Die wissenschaftliche Anerkennung eines Verfahrens im Sinne des Psychotherapeutengesetzes erfordert einen nachprüfbaren Beleg der Wirksamkeit. Solange der einem antizipierten Sachverständigengutachten gleichkommenden Einschätzung des Wissenschaftlichen Beirats keine durchgreifenden tatsächlichen Gründe entgegen stehen, ist sie bei der Entscheidung über die Zulassung eines Therapieverfahrens zu Grunde zu legen (BVerwG, Urt. vom 30.04.2009 – 3 C 4/08 -).

Das Bundesverwaltungsgericht hatte über die Zulassung einer Ausbildungsstätte für Kinder- und Jugendpsychotherapie mit dem Vertiefungsgebiet Gesprächpsychotherapie zu entscheiden. Das Psychotherapeutengesetz verlangt eine Ausbildung in wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren. Die beklagte Behörde hatte die Zulassung versagt, weil die Wirksamkeit der Gesprächspsychotherapie für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen nicht wissenschaftlich belegt sei. Sie hat sich dabei auf Gutachten des von der Bundesärztekammer und der Bundespsychotherapeutenkammer gebildeten Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie gestützt.

Auf die Klage des Ausbildungsinstituts hat das vorinstanzliche Oberverwaltungsgericht die beklagte Behörde zu einer Neubescheidung des Antrags der Klägerin verpflichtet. Es hat angenommen, dass ein Verfahren auch ohne Wirksamkeitsnachweis wissenschaftlich anerkannt sei, wenn es in der Fachdiskussion Resonanz gefunden habe und in der Praxis angewandt werde. Außerdem sei die Wirksamkeit der Gesprächspsychotherapie jedenfalls bei Erwachsenen nachgewiesen; gleiches müsse deshalb für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen gelten.

Das BVerwG hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Wissenschaftliche Anerkennung eines Verfahrens im Sinne des Psychotherapeutengesetzes erfordere einen nachprüfbaren Beleg der Wirksamkeit. Psychotherapie sei gesetzlich definiert als Heilung von seelischen Störungen mit Krankheitswert mittels wissenschaftlich anerkannter Verfahren. Die Anwendung von möglicherweise wirkungslosen oder gar schädlichen Therapieverfahren könne dazu nicht zählen. Durch die Beschränkung auf wissenschaftlich anerkannte Verfahren wolle der Gesetzgeber neben der Verhinderung von Missbrauch die Qualität der psychotherapeutischen Ausbildung absichern und das neue Berufsbild abheben von der Ausübung der Psychotherapie durch Heilpraktiker mit beliebiger Vorbildung. Das Erfordernis eines Wirksamkeitsnachweises und nicht bloß einer gewissen Verbreitung in der Praxis zeige sich auch daran, dass der Gesetzgeber zur Begutachtung der wissenschaftlichen Anerkennung eines Psychotherapieverfahrens in Zweifelsfällen die Einschaltung des Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie vorgesehen habe.

Aus der wissenschaftlichen Anerkennung der Gesprächspsychotherapie bei Erwachsenen könne nicht auf Kinder und Jugendliche geschlossen werden. Der Gesetzgeber habe durch die Trennung der Berufe in Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie die unterschiedlichen Ausbildungen zwischen diesen Altersgruppen unterschieden. