(12.2.2020) Wird der angestellte Arzt krank, darf der Vertragsarzt die Leistungen der ihn vertredenden Ärzte nicht auf die Arztnummer des kranken Arztes abrechnen. Andernfalls muss der Vertragsarzt das Honorar für diese Leistungen zurückzahlen (Sozialgericht Dresden, Beschluß vom 23.1.2020 - S 25 KA 18/20 ER). Korrekt wäre es in einem solchen Fall gewesen, die Leistungen der (vertretenden) Ärzte unter der Arztnummer eben dieser internen Vertreter abzurechnen. 

Falsche Abrechnung der Leistungen eines erkrankten angestellten Arztes führt zu HonorarrückforderungenPraxisanmerkung:

Erkrankt der angestellte Arzt, so muss der Vertragsarzt (Praxisinhaber) folgende Schritte einhalten:

  • Erkrankung anzeigen,
  • Vertreter bezeichnen,
  • Genehmigung des Vertreters durch KV abwarten,
  • Leistungen des vertretenden Arztes unter dessen LANR (Arztnummer) abrechnen. 

Andernfalls riskiert er, dass er die erbrachten Leistungen nicht vergütet erhält. 

Update: Das Sächsische Landessozialgericht hat die hiergegen eingelegte Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen (LSG Sachsen, Beschluss vom 20.05.2020 - L 1 KA 2/20 B ER).

Die Entscheidung des Sozialgerichts Dresden im Volltext:

Tenor

I. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
III. Der Streitwert wird auf 54.046,17 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Rückforderung vertragsärztlicher Honorare in Höhe von 216.184,67 EUR für die Quartale 1/2016 bis 4/2016 aufgrund sachlich-​rechnerischer Richtigstellung.

Der Antragsteller nahm in diesem Zeitraum als Facharzt für Innere Medizin mit Vertragsarztsitz in B. an der hausärztlichen Versorgung teil. In der Praxis des Antragstellers waren in dieser Zeit fünf Ärzte, denen eine eigene Lebenslange Arztnummer (LANR) zugewiesen war, angestellt, unter anderem Herr M. (LANR ..).

Auf einen am 23.04.2018 bei der Antragsgegnerin eingegangenen anonymen Hinweis, wonach der angestellte Arzt im Zeitraum Januar/Februar 2016 bis November 2016 krank gewesen sei und Krankengeld bezogen habe, der Antragsteller jedoch gleichwohl Leistungen auf den angestellten Arzt abgerechnet habe, veranlasste die Antragsgegnerin zunächst eine Anhörung des Antragstellers durch den Plausibilitätsausschuss der Bezirksgeschäftsstelle Leipzig zur Durchführung einer anlassbezogenen Plausibilitätsprüfung (Schreiben vom 05.08.2019 und vom 02.07.2019). Der angestellte Arzt sei im Zeitraum vom 29.01.2016 bis einschließlich 15.10.2016 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe im relevanten Zeitraum keine Leistungen erbringen können. Der Antragsteller habe der Antragsgegnerin weder die Erkrankung des Herrn M. mitgeteilt, noch sei eine Vertretung angezeigt bzw. genehmigt worden.

Mit Schreiben vom 04.09.2019 zeigten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers die anwaltliche Vertretung an, beantragten die Einsicht in die Verwaltungsakten unter Verlängerung der zum 08.09.2019 gesetzten Stellungnahmefrist.

