(12.10.2020) Ein Augenarzt verliert seinen Honoraranspruch, wenn er den laufenden Behandlungsvertrag mit dem Patienten nach der Operation des ersten Auges kündigt, weil der Patient mit dem Ergebnis der Operation (Fernsicht statt vereinbarter Nahsicht) unzufrieden war (Amtsgericht München, Urt. v. 2.3.20 - 159 C 22718/18).

AugenoperationDer Fall:

Paient und Augenarzt vereinbarten zwei Operationen beider Augen. Der Patient litt an Grauem Star. Ziel der Operationen war möglichst Brillenfreiheit und eine sogenannte Zielrefraktion von - 0,75 Dpt (Nahsicht).

Zuerst operierte der Arzt das rechte Auge. Das Resultat war +0,75 Dioptren, sprich eine Fernsicht. Der Patient war mit dem Ergebnis unzufrieden und fragte den Arzt mehrfach, wie die OP des anderen Auges ablaufen solle. Daraufhin kündigte der Arzt den Behandlungsvertrag und verlangte Zahlung der Kosten der ersten Operation in Höhe von rund 2.600 €.

Der Patient meinte, dass eine räumliche Sicht ohne Brille im Nahbereich nur durch eine neue OP des rechten Auges erreicht werden könnte.

Die Entscheidung:

Das Gericht zog einen Sachverständigen zu Rate und wies die Zahlungsklage des Arztes als unbegründet ab, weil die OP am rechten Auge des Patienten für diesen insgesamt "wertlos" sei. Zwar schulde der Arzt keinen Erfolg, sondern nur eine Dienstleistung. Wenn aber der Arzt den Vertrag kündigt, ohne durch vertragswidriges Verhalten des Patienten dazu veranlasst worden zu sein, hat der Arzt ausnahmsweise keinen Anspruch auf die Vergütung, soweit die Leistungen für den Patienten kein Interesse mehr haben (§ 628 Abs.1 Satz 2 BGB).

Bereits die Zielrefraktion von - 0,75 Dpt sei für das Erreichen einer Nahsicht nicht korrekt gewesen. Die richtige Zielrefraktion wäre (wegen der Streubreite von einer Dpt) - 2,5 gewesen, um auf 40 cm gut zu sehen. Die gewünschte Nahsicht könne auch nicht mit der weiteren OP am linken Auge erreicht werden. Das würde zu unterschiedlichen Werten rechts und links und zu Kopfschmerzen führen.

Der Arzt könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Beseitigung des Grauen Stars ja auch schon ein selbständig verwertbarer Erfolg sei. Denn die Beseitigung der Trübung sei untrennbar mit der verfehlten Nahsicht verbunden.

Im Übrigen stünden dem Patienten auch Schadensersatzansprüche zu, die ebenfalls dem Vergütungsanspruch des Arztes entgegen stünden.

Praxisanmerkung:

In der Gestaltung der Behandlung ist ein Arzt relativ frei. Werden aber Ziele vereinbart, wie hier eine Nahsicht, und erreicht der Arzt das Ziel nicht, behält er gleichwohl seinen Honoraranspruch. Nur wenn ausnahmsweise die Leistung des Arztes nach einer Kündigung des Behandlungsvertrages für den Patienten wertlos geworden ist, verliert er sein Honorar. Wertlos wird die Behandlung zum Beispiel dann, wenn der Patient die Behandlung noch einmal durchführen lassen muss.

Fazit: Der Arzt sollte die Behandlung nach Möglichkeit zu Ende führen und eigene Kündigungen vermeiden, da diese die Honoraransprüche gefährden, wenn die Behandlung woanders erneut durchgeführt werden muss. Wenn der Patient unzufrieden ist, kann er selbst kündigen, hat dann aber grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Rückzahlung des Honorars. Am besten sollte der Arzt das klärende Gespräch mit dem Patienten suchen, um auch eine Kündigung des Patienten zu verhindern. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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