(11.1.2020) Der gesetzliche Anspruch der gesetzlich versicherten Patienten auf Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten ist weder abhängig von dem Erhalt eines wie auch immer definierten Gesundheitszustandes, noch wird dieser Anspruch durch das Überschreiten von Altersgrenzen begrenzt. Somit dürfen auch Palliativpatienten mit Leistungen zur Früherkennung behandelt werden (Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 2019 – S 33 KA 393/15). Die Kassenaärztliche Vereinigung Hessen scheiterte daher mit dem Versuch, Hausärzten die Bezahlung der Früherkennungsleistungen zu streichen.

keine Honorarrückforderungen wegen Früherkennungsbehandlung von SterbenskrankenDer Fall:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honoraranforderung der Klägerin für das Quartal I/2015.

Klägerin ist eine hausärztliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), die bei 16 palliativmedizinisch behandelten Patienten auch Leistungen zur Früherkennung erbrachte und abrechnete (Ziffern 01732, 01745, 01746 sowie 32880 EBM).

Die beklagte KV kürzte das Honorar der BAG um eben diese Positionen, weil das Ziel von Früherkennungsuntersuchungen bei Palliativpatienten nicht mehr erreicht werden könne.

Dagegen klagte die Arztpraxis. 

Die Entscheidung:

Das Sozialgericht Düsseldorf gab der Klage der Ärzte vollumfänglich statt. Die Kürzung ihres Honorars war unberechtigt, so das Gericht. 

Das Gericht verneinte hier eine Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honoraranforderungen. Solche Berichtigungen erforderten rechnerische und gebührenordnungsmäßige Fehler, erfasse aber auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat, wie

  • bei der Abrechnung fachfremder oder qualitativ mangelhafter Leistungen
  • bei Leistungen nicht genehmigter Assistenten
  • bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten
  • wie auch bei der Leistungserbringung unter missbräuchlicher Nutzung von Organisationsformen

Der vorliegende Fall betreffe aber nicht eine solche Nichtbeachtung etwa eines in der Gebührenordnung oder anderenorts normierten Abrechnungsausschlusses. Zu berücksichtigen sei insoweit insbesondere auch, dass der gesetzliche Anspruch der Versicherten auf Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten weder abhängig von dem Erhalt eines wie auch immer definierten Gesundheitszustandes sei, noch durch das Überschreiten von Altersgrenzen begrenzt werde.

Praxisanmerkung:

Ob es noch sinnvoll ist, Patienten in der letzten Lebensphase noch Frühererkennungsbehandlungen (wie etwa Untersuchung zur Früherkennung von Krankheiten) zukommen zu lassen, ist eine zumindest diskussionswürdige Frage. Will die KV solche Leistungen aber ausschließen, so muss sie dies mittels einer rechtliche Grundlage tun. Eine solche besteht aber (derzeit) nicht. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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