse, sondern sich der modernen Technik bediene, um ein besseres Operationsergebnis bzw. eine optimale Zielleistung zu erreichen. Dazu bezieht sich das LG auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2010 (AZ.: III ZR 147/09), wonach es bei Prozeduren, die der operativen Navigationshilfe dienten, maßgeblich darauf ankäme, ob die Prozeduren medizinisch notwendig gewesen seien. Dies verneinte das LG, weil hier nur die Indikation der Behandlung des Grauen Stars bestanden habe.

Entscheidend stellte das LG dabei darauf ab, dass die weitere Voraussetzung einer Analogie nach § 6 Abs. 2 GOÄ - eine nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertige Leistung - nicht erfüllt sei. Denn Ziffer 5855 befinde sich in Abschnitt O der GOÄ. Wenn die Behandlung mit dem Femtosekundenlaser nach dieser Gebührenziffer abgerechnet würde, würde die Laser(vor)behandlung mit einer Punktzahl von 6900 bewertet, während die gesamte Operation am Grauen Star nach Ziffer 1375 GOÄ, die Extrakapsuläre Operation des Grauen Stars mittels gesteuerten Saug- Spül- Verfahrens oder Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) gegebenenfalls einschließlich Iridektomie mit Implantation einer intraokularen Linse, mit nur 3500 Punkten bewertet würde. Allein dieses Missverhältnis spreche gegen eine Analogie. Es widerspräche dem der GOÄ immanenten System der Vergütungshöhe, eine vom klagenden Arzt unstreitig als Vorbereitung (zur letztlich händisch ausgeführten Incision) beschriebene Handlung mit einer fast doppelt so hohen Punktzahl zu bewerten wie die komplette eigentliche Operation des Grauen Stars.
Auch das in § 4 Absatz 2a GOÄ verankerte Zielleistungsprinzip sei nicht vereinbar mit einer Bewertung einer - wenngleich auch aufwändigen und gegebenenfalls gegenüber dem rein händischen Vorgehen vorteilhaften - vorbereitenden Behandlung mit der fast doppelt so hohen Punktzahl wie die Zielleistung - die Operation des Grauen Stars - selbst.

Praxisanmerkung:

Die Entscheidung bringt eine neue Wendung um die Debatte um die Erstattungspflicht der Femtosekundenlaserbehandlung bei Grauem Star - eine Debatte, die zuletzt in Richtung der Erstattungsfähigkeit tendierte (vgl. etwa Amtsgericht Charlottenburg, Urteil vom 19.10.18 - 238 C 184/17; Amtsgericht Köln, Urteil vom 14.11.18 – 118 C 526/17; Landgericht Köln, Urteil vom 28.2.18 – 23 O 159/15). Diese Urteile stützten sich wesentlich entweder auf medizinische Sachverständige oder werteten medizinische Stellungnahmen oder Fachaufsätze aus.

Nunmehr geht das LG Frankfurt (ohne Hinzuziehung medizinischer Sachverständiger oder ähnliches) davon aus, dass der Lasereinsatz - der von dem Arzt als „Vorbehandlung“ der Katarakt-OP bezeichnet wurde - unselbständiger Teil der Katarakt-Operation und mithin nicht über GOÄ-Ziffer 5855 analog abrechenbar sei. Auch sei die Leistung nicht gleichwertig im Sinne einer Analogie. Dabei bezieht sich das LG auf ein Urteil des BGH zur Navigationshilfe bei Operationen. Hier macht das LG zwei logische Fehler: Zum einen ist die Femtolaserbehandlung keine Navigationshilfe - und das LG durfte anderes ohne Sachverständigengutachten auch gar nicht behaupten. Zum anderen hat der BGH darauf abgestellt, dass die Hilfe selbständig (und damit analogiefähig ist), wenn sie medizinisch notwendig ist. Der klagende Arzt hatte aber behauptet, dass der Lasereinsatz medizinisch notwendig war - das LG hätte dies gutachterlich prüfen müssen, anstatt - ohne jede medizinische Sachkunde - nolens volens vom Gegenteil auszugehen.

