(25.11.2019) Auch wenn der Chefarzt nicht selbst die (hier psychologischen) Behandlungen am Patienten ausführt, kann er diese als Wahlleistungen gesondert bezahlt bekommen, solange er die Behandlung aus dem Hintergrund gesteuert und geprägt hat. Nur solche Leistungen, die er mangels Sachkunde nicht prägen konnte (z.B. Yogabehandlungen und Ergotherapie) oder einfache Tätigkeiten, die er aber nicht selbst durchführt (z.B. Blutabnahme) kann er nicht gesondert bezahlt verlangen (Amtsgericht Wuppertal, Urteil vom 14. August 2019 – 391 C 23/19). Ist die - teure und vom Patienten privat zu zahlende - Chefarztbehandlung damit eine "Mogelpackung"?

Der Chefarzt behandelt persönlich - WahlleistungenDie Sicht des Patienten:

Der Patient glaubt regelmäßig, er erwerbe mit dem "Hinzubuchen" der Chefarztbehandlung das Recht, durch den Chefarzt behandelt zu werden. Sprich er glaubt, der Chefarzt selbst werde die Behandlung direkt selbst durchführen. Das ist aber nicht so. Die Rechtsprechung läßt es ausreichen, wenn der Chefarzt die Behandlung - die dann irgendein Arzt erbringt - durch sein leitendes Handeln im Hintergrund mitbestimmt und ihr sein "Gepräge" gibt. Dafür reicht es aus, wenn der Chefarzt den behandelnden Arzt überwacht und mit ihm über die Behandlung spricht. Das ist regelmäßig gar nicht das, was der Patient mit der Unterzeichnung der sog. Wahlarztvereinbarung gewollt hat. Der Patient wollte eigentlich die persönliche Behandlung durch den Chefarzt - wofür er auch mehr zu zahlen bereit war. Bekommen hat er nur eine Behandlung durch einen anderen Arzt. Das ist besonders ärgerlich, wenn ein Patient für eine Operation eine Chafarztbehandlung buchte und dann - erst aus dem Operationsbericht - merkt, dass er tatsächlich gar nicht von diesem operiert wurde.

Wer also wirklich nur durch den Chefarzt behandelt werden will, muss in der Wahlarztvereinbarung die Formulierung "persönliche Behandlung durch den Chefarzt" aktiv hineinschreiben. Wirklich nur dann dann kann er auch eine persönliche Behandlung verlangen. Außerhalb dessen ist Patienten regelmäßig nicht zu einer Chefarztbehhandlung zu raten, weil er - außer einem "guten Gefühl" in den besten Händen zu sein - nichts dadurch gewinnt.

Die Sicht des Chefarztes:

Er hält schon sein Wirken im Hintergrund für wertvoll, weil er über geballte medizinische Kompetenz und Erfahrung verfügt. Der Chefarzt muss sich aber einmal kritisch fragen lassen, worin denn nun der (für den Patienten besonders wertvolle) Unterschied liegen soll zwischen dem, was der Chefarzt sowieso standardmäßig leisten muss (nämlich Patienten zu behandeln und sein Personal und deren Behandlungen überwachen) und der gesondert zu bezahlenden Chefarztbehandlung (bei der er dann auch nur sein Personal und die Behandlungen überwacht). Tatsächlich sind es dann doch oft nur die Stations- und Oberärzte, die die Arbeit am Patienten leisten. Oft sind die Oberärzte klinisch auch kompetenter als die Chefärzte, das heißt es sind die Oberärzte, die tatsächlich die meiste Erfahrung in der Arbeit "am Patienten" haben.

Fazit:

Ein ehrliche Wahlleistung müsste eine persönliche Behandlung des Chefarztes beinhalten. Tut sie aber oft nicht. Deshalb sind Patienten oft enttäuscht. Manche greifen die Abrechnungen des Chefarztes an und verweigern die Bezahlung, wie der vorliegende Fall zeigt, bei dem der Patient teilweise Recht bekam. Viele zahlen still, ärgern sich und gehen danach nicht mehr in die Chefarztbehandlung.

Will sich der Chefarzt langfristig eine dauerhafte und einträgliche eigene Patientenbasis durch Privatbehandlungen aufbauen, sollte er sich nicht damit zufrieden geben, das rechtlich geforderte Minimum für eine Wahlleistung zu erbringen, sondern sollte auch selbst Zeit "am Patienten" verbringen. Das ist für beide Seiten ein Win-Win-Situation. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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