Ungeachtet dessen verpflichtete die Antragsgegnerin mit vom Vorstandsvorsitzenden unterzeichneten Bescheid der Landesgeschäftsstelle vom 17.09.2019 den Antragsteller unter teilweiser Rücknahme der Honorarbescheide für die Quartale 1/2016, 2/2016, 3/2016 und 4/2016 mit Streichung der unter der Arztnummer des angestellten Arztes abgerechneten Leistungen zur Erstattung vertragsärztlichen Honorars in Höhe von 216.184,67 EUR. Die Antragsgegnerin begründete dies damit, dass die Abrechnung dieser Leistungen während der Arbeitsunfähigkeit des angestellten Arztes vom 29.01.2016 bis zum 15.10.2016 nicht gerechtfertigt gewesen sei. Auf Vertrauen könne sich der Antragsteller nicht berufen, da die Honorarabrechnung auf Angaben beruhe, die er vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in wesentlichen Punkten unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Der Antragsteller habe die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide gekannt.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 17.10.2019 wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2019 zurück. Hiergegen richtet sich die am 10.01.2020 eingegangene Klage im Hauptsacheverfahren S 25 KA 13/20.

Parallel hierzu beantragte der Antragsteller am 14.01.2020 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Den Antrag begründet er wie folgt:

Die Antragsgegnerin habe die Jahresfrist des § 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X für die Rücknahme der Honorarbescheide versäumt. Sie sei ausweislich des Posteingangsstempels am 23.04.2018 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der angestellte Arzt krank gewesen sei und sogar Krankengeld bezogen habe, die Praxis aber gleichwohl voll auf ihn abgerechnet habe. Der Rücknahmebescheid, der an diesen Sachverhalt anknüpfe, datiere jedoch erst vom 17.09.2019, mithin nach Ablauf der Jahresfrist. Die Frist habe nicht erst mit der Anhörung durch das Schreiben vom 05.08.2019 zu laufen begonnen. Unterlasse eine Behörde es länger als ein Jahr, die subjektiven Voraussetzungen für eine Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X zu ermitteln bzw. mit diesen Ermittlungen zumindest zu beginnen und eine Anhörung des Betroffenen durchzuführen, obwohl sie die Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes begründen, kenne, so sei sie an einer späteren Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes durch § 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X gehindert. Die Antragsgegnerin habe es hier länger als ein Jahr unterlassen, die Anhörung des Antragstellers durchzuführen, obwohl sie die Tatsachen, die nach ihrer Darstellung die Rechtswidrigkeit ursprünglichen Verwaltungsaktes begründeten, seit dem 23.04.2018 gekannt habe.

Der Bescheid vom 17.09.2019 sei außerdem formell rechtswidrig, da er nicht vom Plausibilitätsausschuss der Bezirksgeschäftsstelle Leipzig der Antragsgegnerin, sondern von der Landesgeschäftsstelle der Antragsgegnerin im Auftrag des Vorstandsvorsitzenden als unzuständiger Behörde erlassen worden sei. Nach § 10 Absatz 1 und § 11 Absatz 4 der Verfahrensordnung der Antragsgegnerin über den Inhalt und die Durchführung der Plausibilitätsprüfungen gemäß § 106d Absatz 2 SGB V sei allein der Plausibilitätsausschuss für die Feststellung von Abrechnungsverstößen und der Höhe der Honorarrückforderung sowie für die Anordnung der sachlich-​rechnerischen Richtigstellung zuständig. Zwar sei der Vorstand der Antragsgegnerin für die Entscheidung über den Widerspruch eines Arztes gegen einen Prüfbescheid gemäß § 11 Absatz 8 der Verfahrensordnung zuständig. Diese Zuständigkeit erstrecke sich aber nicht auf den Erlass des Prüfbescheides.

Zudem sei der Antragsteller nicht ordnungsgemäß nach § 24 Absatz 1 SGB X angehört worden. Die Landesgeschäftsstelle habe den Prüfbescheid erlassen ohne die Stellungnahme des Antragstellers auf das Anhörungsschreiben des Plausibilitätsausschusses der Bezirksgeschäftsstelle Leipzig vom 05.08.2019 abzuwarten. Der Anhörungsmangel sei nicht durch das Schreiben der Landesgeschäftsstelle der Antragsgegnerin vom 28.10.2019 geheilt worden. Denn die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller die entscheidungserheblichen Tatsachen nicht in einer Weise unterbreitet, dass er sie als solche hätte erkennen und sich sachgerecht dazu äußern können. Für den Antragsteller sei auch nach dem Schreiben vom 28.10.2019 nicht ersichtlich, welche konkreten Leistungen unter der LANR von Herrn M. im besagten Zeitraum abgerechnet worden seien. Die Antragsgegnerin habe auch nicht offenbart, aufgrund welcher Anhaltspunkte sie zu dem Schluss gekommen sei, dass der Antragsteller die Angaben, auf denen die Honorarabrechnung beruhe, im Sinne von § 45 Absatz 2 Satz 3 SGB X vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in wesentlichen Punkten unrichtig oder unvollständig gemacht habe.

Die Antragsgegnerin unterstelle zu Unrecht, dass Leistungen Dritter dem angestellten Arzt nicht rechtswirksam zugerechnet werden könnten, weil keine Abwesenheitsmeldungen bzw. Vertretungsanzeigen vorgelegen hätten. Denn es sei zulässig, im Wege einer sog. "internen Vertretung" Leistungen auch durch Kollegen der Praxis erbringen zu lassen, die dem angestellten Arzt rechtswirksam zugerechnet werden. In Berufsausübungsgemeinschaften liege eine Vertretung im Sinne des § 32 Ärzte-​ZV nicht vor, da diese gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit aufträten und sich die für Vertragsärzte geltenden Vertretungsregelungen auf die Praxis als Gesamtheit bezögen (Verweis auf BSG, Urteil vom 14.12.2011 – B 6 KA 31/10 R –). Dies gelte für die interne Vertretung eines in einer Einzelpraxis angestellten Arztes entsprechend. Der Antragsteller habe darauf vertraut, dass eine interne Vertretung möglich und auch gegenüber der Antragsgegnerin nicht anzeige- oder genehmigungspflichtig sei, so dass ihm nicht vorgeworfen werden könne, er habe die Honorarabrechnung vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch erstellt oder er habe die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gekannt.

Nach § 8 Absatz 6 der Abrechnungsprüfungs-​Richtlinien könne in Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten die Obergrenze für das Tageszeitprofil mit der Anzahl der in der Arztpraxis tätigen Ärzte im Umfang ihrer Tätigkeit multipliziert werden. So sei es auch bei interner Vertretung möglich, im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nachzuvollziehen, ab wann das Aufgreifkriterium erreicht sei. Unter welcher Arztnummer die Vertreterleistung abgerechnet werde, sei dann unerheblich. Vor diesem Hintergrund sei die Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin behaupteten, aber nicht mit einer Rechtsgrundlage belegten Vorgabe, im Erkrankungsfall eines Arztes eine bestimmte Arztnummer für interne Vertreterleistungen zu verwenden, zweifelhaft. Jedenfalls könne in Anbetracht der komplizierten Rechtslage dem Antragsteller nicht unterstellt werden, dass er bei der Wahl einer falschen Arztnummer die Abrechnung vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht oder die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide gekannt habe.

Da die Honorarbescheide nicht wirksam für die Vergangenheit aufgehoben worden seien, bestehe kein Erstattungsanspruch nach § 50 Absatz 1 SGB X.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 10.01.2020 gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle der Antragsgegnerin vom 17.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Landesgeschäftsstelle der Antragsgegnerin vom 19.12.2019 bezüglich der Rückforderung von Honorarzahlungen aus den Quartalen 1/2016, 2/2016, 3/2016 und 4/2016 in Abänderung der Honorarbescheide vom 25.07.2016, vom 25.10.2016, vom 25.01.2017 und 25.04.2017 in Höhe von insgesamt 216.184,67 EUR anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt die Ablehnung des Antrags. Die Jahresfrist nach § 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X sei gewahrt, da das anonyme Schreiben allein noch nicht die fristauslösende Kenntnis von den die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide begründenden Tatsachen begründet habe. Auf die Frist komme es aber nicht an, da die Honorarbescheide in einer Frist von vier Jahren berichtigt werden dürften. Der Erlass von Honorarberichtigungsbescheiden sei nicht den Plausibilitätsausschüssen vorbehalten. Die zunächst unterbliebene Anhörung sei mit dem Anhörungsschreiben vom 18.10.2019 wirksam nachgeholt worden. Welche konkreten Leistungen der Antragsteller unter der Arztnummer abgerechnet habe, müsse er selbst wissen. Eine "interne Vertretung" rechtfertige nicht den Ansatz von Gebührenordnungspositionen unter einer unzutreffenden Arztnummer. Eine Zurechnung von Leistungen sei insoweit nicht möglich. Die Abrechnung unter ein und derselben Betriebsstättennummer ändere daran nichts. Die krankheitsbedingte Abwesenheit sei anzeigepflichtig gewesen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II. Der gemäß § 86b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 86a Absatz 2 Nummer 4 SGG sowie § 85 Absatz 4 Satz 6 und § 87b Absatz 2 Satz 6 statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet.