Die weitere Begründung (der Punktwert der Hilfsleistung „Femtosekundenlasereinsatz“ liege über dem Punktwert der eigentlichen Hauptleistung Katarakt-Operation und dieses Missverhältnis spreche gegen eine Analogie) trägt nicht, weil es nach § 6 Abs. 2 GOÄ auf diese Dinge gar nicht ankommt. Nach § 6 Abs. 2 GOÄ kommt es allein darauf an, ob die Leistung (hier Femto-Lasereinsatz) nach Art, Kostenaufwand und Zeitaufwand gleichwertig ist zu der Leistung, die analog herangezogen wird (hier: GOÄ 5855: Intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen). Nach § 6 Abs. 2 GOÄ kommt es also nicht darauf an, ob die analoge Leistung mehr oder weniger wert ist als eine weitere, im Zusammenhang mit der Behandlung abgerechnete Leistung (die Katarakt-OP).
Im Übrigen sind die Feststellungen des Landgerichts (nämlich dass die Laserbehandlung eine reine Vorbereitung und daher nicht selbständig sei) medizinischer Art und das Landgericht konnte diese gar nicht ohne Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen entscheiden, weil dem Gericht auch hierfür schlicht die medizinische Sachkunde fehlt. Dass der Kläger die Laserbehandlung selbst als „Vorbereitung“ beschrieb, enthebt das Gericht nicht der Prüfung der Selbständigkeit, denn der Kläger hatte zugleich - unter Beweisantritt - behauptet, die Laserbehandlung sei selbständig.
Nicht überzeugend ist auch die weitere Begründung, wonach es mit dem Zielleistungsprinzip nicht vereinbar sei, wenn eine vorbereitende Behandlung doppelt so hoch bewertet werde wie die Zielleistung - die Operation des Grauen Stars - selbst. Das Zielleistungsprinzip soll aber nur sicherstellen, dass nur die selbständigen Leistungen nebeneinander berechnet werden dürfen, die sich nicht „gebührenwirksam inhaltlich überschneiden“. Daraus, dass eine Leistung höher bewertet wird als eine andere, ergibt sich nichts hinsichtlich einer solchen Überschneidung. Überdies setzt sich das LG nicht mit der Rechtsprechung anderer Gerichte auseinander, wie z.B. der des Amtsgerichts Köln (Urteil vom 14.11.18 – 118 C 526/17), das - sachverständig beraten - gerade keinen Verstoß gegen das Zielleistungsprinzip gesehen hat.
Auch der Hinweis des LG auf das „System der Vergütungshöhe der GOÄ“ führt nicht weiter. Denn die GOÄ enthält keine Norm, die eine Abrechnung verbietet, bei der eine Vorbehandlung teurer ist als die Hauptbehandlung.

Zuguterletzt verweigert das LG ärgerlicherweise auch noch die Überprüfung seiner Entscheidung in einer Revision. Die dafür vorgebrachte Behauptung, die Rechtsfragen bezögen sich auf einen Einzelfall und hätten keine größere Bedeutung, ist angesichts der vielen Rechtsstreitigkeiten und durchaus kontroversen Urteile zu dem Thema „Femtosekundenlaser“ nicht ansatzweise haltbar. Es wäre der Rechtssicherheit zuträglich gewesen, wenn das LG hier eine klärende höchstrichterliche Entscheidung ermöglicht hätte.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers und Berufungsklägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 23.08.2018 - Aktenzeichen 32 C 710/18 (90) - wird zurückgewiesen.
Der Berufungskläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger verlangt vom Beklagten die restliche Vergütung für den Einsatz eines Femtosekundenlasers bei der Behandlung des "Grauen Stars" an beiden Augen des Beklagten.

Der Kläger ist Augenarzt und Direktor der Augenklinik der Uniklinik in .... Der Beklagte war sein Patient.

Der Kläger führte am 03.05. 2017 am linken und am 10.05.2017 am rechten Auge des Klägers eine Katarakt-​Operation durch.

Auf den Kostenvoranschlag vom 04.04.2017, den der Beklagte am 05.04.2017 unterzeichnete, wird verwiesen (Anlage K 1, Bl. 16 ff. d. A). Dort ist vermerkt: "Der Patient wird darauf hingewiesen, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen bei femtosekundenlasergestützten refraktiven Kataraktoperationen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist."

