(9.6.2020) Die Herstellerin einer Großkopf-Hüfttotalendoprothese, die einem Patienten im Jahre 2005 implantiert wurde (und die Metall aus dem Konusadapter in das Blut des Patienten abgab), muss wegen eines Instruktionsfehlers dem Patienten Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro zahlen (Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 8.6.2020 - 14 U 171/18).

Hüfte RoentgenDer Fall:

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus Produkthaftung wegen einer Hüftprothese.

Der 1957 geborene Kläger litt an einer schweren Verschleiß der rechten Hüfte und wurde daher 2005 operativ mit einer Hüft-​Total-Endoprothese (TEP) versorgt.

Die Beklagte Ziff. 1 ist die Herstellerin des Prothesensystems. Die Beklagte Ziff. 2 hat es in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) importiert.

Das Prothesensystem bestand aus einer Metall-​auf-​Metall-​Gleitpaarung.

Im Einzelnen kam eine Hüftpfanne der Marke Durom, Größe 52 mm, ein Prothesenkopf der Marke Metasul, Durchmesser 52 mm, Größe S, ein Konusadapter der Größe 12/14 und ein Prothesenschaft der Größe 12,5 mit einem Konusschaft von 14 mm zum Einsatz.

Bei der Implantation des Prothesenschaftes am 24.06.2005 bei dem Kläger kam es zu einer Femurfissur, die mit einer Cerclage versorgt wurde. Der sich anschließende Heilungsverlauf war komplikationslos und der Kläger wurde alsbald nahezu schmerzfrei.

Im Januar 2009 ergab sich bei einer Routineuntersuchung des Klägers bei der Streithelferin der Verdacht auf einen erhöhten Metallabrieb. Im August 2009 wurden durch Röntgenbildgebung Osteolysen am Trochanter major festgestellt.

Auf Anraten der Ärzte der Streithelferin unterzog sich der Kläger 2009 einer Revisionsoperation, bei der Pfanne und Kopf der Prothese gewechselt, der Schaft hingegen im Femur belassen wurde.

Die Operateure stellten zwei große Osteolysen am Trochantermassiv des Femurs, eine ausgeprägte Bursitis trochanterica sowie eine gräuliche Masse „ähnlich einer Maultaschenfüllung“ und einen schwarz gefärbten Konus mit Kranz fest. Der Prothesenkopf ließ sich problemlos vom Konus entfernen. Die Pfanne saß ausreichend fest, war jedoch knöchern nicht in den Beckenknochen integriert.

Zwei Blutproben am Tag der Revision ergaben folgende Werte: Chrom 1,3 µg/l und 1,6 µg/l sowie Kobalt 4,9 µg/l und 5,6 µg/l. Es wurden zudem Proben des periprothetischen Gewebes entnommen und später untersucht.

Der Kläger verlangte von dem Hersteller und dem Importeur Schmerzensgeld und Schadensersatz für die aus seiner Sicht fehlerhafte Hüftprothese. 

Das Landgericht Freiburg gab der Klage statt: Weist die Bedienungsanleitung einer Hüftprothese nicht darauf hin, dass die Hüftprothesen von dem operierenden Arzt mit großer Kraft eingeschlagen werden müssen, so liegt ein Instruktionsfehler im Sinne des Produkthaftungsgesetzes vor und der Hersteller der Prothese ist dem Patienten u.a. zum Ersatz der Kosten für den Austausch der Prothese verpflichtet (Landgericht Freiburg (Breisgau), Urteil vom 15. Oktober 2018 – 1 O 240/10).

Der Hersteller gingen in Berufung.

Das OLG Karlsruhe bestätigte das Urteil der LG Freiburg und wies die Berufung ab. 

Die Entscheidung:

Der gerichtliche Sachverständige hat einen erheblichen Metallabrieb in der Hüftprothese bestätigt. Dieser Abrieb werde dadurch verursacht, dass die aus verschiedenen Legierungen bestehende Konussteckverbindung bei der Operation mit einer unzureichenden Krafteinwirkung zusammengefügt wurde. Auch wenn die Schadensmechanismen noch nicht abschließend geklärt seien, sei Korrosion die wesentliche Ursache.

Die Korrosion hätte durch einen hinreichend festes Einschlagen der Prothese verhindert werden können. Die Prothese werde aber, so der Sachverstöändige, in der Regel aber mit weniger Kraft von den Ärzten eingeschlagen, als erforderlich sei, um eine feste Verbindung zu erzielen.

In der Einbauanleitung des Herstellers der Prothese sei aber nur ein sanfter Schlag vorgeschrieben.

Damit ist die Einbauanleitung falsch, es liegt also ein Instruktionsfehler vor, für den der Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz haften muss. 

Praxisanmerkung:

Der Einbau von Hüft-Total-Endoprothesen ist der große Geldbringer in Kliniken, da diese aufwändige Operation vergleichsweise gut vergütet wird von den Krankenkassen. Entsprechend häufig werden diese Operationen in Deutschland durchgeführt. Allerdings sind diese Operationen in jeder Hinsicht technisch anspruchsvoll und fehlerträchtig. Somit sind sie für den Patienten auch mit Risiken behaftet: Die Prothesen können nicht passen, sie können sich lockern, zu Entzündungen führen, brechen und sie können - wie der hiesige Fall zeigt - erhöhten Metallabrieb verursachen und somit den Patienten langsam vergiften. All diese Risiken muss der Arzt vor der Operation dem Patienten auch mitteilen. Die Aufklärung wird von Ärzten aber wird oft sehr stiefmütterlich behandelt. 

Die menschliche Hüfte vollständig zu ersetzen ist ein großer und weitreichender Eingriff mit vielen Risiken. Nach Möglichkeit sollten daher konservative Therapien wie Muskelaufbau, Mobilisiation und begleitende Schmerztherapie ausgereizt werden, bevor sich ein Patient zu einem solchen erheblichen Einschnitt entscheidet. Die Hüfte sollte nur dann "raus", wenn sie wirklich unrettbar verloren ist. Das sollte der Arzt dem Patienten auch so sagen. Im Übrigen sollten Patienten sich nur in solchen Kliniken operieren lassen, die solche Eingriffe sehr häufig durchführen und deren Ärzte somit sehr erfahren sind. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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