Bei der Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung einer Klage nach § 86b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGG anzuordnen ist, sind in einem ersten Prüfungsschritt die Erfolgsaussichten der Klage einer summarischen Prüfung zu unterziehen. Je größer die Erfolgsaussichten der Klage sind, desto geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Je geringer umgekehrt die Erfolgsaussichten der Klage zu bewerten sind, umso schwerwiegender muss das Interesse des Adressaten des Verwaltungsakts an der aufschiebenden Wirkung sein, um eine Aussetzung rechtfertigen zu können. Offensichtlich rechtmäßige Verwaltungsakte können in der Regel sofort vollzogen werden, während an der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte grundsätzlich kein legitimes Interesse besteht. Kann eine endgültige Prognose bezüglich der Erfolgsaussichten noch nicht gestellt werden, müssen die für und wider die sofortige Vollziehung sprechenden Interessen gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Wertung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, dass dem öffentlichen Vollziehungsinteresse nach § 87b Absatz 2 Satz 6 SGB V generell Vorrang einzuräumen ist. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, welche nachteiligen Folgen dem Antragsteller aus der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts erwachsen und ob bzw. wie diese im Falle eines etwaigen Erfolgs der Hauptsache rückgängig gemacht werden können.

Nach diesen Maßstäben kann dem Antrag nicht entsprochen werden. Die im Hauptsacheverfahren angefochtenen Bescheide (Anmerkung: Honorarkürzung) sind offensichtlich rechtmäßig.

Die Rechtmäßigkeit der Honorarkorrektur hängt – ungeachtet der insoweit ins Leere gehenden Begründung der angegriffenen Bescheide – nicht davon ab, ob die Voraussetzungen des § 45 SGB X erfüllt sind.

Rechtsgrundlage für die Rückforderung als solche ist § 50 Absatz 1 Satz 1 SGB X. Zur nachträglichen Berichtigung der Honorarabrechnung war die Antragsgegnerin unmittelbar auf Grundlage von § 106d Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 1. Halbsatz SGB V berechtigt. Danach prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung und stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest.

Die Antragsgegnerin hat die Honorarkorrektur nicht im Ergebnis einer Plausibilitätsprüfung vorgenommen. Plausibilitätsprüfungen sind in § 106d Absatz 2 Satz 1 2. Halbsatz und Satz 2 ff. SGB V als besonderes Verfahren zur Aufdeckung rechtswidriger Abrechnungen mit dem Ziel der sachlich-​rechnerischen Richtigstellung gesondert geregelt und ergänzend durch die Verfahrensordnung über den Inhalt und die Durchführung der Plausibilitätsprüfungen gemäß § 106d Absatz 2 SGB V ausgestaltet. Die Honorarabrechnungen des Antragstellers für die Quartale 1/2016 bis 4/2016 waren bereits Gegenstand von Plausibilitätsprüfungen, die – jedoch nicht hinsichtlich der unter der Arztnummer des angestellten Arztes M. abgerechneten Leistungen – zu Honorarkorrekturbescheiden geführt haben, die Gegenstand eines weiteren Antragsverfahrens vor dem Sozialgericht – S 25 KA 147/19 ER – waren. Eines solchen vorgeschalteten Verfahrens zum Auffinden von Unrichtigkeiten der Abrechnung bedurfte es hier nicht, da die Antragsgegnerin sich auf Grund der ihr vorliegenden Erkenntnisse in der Lage sah, unmittelbar festzustellen, dass die unter der Arztnummer des angestellten Arztes angesetzten Leistungen falsch abgerechnet waren, und die bereits bestandskräftigen Honorarbescheide richtig zu stellen.