In der Rechnung vom 07.06.2017 über insgesamt 8.043,46 € ist zusätzlich zu der mit dem 3,5 fachen Satz abgerechneten Ziffer 1375 GOÄ (Extrakapsuläre Operation des Grauen Stars mittels Phakoemulsifikation mit Implantation einer IOL") für jedes Auge jeweils mit dem 2,5 fachen Gebührensatz die Ziffer 5855 GOÄ analog (femtosekundenlasergesteuerte corneale Incision und Astigmatismusmanagement") mit je 723, 93 € abgerechnet (Anlage K 2, Bl. 18 ff, d. A.).

Nach einer Korrespondenz mit seiner Krankenkasse bezahlte der Beklagte am 21.09.2017 statt der jeweils gemäß Ziffer 5855 GOÄ geltend gemachten Beträge pro Auge einen Zuschlag für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen gemäß Ziffer 441 GOÄ in Höhe von 67, 49 € und somit auf die Rechnung insgesamt einen Betrag in Höhe von 6.167,52 €.

Der restliche Rechnungsbetrag in Höhe von 1.875,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus 8.043, 45 € vom 11.07.2017 bis zum 21.09.2017 und aus 1.875,94 € seit dem 22.09.2017 hat die Klageforderung gebildet.

Ferner hat der Kläger die Erstattung von Mahnkosten in Höhe von 10 € und der Kosten für eine Bonitätsauskunft in Höhe von 7,02 € sowie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255, 85 € verlangt.

Der Kläger hat behauptet, der Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der Kataraktoperationen sei medizinisch notwendig gewesen.

Der Kläger hat die Ansicht geäußert, die Verwendung des Femtosekundenlasers sei nach Ziffer 5855 GOÄ (Intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen) analog gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ abzurechnen. In diesem Zusammenhang hat der Kläger in der Vorinstanz ferner das das Vorliegen einer Verlangensleistung nach § 12 GOÄ geltend gemacht.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.875,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Wert i.H.v. 8043,46 € für den Zeitraum vom 11.07.2017 bis zum 21.09.2017 sowie zuzüglich Zinsen i.H.v. 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Wert von 1.875,94 € seit dem 22.09.2017 zu bezahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn Mahnkosten i.H.v. 10,00 € sowie Kosten für die Einholung einer Bonitätsauskunft i.H.v. 7,02 € zu bezahlen,

3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 255,85 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2017 zu bezahlen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Bekl. hat behauptet, der Einsatz des Femtosekundenlasers sei medizinisch nicht erforderlich gewesen, da die Vorteile dieser Operationsweise hinter deren Nachteilen zurückbleiben würden, insbesondere heile der mit einem Femtosekundenlaser durchgeführte Schnitt in der Hornhaut deutlich langsamer aus als ein Schnitt mit dem Skalpell. Der Beklagte ist der Ansicht gewesen, der Kläger habe bei seiner Abrechnung das Zielleistungsprinzip gemäß § 4 Abs. 2a GOÄ außer Acht gelassen. Daher könne der Einsatz des Lasers nicht analog Ziffer 5855 GOÄ neben der für die eigentliche Kataraktoperation maßgeblichen Ziffer 1375 GOÄ abgerechnet werden, sondern könne nur durch den Ansatz eines sogenannten Laserzuschlags gemäß Ziffer 441 GOÄ berücksichtigt werden.

Billigkeitserwägungen könnten die zwingenden Vorschriften der GOÄ nicht außer Kraft setzen. Wenn die Fachärzte für Augenheilkunde mit der von der GOÄ vorgesehenen Vergütung ihrer Arbeit nicht auskommen würden, müssten sie über ihre Verbände versuchen, die Vergütung für die einzelnen GOÄ-​Ziffern erhöhen zu lassen.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat den Beklagten mit Urteil vom 23.08.2018 verurteilt, Mahnkosten in Höhe von 10 € und Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 6.167,52 € ab 11.07.2017 bis zum 21.09.2017 an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Geeignetheit und die medizinische Notwendigkeit des Einsatzes des Femtosekundenlasers zu bejahen seien (S. 4 des Urteils).

Eine Vereinbarung zwischen den Parteien über die Verwendung des Femtosekundenlasers hat das Amtsgericht verneint, denn eine solche Vereinbarung könne nur über die Gebührenhöhe und nicht über die in Rechnung zu stellende Gebührenziffer getroffen werden. Ferner hat das Amtsgericht entschieden, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers keine eigenständige (selbständige) Leistung darstelle.

