(12.9.2019) Das OLG Brandenburg definiert in einem Fall einer mißglückten offenen Operation (zur Freilegung der Niere) mit Todesfolge die Pflichten zur Darlegung des Aufklärungsgespräches, mögliche Behandlungsfehler bei einer solchen Operation und erläutert Behandlungsalternativen. Im weiteren beschäftigt sich das OLG mit der Frage, auf welches fiktive Alter bei einer Patientin abzustellen ist, die multimorbid war und unter schwerem Rheuma, Adipositas und Herzschwäche litt (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 29.8.2019 – 12 U 217/17).  

Ärztin während der OperationDer Fall:

Die Patientin litt seit Jahren an einer chronisch entzündlichen Erkrankung der Gefäße (schwere rheumatische Erkrankung (Polymyalgia rheumatica) mit assoziierter Vasculitis) und Stammfettsucht. Wegen Schmerzen im Unterleib ließ sie sich von dem beklagten Belegarzt behandeln. Dieser führte auf einer Belegstation eine offene Operation durch zur Freilegung der Niere. 

Nachdem die offene operative Behandlung zu dem Verlust einer Niere und zu einer Verletzung der Bauchspeicheldrüse führte, verstarb die Patientin an einem schweren Multiorganversagen.

Die Erbengemeinschaft macht Arzthaftungsansprüche gegen den operierenden Belegarzt geltend. Die Erben werfen ihm Aufklärungs- und Behandlungsfehler vor und verlangen Schadensersatz sowie die Zahlung einer fiktiven Geldrente bis zum Jahr 2035, sprich unter Zugrundelegung einer fiktiven Lebenserwartung der Patientin von 75 Jahren.

Der Belegarzt weist all dies zurück und macht stattdessen u.a. die schwere Vorerkrankung der Patientin und Fehler nachbehandelnder Ärzte für ihren Tod verantwortlich. 

Das Landgericht gab der gegen den Belegarzt gerichteten Klage überwiegend statt.

Dagegen ging dieser in Berufung.

Die Entscheidung:

Das Oberlandesgericht wies die Berufung ganz überwiegend als unbegründet zurück. 

Das OLG bejaht den Aufklärungsfehler des Belegarztes. Der Arzt habe bezüglich der Aufklärung des Patienten eine Darlegungslast im Zivilprozess. Um dieser zu entsprechen könne er entweder ein vom Patienten unterzeichnetes Aufklärungsformular vorlegen (was er hier nicht konnte - seinen Hinweis darauf, die Klinik habe dieses Formular verlegt, ließ das OLG nicht gelten) oder im Einzelnen weitere Angaben zum Inhalt des Gesprächs machen und dies zum Beispiel durch Zeugen etc. belegen (was der Belegarzt hier aber nicht tat). Der Arzt müsse den Patienten aufklären über die wesentlichen Risiken (hier Verlust der Niere und Verletzung der angrenzenden Bauchspeicheldrüse) sowie über weniger risikoreiche Behandlungsalternativen (sprich hier konservatives Vorgehen durch Schmerzmittelgaben oder endoskopische Harnableitung). All dies habe der Belegarzt nicht beweisen können. 

Zudem habe der Belegarzt verschiedene Behandlungsfehler begangen: Die operative Freilegung der Niere sei bei einer adipösen Patientin, die die entzündungshemmende Medikamente einnimmt weder leitliniengerecht noch aus sonstigen Gründen indiziert, so der Gerichtssachverständige.Auch die Verletzung der Bauchspeicheldrüse sei fehlerhaft gewesen. 

Aus Sicht des Gerichts habe es den Belegarzt auch nicht entlastet, dass er meinte, die Patientin sei aufgrund ihrer Vorerkrankungen besonders anfällig gewesen und dies habe die Folgen ausgelöst. Denn die - hier nicht auszuschließende - bloße Mitursächlichkeit genüge, um dem beklagten Arzt den gesamten Schaden zuzurechnen. Auch der Einwand des Belegarztes, der Tod sei durch spätere Fehler der nachbehandelnden Ärzte verursacht worden, überzeugte das Gericht nicht. Weder habe der Belegarzt dafür etwas vorgetragen noch sei dies aus den Ausführungen des Gerichtsachverständigen erkennbar.

Für die Zahlung der Geldrente bis zum fiktiven natürlichen Tod der Patientin stellte die Erbengemeinschaft auf ein fiktives Alter von 75 Jahren ab. Das OLG sah dies anders: aufgrund der erheblichen Vorerkrankungen der Patientin (schweres Rheuma, Adipositas, Herzbeschwerden) ging das OLG von einer fiktiven Lebenserwartung der Patientin von nur 65 Jahren aus (während die allgemeine Lebenserwartung von Frauen dieser Geburtskohorte 82 bis 84 Jahren beträgt).

Praxisanmerkung:

Erneut zeigt sich die Wichtigkeit einer guten Aufklärung und deren Dokumentation. Auch Belegärzte haben sicher zu stellen, dass die unterschriebenen Aufklärungsbögen in die Behandlungsakte gelangen. Dies muss der Belegarzt kontrollieren.

Es ist ratsam, dass der Belegarzt eine eigene Behandlungsakte führt, in die er dann auch das Formular aufnimmt. Denn was mit der Behandlungsakte der Klinik geschieht, entzieht sich oft der Kontrolle des Belegarztes. Insofern ist es risikoreich, die Aktenführung ganz oder in Teilen der Klinik zu überlassen.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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E-mail: mail@christmann-law.de


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