(16.1.2020) Erneut beschäftigte sich ein Gericht mit einer ärztlichen Fernbehandlung und verbot eine Werbung zur Krankschreibung per whatsapp (Landgericht Hamburg, Urteil vom 3.9.2019, 406 HK O 56/19). Dabei betonte es die Gültigkeit des Grundatzes des Fernbehadlungsverbotes, das in der Musterberufsordnung der Ärzte in § 25 festgelegt ist. Während die Telemedizin in aller Munde ist, setzen die Gerichte dieser Behandlungsmethode regelmäßig enge rechtliche Grenzen. 

Krankschreibung per whatsapp verbotenDer Fall:

Im vorliegenden Fall ging es um eine Werbung für eine Krankschreibung über die App "whatsapp".

Dort wird u.a. geworben mit "Und so geht's: Symptome schicken, Risiken ausschließen, Daten eingeben, einfach bezahlen, fertig. Sie verschwenden nicht wertvolle Genesungszeit für einen Arztbesuch und Sie stecken niemanden im Wartezimmer an."

Ein Verbraucherschutzverein verlangte die Unterlassung dieser Werbung. der Anbieter bestand darauf, seine Werbung fortzusetzen, schließlich würde echte Ärzte die Anfragen bearbeiten. 

Die Entscheidung:

Das LG Hamburg verbot die Werbung. Dazu führte das Gericht aus: 

Ein der ärztlichen Sorgfalt entsprechendes Attest setzt zuverlässige Feststellungen sowohl zu der Person des Patienten als auch zu seiner Erkrankung voraus. Beides ist ohne persönlichen Kontakt zum Patienten bei dem hier beworbenen Verfahren in keiner Weise sichergestellt. Im Normalfall wird hier der sog. AU-Schein allein nach den Angaben des Patienten zu seiner Person und zu seiner angeblichen Erkrankung ausgestellt. Eine Verifizierung dieser Angaben ist selbst dann nicht möglich, wenn der Arzt Rücksprache mit dem Patienten per Telefon oder Video-Chat hält. Dies ermöglicht weder zuverlässige Feststellungen zur Person des Gesprächspartners noch zu seinem Gesundheitszustand. Auch die für die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wichtige Schwere der Erkrankung kann ohne unmittelbaren persönlichen Eindruck nicht zuverlässig eingeschätzt werden.

Praxisanmerkung:

Fernbehandlungen sind nur in engen Grenzen zulässig: Daher hat das LG Hamburg (wie auch schon das Landgericht Berlin (Urteil vom 1.4.2019 – 101 O 62/17) eine diesbezügliche Werbung zu Recht untersagt. 

Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz wird die hier relevante Norm des § 9 HWG in Bälde um einen Zusatz ergänzt, der die Rechtslage neu regeln wird:

„Satz 1 (Anmerkung: des § 9 HWG) ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.“

Wann dies "nicht erforderlich" ist, regelt die Begründung zum DVG: Eine Werbung für Fernbehandlung ist zulässig, wenn nach dem anerkannten medizinischen Stand der Erkenntnisse eine ordnungsgemäße Behandlung und Beratung unter Einsatz von Kommunikationsmedien grundsätzlich möglich ist (vgl. BT-Drs. 19/13438, S. 78). Die Einzelheiten sind noch unklar, denn der medizinische Standard ist ein vager Begriff.

Werbetreibende können sich an folgender Faustformel orientieren: Wenn die Behandlung keinen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt erfordert, kann für eine Fernbehandlung dieser Erkrankung geworben werden. Dies dürfte aber nur in Ausnahmefällen der Fall sein, z.B. bei der Begutachtung von bildgebenden Befunden.

Die Rechtslage wird sich aber voraussichtlich ändern. Eine gewisse Liberaliserung der Werbung ist absehbar: Laut Gesetzesentwurf der Bundesregierung (Stand: 23.09.2019 zum Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) wird das Verbot der Werbung für Fernbehandlung nach § 9 HWG künftig nicht auf die Werbung für solche Fernbehandlungen anzuwenden sein, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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