(3. 12.2019) Die Katarakt-Operation mittels Femtosekundenlaser bei einem Patienten, der an Grauem Star leidet, ist medizinisch notwendig. Der Einsatz des Lasers ist gleichwertig zu der Standard-Katarakt-Operation und über Ziffer 5855 GOÄ analog abrechenbar. Bei entsprechendem Aufwand (hier: wegen motorischer Unruhe des Patienten) ist auch eine Steigerung der GOÄ-Ziffer 5855 analog von 2,3 gerechtfertigt (Amtsgericht Leipzig, Urteil vom 29. Oktober 2019 – 115 C 3396/18). 

Augenoperation wegen grauem StarPraxisanmerkung:

Die Rechtsprechung der verschiedenen Amts- und Landgerichte bestätigt überwiegend die Abrechenbarkeit dieser Femtosekundenlaserbehandlungen über GOÄ 5855 analog. So auch nun das AG Leipzig. 

Der Augenarzt sollte darauf achten, eine besondere Schwierigkeit und einen erhöhten Zeitaufwand in dem OP-Bericht sauber zu dokumentieren, wenn er den Regelsatz überschreitet: Hinsichtlich der Schwierigkeit sollte er nicht lediglich Textbausteine verwenden, sondern die besonderen Umstände des Einzelfalls erläutern (hier: motorische Unruhe des Patienten). Hinsichtlich des Zeitaufwandes ist es hilfreich, die Zeit vom ersten Schnitt bis zum letzten Schritt zu erfassen.

Sinnvoll ist auch der mündliche und schriftliche Hinweis an den Patienten, dass manche Private Krankenversicherung Schwierigkeiten macht bei der Erstattung der Behandlungskosten.

Tenor der Entscheidung

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.715,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 07.07.2018 zu zahlen.
  2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites und die dem Streitverkündeten entstandenen Kosten zu tragen.
  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten privat krankenversichert. Im Dezember 2017 ließ sich der Kläger in der Praxis der Streitverkündeten von Herrn ... untersuchen. Es wurde festgestellt, dass der Kläger an grauem Star leidet, so dass eine Augenoperation vorgeschlagen wurde. Es wurde ein Kostenvoranschlag ... für eine beiderseitige Katarakt-​Operation erstellt. Wegen des Inhaltes wird auf die Anlage K1, Blatt 15 ff. der Akte, verwiesen. Mit Schreiben vom 28.12.2017 erteilte die Beklagte eine Zusage für den geplanten Eingriff, jedoch nicht hinsichtlich des Einsatzes des Femtosekundenlasers für die GoÄ- Ziffer A5855.

Der Kläger unterzog sich im Februar 2018 erfolgreich zweier Katarakt-​Operationen, bei welchem in jedes Auge eine Intraokularlinse implantiert wurde. Bei den Operationen wurde ein Femtosekundenlaser eingesetzt. Mit Rechnung vom 12.02.2018 rechnete die Streitverkündete ihre Leistungen ab. Insoweit wird auf die Anlage K4 verwiesen. Hierauf zahlte die Beklagte insgesamt 4.494,80 Euro. Eine Erstattung der Kosten für den Einsatz des Femtosekundenlasers lehnte sie ab. Wegen der Abrechnung im einzelnen wird auf die Anlagen K5 und K7 verwiesen. Der Kläger begehrt mit vorliegender Klage die Zahlung weiterer 1.715,06 Euro.

Mit Schriftsatz vom 23.08.2018 hat der Kläger der Streitverkündeten den Streit verkündet. Diese ist dem Streit beigetreten.

Der Kläger und die Streitverkündeten sind der Ansicht, der Einsatz des Femtosekundenlasers bei der Katarakt-​Operation sei medizinisch notwendig gewesen, das heißt sie sei fachlich anerkannt, weil sie im Vergleich zu einer anderen anerkannten Behandlungsmethode eine gleichwertige Erfolgswahrscheinlichkeit aufweise und sei nicht mit einem signifikant erhöhten, medizinisch nicht mehr vertretbaren Risiko verbunden. Darüber hinaus stelle der Lasereinsatz eine selbständige Heilbehandlung im Sinne des § 4 Abs. 2 GOÄ dar, da eigenständige Operationsschritte wie die computergesteuerte Öffnung der Linsenkapsel, die Zerteilung der getrübten Linse und der computergesteuerte, stufenförmige Schnitt durch die Hornhaut als Zugang zum Auge durchgeführt worden seien. Der Einsatz des Femtosekundenlasers sei ordnungsgemäß nach GOÄ-​Nr. 5855.1 mit einem Faktor von 2,3 abgerechnet worden.