In GOÄ Ziffer 441 sei der Laser ausdrücklich genannt. Eine durch eine Analogie zu schließende Lücke wie § 6 GOÄ sie fordere, liege dagegen nicht vor. Vielmehr sei das Zielleistungsprinzip nach § 4 Absatz 2a GOÄ zu beachten, wonach der Lasereinsatz nur dem Erreichen einer anderen Leistung, der nach Ziffer 1375 (Operation des grauen Stars), diene. Da der Beklagte mit der Zahlung des reduzierten Rechnungsbetrages jedenfalls seit 11.07.2017 - 30 Tage nach Zugang der Rechnung vom 07.06.2017 - in Verzug geraten sei, schulde er Verzugszinsen und die Erstattung der Mahnkosten von 10 €. Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen dieses Urteil und macht geltend, der Einsatz des Lasers sei eine eigenständige medizinische Leistung gewesen. Dies ergebe sich auch aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten der Universitätsaugenklinik in Köln vom 11.07.2018 (Anlage 01 im Anlagenband).

Das Amtsgericht hätte hierüber jedenfalls Beweis erheben müssen, denn beide Parteien hätten unter Beweisantritt zum medizinischen Sachverhalt vorgetragen. Es stelle eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, weil das Gericht den Vortrag der Beklagten zum medizinischen Sachverhalt übernommen habe. Die medizinischen Prämissen des Gerichts seien falsch. Der Femtosekundenlaser diene einer Vorbehandlung, die bei der herkömmlichen Methode nicht angewendet würde. Die Schnittführung sei auch stets anders als bei der händischen Vorgehensweise. Ebenso unterscheide sieh der Zugang. Es handele sich um zwei selbständige konsekutive Behandlungen.

Der Femtosekundenlaser habe ferner verschiedene Vorteile gegenüber dem allein händischen Vorgehen. So führe er zu weniger Komplikationen. Die Kunstlinse sei perfekt positioniert und es gebe ein geringeres Risiko des Absinkens der Linse.

Die Rechtsprechung zur Navigationstechnik bei der Implantation einer TEP (Totalendoprothese) (BGH, Urteil vom 21.01.2010, III ZR 147/09) sei nicht anwendbar, weil anders als beim Einsatz des Femtosekundenlasers dort nicht therapeutisch eingegriffen werde und weil beim Einbau einer TEP die Navigation und die Chirurgie simultan und nicht konsekutiv erfolgen würden.

Das Amtsgericht hätte auch klären müssen, ob für die Operation des Beklagten unter Verwendung des Femtosekundenlasers eine medizinische Indikation bestanden habe und ob gerade für die Person des Beklagten der Femtosekundentaser besondere Vorteile besessen hätte und die Option einer konventionellen Operation von Hand unter medizinischen Gesichtspunkten sogar nachrangig gewesen wäre.

Die Abrechnungsziffer 441 der GOÄ sei nur eine Zuschlagsposition, wenn der Einsatz des Lasers keine eigene Leistung sei. Hier hingegen sei eine echte Analogie nach § 6 GOÄ herzustellen und die Ziffer 5855 GOÄ abzurechnen. Dies folge auch aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 24.07.2013 zur Abrechnung von LASIK-​Behandlungen (Anlage 03 im Anlagenband).

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 23.08.2018, 32 C 710/198 (90)

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.875,94 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 11.07.2017 zu verurteilen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn Mahnkosten i.H.v. 10 EUR sowie die Kosten für die Einholung einer Bonitätsauskunft i.H.v. 7,02 EUR zu bezahlen,

3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 255,85 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 % Zinspunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 25.11.2017 zu bezahlen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Beklagte bestreitet die medizinische Notwendigkeit des Einsatzes des Femtosekundenlasers. Selbst wenn sie gegeben wäre, müsse die Frage, ob das Zielleistungsprinzip nach § 4 Absatz 2a GOÄ eingehalten sei, als Rechtsfrage vom Gericht beantwortet werden.

Der Beklagte behauptet, man benötige auch beim Einsatz des Femtosekundenlasers auf jeden Fall noch ein Ultraschallgerät zum Zertrümmern des (harten) Linsenkerns. Außerdem gebe es Hinweise, dass das Risiko des wiederkehrenden Makulaödems höher sei, wenn ein Laser benutzt werde. Die anderen Risiken würden nicht beeinflusst und die Methode sei nicht überlegen.

Selbst wenn der Einsatz des Lasers medizinisch notwendig sei - was der Beklagte bestreitet - handele es sich nicht um eine selbständige Leistung. Vielmehr sei hier eine Teilleistung einer anderen gegeben. Die Teilleistung, die nur zur Erzielung des mit der Zielleistung verfolgten Ziels erbracht werde, sei nicht selbständig und werde nicht eigenständig vergütet. Außerdem bestimme sich die Zielleistung unabhängig von der Ausführungsart. Dies gelte auch bei neuen Teilschritten aufgrund der Verbesserung der Methode. Der Femtosekundenlaser sei nur eine Form der Inzision nach Ziffer 1375 GOÄ.

Auch wenn man die besseren Ergebnisse erzielen würde, wäre der Einsatz technischer Hilfsmittel nicht extra zu vergüten, was sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Navigationstechnik ergebe.

Selbst wenn das Amtsgericht eine Beweisaufnahme zur Frage der Selbständigkeit durchgeführt und ein Sachverständiger eine selbständige Leistung bejaht hätte, wäre die Klage im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Navigationstechnik (Urteil vom 21.01.2010, III ZR 147/09) aus Rechtsgründen abzuweisen gewesen. Denn eine computerunterstützte Lasertechnik, die lediglich dazu diene ein besseres Operationsergebnis bzw. eine optimale Zielleistung zu erreichen, sei lediglich ein Hilfsmittel des Operateurs aber keine selbständige Leistung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das amtsgerichtliche Urteil ist dem Kläger am 30.08.2018 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 242 d. A.). Der Eingang der Berufung des Klägers datiert auf den 24.09.2018. Die Berufungsbegründung ist am 29.10.2018 bei Gericht eingegangen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Amtsgericht hat die Klage - soweit sie mit der Berufung weiterverfolgt wird - zu Recht abgewiesen.

I. Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zunächst zu Recht den Anspruch auf Zahlung des (restlichen) Honorars gemäß Gebührenziffer 5855 GOÄ für die Behandlung beider Augen mit dem Femtosekundenlaser in Höhe von 1.875, 94 € nebst Zinsen verneint.

Die Voraussetzungen für eine Analogie nach § 6 Abs. 2 GOÄ liegen nicht vor.

Es fehlt an einer selbständigen Leistung im Sinne dieser Vorschrift.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Urteil zur Navigationshilfe ist die Frage der Selbständigkeit danach zu entscheiden, ob für die Leistung eine eigenständige medizinische Indikation besteht (BGH, Urteil vom 21.10.2010, III ZR 147/09, Rz 11).

Dies ist vorliegend zu verneinen. Die Indikation für die streitgegenständlichen Eingriffe lautete "Grauer Star". Die Leistung, der Eingriff, ist eine Katarakt-​Operation. Die Abrechnung nach Ziffer 1375 GOÄ - Extrakapsuläre Operation des Grauen Stars mittels gesteuerten Saug-​Spül-​Verfahrens oder Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation), gegebenenfalls einschließlich Iridektomie mit Implantation einer intraokularen Linse - lässt indes offen, welche Technik zum Erreichen des Operationsziels verwendet wird.

Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Navigationstechnik ist eine Leistung dann eine Teilleistung zur Erreichung der Zielleistung, wenn sie - wie die computerunterstützte Navigationstechnik - bei der durchgeführten Operation ein Hilfsmittel darstellt, so dass sich der Arzt nicht mehr allein auf seine Augen, sein Gefühl, seine Fingerfertigkeit und seine Erfahrung verlässt, sondern sich der modernen Technik bedient, um ein besseres Operationsergebnis bzw. eine optimale Zielleistung zu erreichen (BGH, Urt. V. 21.01.2010, Az III ZR 147/09).

So liegen die Dinge hier. Die femtosekundenlasergestützte corneale Inzision ist eine Methode und ein Teilschritt der indizierten Zielleistung (Katarakt-​Operation) und keine selbständige Leistung, so dass eine Abrechnung nach Ziffer 5855 GOÄ ausscheidet.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang daher, dass die Femtosekundenlaserbehandlung in einem anderen Raum als die Operation des Grauen Stars stattfindet und dass die Behandlung in zwei Schritten erfolgt. Ferner ist unerheblich, dass bei der Behandlung mit dem Femtosekundenlaser eine spezielle Planung des operativen Verfahrens erfolgen mag (vgl. zum Ganzen: Fenercioglu u.a. VersM 2018, 83).