Aus diesem Grund greift auch der Einwand des Antragstellers nicht durch, der Ausgangsbescheid sei formell rechtswidrig, weil er nicht durch den nach der Verfahrensordnung über den Inhalt und die Durchführung der Plausibilitätsprüfungen gemäß § 106d Absatz 2 SGB V zuständigen Plausibilitätsausschuss der Bezirksgeschäftsstelle der Antragsgegnerin erlassen worden sei. Die Verfahrensordnung ist, da die Richtigstellung nicht auf einer Plausibilitätsprüfung beruhte, schon nicht anwendbar. Es kann deshalb offen bleiben, ob das Übergehen des Plausibilitätsausschusses einen Verfahrensfehler darstellt, der nur durch Nachholung der Mitwirkung geheilt werden könnte (§ 41 Absatz 1 Nummer 4 SGB X), oder ob die funktionelle Binnenzuständigkeit des Ausschusses für den Erlass des Ausgangsbescheides ohnehin keine rechtliche Außenwirkung entfaltet. Beim Erlass von Richtigstellungsbescheiden steht es der Landesgeschäftsstelle der Antragsgegnerin frei, jederzeit das Verfahren von den Bezirksgeschäftsstellen an sich zu ziehen. Eine Verletzung von Vorschriften über die sachliche (Behörden-​)Zuständigkeit kann daraus nicht resultieren.

Die Antragsgegnerin war an der Korrektur der bestandskräftigen Honorarbescheide auf dieser Grundlage nicht durch den Ablauf der in § 106d Absatz 5 Satz 3 SGB V geregelten Ausschlussfrist von zwei Jahren gehindert. Es kann offen bleiben, ob diese Regelung überhaupt für Honorarkorrekturen gilt, die nicht auf Grund einer Plausibilitätsprüfung ergehen. Denn die Frist ist hier auf jeden Fall gewahrt. § 106d Absatz 5 Satz 3 SGB V in der Fassung des Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vom 06.05.2019, wonach die Maßnahmen, die aus den Prüfungen unter anderem nach § 106d Absatz 2 SGB V folgen, innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides festgesetzt werden müssen, ist erst am 11.05.2019, mithin nach Erlass der Honorarbescheide, jedoch vor Erlass des Richtigstellungsbescheides, in Kraft getreten. Bis zu diesem Zeitpunkt war nach der Rechtsprechung bei sachlich-​rechnerischen Richtigstellungen eine Frist von vier Jahren ab der Bekanntgabe des Honorarbescheides einzuhalten, wobei unter den Voraussetzungen des § 45 Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 SGB V eine Honorarkorrektur auch über diese zeitliche Grenze hinaus zulässig war (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2001 – B 6 KA 3/01 R –, Rn. 47; Urteil vom 24.10.2018 – B 6 KA 34/17 R –, Rn. 28; Urteil vom 15.05.2019 – B 6 KA 63/17 R –, Rn. 34). Artikel 17 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Nummer 59 Buchstabe b TSVG ordnet das Inkrafttreten der neuen Frist ab dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes an, ohne insoweit näher zu differenzieren, auf welche Sachverhalte sich die Neuregelung erstrecken soll und an welches Ereignis der Lauf der neuen, kurzen Ausschlussfrist in den Fällen anknüpfen soll, in denen der Honorarbescheid bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits ergangen war.

