(4.9.2020) Immer mehr Ärzte arbeiten auf einer halben Zulassung. Wie viele Patienten darf man mit einer halben Zulassung behandeln? Eine aktuelle Entscheidung des Sozialgerichts Marburg stellt klar, dass ein niedergelassener Arzt im Quartal jedenfalls nicht mehr als 390 Stunden Leistungen erbringen darf (Sozialgericht Marburg, Gerichtsbescheid vom 21. August 2020 – S 12 KA 1/18). 

Honorarrückforderung wegen zuviel Arbeit des ArztesDer Fall:

Ein Orthopäde einer Gemeinschaftspraxis verzichtete 2012 auf die Hälfte seiner ehemals vollen Zulassung.

Die Kassenärztliche Vereinigung fand es auffällig, dass der Arzt dann aber gleichwohl Leistungen abrechnete, die in der Summe gemäß der geltenden Prüfzeiten an mehreren Tagen mit bis zu 20 Stunden am Tag veranschlagt wurden und dass er so sogar deutlich über 780 Stunden im Quartal abrechnete.

Die KV kürzte das Honorar des Arztes erheblich.

Dagegen wehrte sich der Arzt.

Die Entscheidung:

Das Sozialgericht Marburg wies die Klage als unbegründet zurück und führte dazu aus:

  1. Bei einem halben Versorgungsauftrag ist der Grenzwert (ein Aufgreifkriterium für die Auffälligkeitsprüfung der Abrechnung) überschritten bei einer Tagesarbeitszeit von mehr als 6 Stunden und einer Quartalsarbeistzeit von mehr als 390 Stunden (Rn. 65 bei juris). 
  2. Dass Kollegen des überdurchschnittlich abrechnenden Orthopäden in der BAG unterdurchschnittlich abrechnen, berechtigt den Orthopäden nicht dazu, über seinen hälftigen Versorgungsauftrag hinausgehende Leistungen abzurechnen (Rn. 67 bei juris).
  3. Hohe Patientenzahlen, besondere Sprechstundenzeiten bzw. Praxisöffnungszeiten oder besondere Strukturen der Praxis (hier z.B. acht Behandlungsräume zur gleichzeitigen Behandlung mehrerer Akupunkturpatienten) können die Überschreitung des Tagesprofils nicht rechtfertigen (Rn. 69 bei juris). 
  4. Körperakupunkturleistungen (Nr. 30791 EBM) sind bei der Prüfung der Zeiten im Tagesprofil mit 10 Minuten (bei einer Kalkulationszeit von 13 Minuten) zu berücksichtigen (Rn. 70 bei juris). Schneller kann auch ein erfahrener Arzt diese Leistung nicht erbringen (Rn. 93 bei juris).
  5. Die Ende 2019 erfolgte Verringerung der Prüfzeiten wirkt nicht auf frühere Zeiträume (hier ab 2012) aus (Rn. 99 bei juris). 

Praxisanmerkung: 

Egal ob Sie als Arzt nun mit einer halben oder mit einer ganzen Zulassung tätig sind - halten Sie Ihre Prüfzeiten mittels der Praxissoftware oder sonstwie im Blick, sonst drohen Honorarkürzungen. Der niedergelassene Arzt kann seine GKV-Einnahmen also nicht über die Menge der Behandlungen steuern, auch dann nicht, wenn er viele Leistungen delegiert und - wie hier - quasi "am Fließband" erbringt. Eine Steuerung der Einnahmen ist daher nur über die Verringerung der Ausgaben sowie die Erbringung von IGEL und Privatleistungen möglich. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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