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Klägerseite zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.03.2017 zu LASIK (Az: IV ZR 533/15). Denn in diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof lediglich entschieden, die medizinische Notwendigkeit einer LASIK-​Operation könne nicht mit der Begründung verneint werden, dass die an Kurzsichtigkeit leidende Klägerin stattdessen auch eine Brille oder Kontaktlinsen tragen könnte. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass eine Fehlsichtigkeit eine Krankheit im Sinne der Bedingungen für die private Krankenversicherung darstelle und dass die zur Beseitigung dieser Krankheit vorgenommene Operation medizinisch notwendig sei.

Übertragen auf den vorliegenden Fall ist jedoch unstreitig und unzweifelhaft, dass ein Grauer Star eine Krankheit ist und dass die Kataraktoperation zu seiner Beseitigung medizinisch notwendig ist. Damit ist indes weiterhin nicht entschieden, dass die vom Kläger auf S. 3 seines Schriftsatzes vom 06.07.2018 beschriebene Vorbehandlung mit dem Femtosekundenlaser (Vorschneiden der drei Hornhautschnitte für den Zugang zur Kataraktoperation ohne das Auge zu eröffnen, Platzierung des Entlastungsschnitts an errechneter Stelle, Vorperforation der Vorderkapsel der biologischen Linse sowie die Fragmentierung des harten Linsenkerns) eine selbständige Leistung darstellen würde, die nach Ziffer 5855 GOÄ abzurechnen wäre.

Auch die - unterstellte - besondere Schonung des Endothels und der damit verbundene Mehrwert für den Patienten ist gebührenrechtlich unbeachtlich (Amtsgericht Wuppertal, Urteil vom 04.07.2018, Az 391C 195/16, S. 4, vorgelegt als Anlage BLD 17 Bl. 217 d. A; Amtsgericht Euskirchen Urteil vom 20.12.2017, Az 20 C 101/16, S. 9 f., vorgelegt als Anlage BLD 9, Bl. 94 f. d. A.; Amtsgericht Düsseldorf Urteil vom 03.08.2017, Az 43 C 157/15 S. 4, vorgelegt als Anlage BLD 8, Bl. 82 d. A.).

Denn die Schonung benachbarter Strukturen begründet keine selbständige Leistung. Die Schonung beispielsweise eines Nervs im Zuge der Erbringung der (anderen) Zielleistung stellt keine für eine selbständige Abrechenbarkeit hinreichende eigenständige Indikation dar (vgl. BGH, Urt. v. 05.06.2008 Az III ZR 239/07, Rz 14, zitiert nach juris).

Daher ist die in Anlage 01 (im Anlageband) auf S. 2 des Gutachtens von vom 11.09.2017 als relevanter medizinischer Vorteil der Behandlung mit dem Femtosekundenlaser erläuterte verringerte Verminderung der Endothelzellzahl bei der Durchführung der Kataraktoperation nicht entscheidungserheblich.

Entscheidend ist vorliegend, dass die weitere Voraussetzung einer Analogie nach § 6 Abs. 2 GOÄ - eine nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertige Leistung - nicht erfüllt ist. Denn Ziffer 5855 befindet sich in Abschnitt O der GOÄ. Wenn die Behandlung mit dem Femtosekundenlaser nach dieser Gebührenziffer abgerechnet würde, würde die Laser(vor)behandlung mit einer Punktzahl von 6900 bewertet, während die gesamte Operation am Grauen Star nach Ziffer 1375 GOÄ, die Extrakapsuläre Operation des Grauen Stars mittels gesteuerten Saug-​Spül-​Verfahrens oder Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) gegebenenfalls einschließlich Iridektomie mit Implantation einer intraokularen Linse, mit nur 3500 Punkten bewertet würde. Allein dieses Missverhältnis spricht gegen eine Analogie. Es widerspräche dem der GOÄ immanenten System der Vergütungshöhe, eine unstreitig als - vom Kläger auf S. 3 seines Schriftsatzes vom 06.07.2018 beschriebene - Vorbereitung zur letztlich händisch ausgeführten Incision mit einer fast doppelt so hohen Punktzahl zu bewerten wie die komplette eigentliche Operation des Grauen Stars. Auch das in § 4 Absatz 2a GOÄ verankerte Zielleistungsprinzip ist nicht vereinbar mit einer Bewertung einer - wenngleich auch aufwändigen und gegebenenfalls gegenüber dem rein händischen Vorgehen vorteilhaften - vorbereitenden Behandlung mit der fast doppelt so hohen Punktzahl wie die Zielleistung - die Operation des Grauen Stars - selbst.