Trifft bei der gesetzlichen Abkürzung von Verjährungs- und anderen (Ausschluss-​)Fristen, für die der Gesetzgeber die entsprechende Geltung verjährungsrechtlicher Regelungen – wie hier in § 106d Absatz 5 Satz 3 2. Halbsatz SGB V in Verbindung mit § 45 Absatz 2 SGB I – angeordnet hat, das Änderungsgesetz keine detaillierte Übergangsregelung zum sachlichen Anwendungsbereich der Neuregelung, ist auf die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Rechts zurückzugreifen, wie sie der Gesetzgeber beispielhaft in Artikel 169 Absatz 2 und Artikel 231 § 6 Absatz 2 und 3 EGBGB zum Ausdruck gebracht hat. Danach wird, wenn die neue Frist kürzer als die noch nicht abgelaufene längere Frist nach bisherigem Recht ist, die kürzere Frist ab dem Inkrafttreten der Neuregelung auch auf die vor Inkrafttreten des Gesetzes ausgelösten und noch nicht abgelaufenen Fristen angewandt. Läuft jedoch die längere Frist nach altem Recht früher als die kürzere neue Frist ab, so bleibt deren Ablauf für den Eintritt der Verjährung bzw. der verjährungsähnlichen Ausschlusswirkung maßgeblich.

Hier wurde der Lauf der vierjährigen Ausschlussfrist alten Rechts durch die Bekanntgabe der Honorarbescheide für das Quartal 1/2016 vom 25.07.2016, für das Quartal 2/2016 vom 25.10.2016, für das Quartal 3/2016 vom 25.01.2017 und für das Quartal 4/2016 vom 25.04.2017 ausgelöst und würde damit quartalsweise zum Ablauf des 28.07.2020, 28.10.2020, 28.01.2021 bzw. 28.04.2021 enden. Der Lauf der zweijährigen Verjährungsfrist nach § 106d Absatz 5 Satz 3 SGB V wurde erst durch das Inkrafttreten der Neuregelung am 11.05.2019 ausgelöst und würde damit frühestens mit Ablauf des 10.05.2021 enden. Maßgeblich bleibt damit die vierjährige Frist nach der bisherigen Rechtsprechung. Der Richtigstellungsbescheid vom 17.09.2019 hat diese gewahrt.

Die Honorarkorrektur ist rechtmäßig, weil die Abgeltung der im Zeitraum vom 29.01.2016 bis zum 15.10.2016 unter der Arztnummer des angestellten Arztes abgerechneten Leistungen unrichtig war. Die in den betreffenden Quartalen unter dieser Arztnummer abgerechneten Leistungen können nicht wie angesetzt – durch den angestellten Arzt M. – erbracht worden sein. Die erbrachten Leistungen sind nicht richtig – unter der Arztnummer des tatsächlich tätig gewordenen Arztes – abgerechnet worden.

Aus § 37a Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 44 Absatz 7 Satz 1 BMV-​Ä folgt die Verpflichtung, die vertragsärztlichen Leistungen bei der Abrechnung unter Angabe der Arztnummer zu kennzeichnen. Dies gilt nach § 37a Absatz 1 Satz 2 und § 44 Absatz 7 Satz 2 BMV-​Ä auch für Leistungen, die von angestellten Ärzten erbracht werden. Zweck der seit dem 01.07.2008 geltenden Kennzeichnungspflicht ist die eindeutige Zuordnung der erbrachten Leistungen zu Ärzten und Betriebsstätten als Grundlage für die Prüfung der eingereichten Abrechnungen auf sachlich-​rechnerische Richtigkeit, Plausibilität und Wirtschaftlichkeit. Nach dem als Satzungsrecht gemäß § 75 Absatz 7, § 81 Absatz 3 Nummer 2 SGB V für alle Vertragsärzte verbindlichen § 1 Absatz 2 Satz 1 der Richtlinie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach § 75 Absatz 7 SGB V zur Vergabe der Arzt-​, Betriebsstätten- sowie der Praxisnetznummern ermöglicht die Arztnummer die Zuordnung der ärztlichen Leistungen und Verordnungen zu der Person des Leistungserbringers. Die zutreffende Kennzeichnung ist ausgehend von diesem Zweck eine Voraussetzung für die Richtigkeit der Abrechnung. Unzutreffend gekennzeichnete Leistungen sind unrichtig.