Der Kläger beantragt,

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.715,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Streitverkündete hat sich dem Antrag angeschlossen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die medizinische Notwendigkeit des Einsatzes des Femtosekundenlasers bei der Kataraktoperation. Diese Methode sei der herkömmlichen Methode keinesfalls überlegen. Sie sei unter Fachleuten auch umstritten. Auch stelle der Einsatz des Femtosekundenlasers im Zusammenhang mit der Katarakt-​Operation nach Gebührenziffer 1375 GOÄ keine selbständige Leistung im Sinne des § 4 Abs. 2 a GOÄ dar, so dass nach dem geltenden Zielleistungsprinzip eine gesonderte Rechnung nach Gebührenziffer 5855 GOÄ analog ausscheide.

Es wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten vom 08.03.2019, Blatt 134 ff. d. A, verwiesen. Darüber hinaus wurde der Sachverständige ... angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2019 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung weiterer 1.715,06 Euro aus dem zugrundeliegenden Krankenversicherungsvertrag.

Der Sachverständige ..... hat für das Gericht nachvollziehbar ausgeführt, dass die Femtosekundenlaserassistierte Kataraktoperation eine medizinisch notwendige Behandlung darstellt. Eine medizinisch notwendige Heilbehandlung liegt dann vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (BGH r+s 1996, 457, 458 f.). Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die streitige Methode seit mehr als 10 Jahren zum Einsatz kommt und im Vergleich zu der häufigsten Behandlungsmethode des grauen Stars (Phamoemulsifikation) eine zumindest gleichwertige Erfolgswahrscheinlichkeit aufweise. Hierzu hat der Sachverständige Ausführungen gemacht über die Vor- und Nachteil. Aufgrund dieser Darlegung ist dem Sachverständigen zu folgen, dass die Methode nicht mit einem signifikant erhöhten, medizinisch nicht mehr vertretbaren Risiko verbunden ist. Das Gericht folgt den Ausführungen des Sachverständigen in tatsächlicher Hinsicht in vollem Umfang.

Auch das LG Köln hat in seinem Urteil vom 28.02.2018, Az.: 23 O 159/15 eine medizinische Notwendigkeit bejaht. Auch auf dieses Urteil wird Bezug genommen.

Der Sachverständige ..... hat weiter ausgeführt, dass es sich bei dem Lasereinsatz um eine selbständige Leistung im Sinne des § 4 Abs. 2 GOÄ handelt und nach Nr. 5855.1 analog mit einem Faktor von 2,3 abgerechnet werden kann. Er hat für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass anders als bei der Anwendung der konventionellen Technik der Femtosekundenlaser das Auge nicht eröffnet. Es handelt sich nach den nachvollziehbaren Ausführungen nicht um eine Modifikation der Schritte im Ablauf der in der Gebührenordnung für Ärzte dargestellten Phakoemulsifikation, sondern um eine Behandlung aus der Kombination zweier selbständiger und zeitlich konsekutiver Eingriffe. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass der Fentosekundenlasereinsatz gesondert neben der Phakoemulsifikation nach GOÄ Nr. 1375 in Ansatz zu bringen ist. Diesen Ausführungen folgt das Gericht in vollem Umfang. Der Sachverständige hat auch für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass der Lasereinsatz nach GOÄ Nr. 5855 analog abgerechnet werden konnte. Wie bereits dargelegt ist es eine eigenständige Behandlung, so dass hierfür eine gesonderte Gebühr festzusetzen ist. Insoweit kommt der Sachverständige auch zu dem gleichen Ergebnis wie das Landgericht Köln in dem zitierten Urteil vom 28.02.2018. Auch dort wurde die Abrechnung der Ziffer 5855 GOÄ analog angenommen.

Es ist auch berechtigt, den Faktor 2,3 in Ansatz zu bringen. Grundsätzlich ist ein Bemessungsumfang von 1,0 bis 1,8 anzuwenden. Vorliegend war die Erhöhung, wie der Sachverständige ausgeführt hat, jedoch aufgrund der motorischen Unruhe berechtigt. Auch diesen Ausführungen ist zu folgen.

Die Beklagte ist daher verpflichtet, die Kosten für den Einsatz des Femtosekundenlasers in vollem Umfang und daher weitere 1.715,06 Euro an den Kläger zu zahlen.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.715,06 Euro festgesetzt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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