Da die Voraussetzungen einer Analogie nach § 6 Abs. 2 GOÄ bereits aus rechtlichen, von medizinischen Feststellungen unabhängigen Erwägungen nicht vorliegen, kann es dahinstehen, dass das Amtsgericht sich nicht der sachverständigen Beratung bedient hat, um die zwischen den Parteien umstrittene Frage des Einsatzes des Femtosekundenlasers als selbständige Leistung zu beantworten.

Denn, worauf der Beklagte in diesem Zusammenhang zu Recht hinweist, bleibt selbst bei Bejahung einer selbständigen Leistung durch einen medizinischen Sachverständigen die Abrechenbarkeit nach Ziffer 5855 GOÄ eine Rechtsfrage, die unter Berücksichtigung unter anderem des Zielleistungsprinzips und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Navigationstechnik zu beantworten ist und vom Amtsgericht zutreffend verneint wurde.

Den in diesem Zusammenhang anzustellenden Überlegungen, ob die Behandlung des Grauen Stars mit dem Femtosekundenlaser für die Fachärzte für Augenheilkunde wirtschaftlich lohnend ist und bleibt, wenn sie nicht höher als gemäß Ziffer 441 GOÄ mit 67,49 € pro Auge abgerechnet werden darf, ist nicht durch die Bildung von Analogien Rechnung zu tragen. Denn nach § 4 Absatz 3, 4 GOÄ gelten die Gebühren alle Praxiskosten einschließlich der zur Anwendung gebrachten Apparate ab.

Vielmehr müssten zur Förderung des medizinischen Fortschritts zum Wohle der Patienten gegebenenfalls die Verordnung geändert und die Gebühren angemessen erhöht werden, damit weiterhin neue und unter Umständen gegenüber herkömmlichen Vorgehensweisen vorteilhafte Behandlungsmethoden entwickelt werden (vgl. hierzu BGH Urteil vom 13.05.2004, Az III ZR 344/03, Rz. 17, zitiert nach juris).

II. Soweit der Kläger nochmals die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 10 € Mahnkosten beantragt, dürfte dies auf einem Versehen beruhen, denn das Amtsgericht hat diesen Betrag bereits zugesprochen.

III. Die Berufung bleibt auch insoweit ohne Erfolg, als der Kläger die Kosten für die Bonitätsprüfungskosten in Höhe von 7,02 € begehrt.

Zu dieser Forderung hat das Amtsgericht in den Urteilsgründen zwar keine Ausführungen gemacht. Da das erstinstanzliche Gericht die Klage aber im Übrigen abgewiesen hat, unterfällt der Antrag auf Verurteilung zur Zahlung von 7,02 € der Klageabweisung durch das angefochtene Urteil.

Der Anspruch besteht indes nicht.

Da der Beklagte die Rechnung bis auf die Abrechnungsziffer 5855 GOÄ bezahlt und seinerseits die Zulage nach GOÄ Ziffer 441 zusätzlich bezahlt hat, gibt es keine Anzeichen, dass er nicht leistungsfähig und seine Bonität zweifelhaft gewesen wäre. Jedenfalls hat der Kläger nicht dargetan, welche Umstände ihn zur Einholung einer Bonitätsauskunft hätten veranlassen sollen. Im Übrigen werden Aufwendungen für die Eintreibung unberechtigter Forderungen nicht erstattet.

IV. Da ein Anspruch des Klägers auf restliche Vergütung nicht besteht, hat das Amtsgericht auch die Klage auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu Recht abgewiesen.

Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern stellt eine Rechtsanwendung im Einzelfall nach Maßgabe der im Urteil des BGH vom 21.01.2010, AZ III ZR 147/09, aufgestellten Maßstäben dar. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gebieten keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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