Indem der Antragsteller vertragsärztliche Leistungen unter der Arztnummer eines angestellten Arztes abgerechnet hat, der diese Leistungen in diesem Zeitraum nicht erbracht haben kann, weil er – unbestritten – arbeitsunfähig war, hat er unrichtig abgerechnet.

Ohne Erfolg hält der Antragsteller dem entgegen, der angestellte Arzt habe sich während seiner krankheitsbedingten Abwesenheit rechtmäßig durch andere Ärzte der Praxis vertreten lassen dürfen, wobei die durch Vertreter erbrachten Leistungen ihm zuzurechnen seien und deshalb unter seiner Arztnummer hätten angesetzt werden dürfen, ohne dass die Einschränkungen des § 32b Absatz 6 Ärzte-​ZV eingriffen. Diese Auffassung ist unzutreffend und kann auch nicht auf das zitierte Urteil des BSG vom 12.12.2011 – B 6 KA 31/10 R – gestützt werden, wonach die interne Vertretung eines Arztes durch andere Mitglieder einer Berufsausübungsgemeinschaft zulässig ist, ohne dass die Vertretungsregelungen des § 32 Ärzte-​ZV eingreifen. Zum einen betrifft das Urteil des BSG Richtigstellungen von Honorarabrechnungen aus den Jahren 2006 und 2007, also vor Inkrafttreten der Kennzeichnungspflicht. Dem entsprechend lässt sich der Entscheidung schon keine Aussage dazu entnehmen, wie im Vertretungsfall im Sinne des §§ 32, 32b Absatz 6 Ärzte-​ZV und im Falle der praxisinternen Vertretung die durch den Vertreter erbrachten Leistungen zu kennzeichnen sind. Zum anderen bestätigt das Urteil lediglich, dass in Berufsausübungsgemeinschaften die abrechneten Leistungen unabhängig vom konkret die Leistung erbringenden Arzt stets der Berufsausübungsgemeinschaft als Abrechnungssubjekt zuzurechnen sind. Insoweit gilt für Praxen mit angestellten Ärzten nichts anderes. Der Bundesmantelvertrag ordnet jedoch trotz dieser Abrechnungseinheit auch in Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten ausnahmslos eine individuelle Kennzeichnungspflicht an. Das bedeutet aber, dass die Zurechnung der von den verschiedenen Ärzten erbrachten Leistungen zur Berufsausübungsgemeinschaft bzw. zum anstellenden Arzt den Vertragsarzt nicht von der richtigen individuellen Kennzeichnung enthebt. Eine Fremdzurechnung bei der Kennzeichnung ist unzulässig.

Gerade weil auch bei der praxisinternen Vertretung eines angestellten Arztes die Leistungen ohnehin dem Praxisinhaber zugerechnet werden, bestehen weder Anlass noch Rechtfertigung, die von einem angestellten oder Vertragsarzt der Praxis als interner Vertreter eines erkrankten angestellten Arztes erbrachten Leistungen unzutreffend mit der Arztnummer des abwesenden Arztes zu kennzeichnen. Eine solche falsche Kennzeichnung lässt sich deshalb – ohne dass es hier insoweit auf den Nachweis des Vorsatzes ankäme – nur mit dem Ziel der Verschleierung der Identität des tatsächlich tätig gewordenen Arztes zum Zwecke der Täuschung bei der Abrechnungsprüfung über die sachlich-​rechnerische Richtigkeit, Plausibilität und Wirtschaftlichkeit erklären.

