(24.6.2020) "Schuster, bleib bei Deinen Rappen" sagt der Volksmund. Ein Heilpraktiker hätte besser die Hände gelassen von der Übernahme einer Krebsbehandlung mit homöopatischen Globuli, die letztlich mit dem Tod der Patientin endete. Seine Erlaubnis wurde ihm deshalb entzogen. Dagegen wehrte sich der Heilpraktiker, hatte damit aber vor dem Bayrischen Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 27.5.2020 – 21 CS 20.433) kein Glück.  

Heilpraktiker behandelt Brustkrebs mit Homöopathie - Erlaubnis entzogen!Der Fall:

2008 diagnostizierten Klinikärzte mittels MRT und Feinnadelbiopsien eine Brustkrebs-Vorstufe bei einer Patientin. Ohne adäquate Therapie entwickele sich diese Krebsvorstufe zu einem invasiven Karzinom weiter und werde über einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit Sicherheit einen tödlichen Verlauf nehmen, so die Ärzte. Die Ärzte empfahlen die Standardtherapie: die komplette operative Entfernung der Milchdrüsen der Brust (Mastektomie).  

Die Patientin wollte eine Zweitmeinung dazu einholen und suchte mit ihren Untersuchungsunterlagen einen Heilpraktiker auf. Dieser sah sich die Unterlagen durch und führte eine Untersuchung mittels einer Metallrute durch. Er diagnostizierte dabei, dass die Patientin keinen Krebs habe, sondern lediglich an einer Milchdrüsenentzündung leide. Er empfahl eine homöopathische Behandlung dieser Entzündung. Die Patientin glaubte dem Heilpraktiker und ließ sich von diesem bis 2013 homöopathisch behandeln. Auf eine schulmedizinische, operative Behandlung der Brust verzichtete sie. 

Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich ab Ende 2012. Mitte April 2013 wurde sie im Krankenhaus aufgenommen, wo man u.a. ausgeprägte Metastasen im Brust-, Leber- und im Wirbelsäulenbereich feststellte. Sie verstarb im April 2013 an den Folgen der Krebserkrankung.

Das Strafverfahren gegen den Heilpraktiker wegen falscher Behandlung mit Todesfolge endete mit einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen. Die Behandlung des Heilpraktikers sei zwar fehlerhaft gewesen, aber es ließe sich nicht nachweisen, dass seine Pflichtverletzung kausal für den Eintritt des Todes der Patientin gewesen sei.

Die zuständige Behörde wiederrief - gestützt auf die Festellungen, die das Strafgericht getroffen hatte - die Erlaubnis des Heilpraktikers und ordnete die sofortige Vollziehung des Widerrufs der Berufserlaubnis des Heilpraktikers an.

Dagegen wehrt sich der Heilpraktiker in diesem Verfahren. Die Behörde hätte aus seiner Sicht den Widerruf nicht ohne Weiteres auf die Feststellungen des Strafgerichts stützen dürfen, da eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers nicht vorliege, sondern dieser vielmehr freigesprochen worden sei. Auch gebe es mildere Mittel als den Widerruf. 

Die Entscheidung:

Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof ließ das nicht gelten und wies die Beschwerde des Heilpraktikers als unbegründet zurück. 

Der Heilpraktiker habe im Einzelnen folgende Pflichten verletzt:

  • Er hätte aufgrund der ihm von der Patientin vorgelegten Untersuchungsbefunde (insbesondere des histopathologischen Befunds) ohne Weiteres erkennen können, dass die Patientin an einer ausgeprägten Brustkrebsvorstufe gelitten habe und dringend entsprechender ärztlicher Behandlung bedürft hätte.
  • Er hätte auf die gebotene schulmedizinische Behandlung der Patientin hinwirken müssen.
  • Er hätte also erkennen müssen, wo seine fachlichen Grenzen liegen.
  • Er durfte sich nicht über die vorliegenden ärztlichen Befunde hinwegsetzen
  • und er durfte der von ihm behandelten Patientin nicht erklären, dass sie an keiner Krebserkrankung leide, sondern lediglich an einer Milchdrüsenentzündung.

Auch dürfe sich die Behörde allein auf die Festellungen zum  Sachverhalt in einem Straurteil stützen, auch wenn der Angeklagte letztlich freigesprochen worden sei. Gerade im Ordnungsrecht dürften diese Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder der gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen ergeben.

Es gebe auch kein milderes Mittel als den Widerruf: Liegt sittliche Unzuverlässigkeit vor, ist die Heilpraktikererlaubnis zwingend zu widerrufen, so das Gericht. Die Heilpraktikererlaubnis, die grundsätzlich zur Ausübung der gesamten Heilkunde berechtigt, kann nicht - wie der Heilpraktiker hier meinte - auf „nicht schwerwiegende Krankheitsfälle“ beschränkt werden.

Praxisanmerkung:

Heilpraktikern wird von Ärzten immer wieder vorgeworfen, nicht hinreichend fachlich kompetent zu sein, um Patienten mit erheblichen Erkrankungen behandeln zu können. Der vorliegende Fall läßt den Leser jedenfalls an der Fähigkeiten des hier betroffenen Heilpraktikers stark zweifeln. Seine medizinische Entscheidung zum Abbruch der schulmedizinischen Behandlung und dem Umschwenken zu einer homöopathischen Behandlung der Brustkrebserkrankung ist in keiner Weise nachvollziehbar. Einsicht in sein Fehlverhalten zeigt der Heilpraktiker ebenfalls nicht. Insofern ist es verständlich, dass das Gericht hier seinen Antrag, ihm vorläufig bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens seine Erlaubnis zu belassen, abgewiesen hat.  

Jedem Heilpraktiker muss bewusst sein, dass homöopathische Medikamente keinen einzigen evidenzbasierten Wirkungsnachweis für sich ins Feld führen können. Erst recht nicht im Bereich der Krebsbehandlung. Insofern ist die Entscheidung des Heilpraktikers hier schlicht als "völliger Wahnsinn" zu bezeichnen. Homöopathische Medikamente können eine schulmedizinische Behandlung unterstützen - ersetzen können sie die schulmedizinische Behandlung nicht. Ärzte und Heilpraktiker, die dies trotzdem versuchen, riskieren Kopf und Kragen und gefährden die Gesundheit und das Leben ihrer Patienten. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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