Für die – ebenfalls unzutreffende (vgl. SG Dresden, Beschluss vom 21.11.2019 – S 25 KA 147/19 ER – Rn. 67 ff.) – Annahme des Antragstellers, im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen sei ein praxisbezogenes Tages- bzw. Quartalszeitprofil zu bilden, ohne dass es darauf ankomme, welcher Arzt konkret welche Leistung erbracht habe, gilt das Gleiche. Wenn diese Annahme zuträfe, hätte die Falschetikettierung erst Recht keinen legitimen Sinn, weil die erbrachten Leistungen dann gerade nicht nach Ärzten aufzuschlüsseln wären. Wenngleich es für die sachlich-​rechnerische Richtigstellung hier nicht auf die von § 45 Absatz 2 Satz 3 Nummer 2 und 3 SGB X geforderte Bösgläubigkeit ankommt, so ist der unlogische Vortrag des Antragstellers auch nicht geeignet, den Eindruck von Gutgläubigkeit zu vermitteln.

Daraus, dass die Abrechnung der Leistungen seiner angestellten Ärzte unter Kennzeichnung mit der zutreffenden Arztnummer dem Antragsteller obliegt, folgt zugleich, dass die Antragsgegnerin nicht verpflichtet war, dem Antragsteller im Rahmen der Anhörung nach § 24 SGB X näher aufzuschlüsseln, welche einzelnen Ansätze aus diesem Grund falsch gewesen sein sollen. Denn hierbei handelt es sich um Umstände, die dem Antragsteller als zur Abrechnung verpflichtetem Praxisinhaber und Dienstherren des angestellten Arztes aus eigener Anschauung bekannt sein müssen. Wie sich die Rückforderung nach der Berechnung der Antragsgegnerin zusammensetzt, hat diese dem Antragsteller mit Übersendung der Anlagen zum Anhörungsschreiben vom 28.10.2019 in prüffähiger Weise verdeutlicht. Dem Recht auf rechtliches Gehör ist deshalb Genüge getan, wenn die Absicht kundgetan wird, die abwesenheitsbedingt unter der Arztnummer des angestellten Arztes zu Unrecht abgerechneten Honorare richtig zu stellen, und er damit die Möglichkeit hat, selbst an Hand seiner Abrechnungsunterlagen die Abrechnungspositionen zu benennen, die gleichwohl rechtmäßig abgerechnet sein sollen, und dies zu begründen. Diesen Anforderungen genügen die Anhörungsschreiben vom 02.07.2019, 05.08.2019 und 28.10.2019 sowie der Richtigstellungsbescheid vom 17.09.2019.

Auf Grund des groben systematischen Fehlers ist die Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung aufgehoben und die Quartalsabrechnung des Antragstellers jedenfalls hinsichtlich der mit der Arztnummer des angestellten Arztes gekennzeichneten Positionen insgesamt korrumpiert. Es wäre Sache des Antragstellers gewesen, detailliert darzulegen und zu beweisen, dass der angestellte Arzt in den betreffenden Quartalen trotz Krankschreibung doch einzelne Leistungen, die unter seiner Arztnummer angesetzt wurden, selbst erbracht hat. Diesen Beleg ist der Antragsteller schuldig geblieben.

Da die gegen den Richtigstellungsbescheid erhobenen Einwände nicht durchgreifen und keine Gründe ersichtlich sind, aus denen die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne des § 86a Absatz 3 Satz 2 SGG zur Folge hätte, bleibt es bei der Vollziehbarkeit der Honorarrückforderung.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 52 Absatz 3, § 53 Absatz 2 Nummer 4, § 1 Absatz 2 Nummer 3, § 3 Absatz 1 und § 63 Absatz 2 Satz 1 GKG jeweils in Verbindung mit § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG. Der gemäß § 53 Absatz 3 Nummer 4 in Verbindung mit § 52 Absatz 1, 2 und 7 GKG festgesetzte Streitwert bemisst sich nach einem Viertel des Rückforderungsbetrages aus dem streitgegenständlichen Richtigstellungsbescheid (vgl. Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit Auflage 2017, A.II.10.2 und B.VI.14.3).

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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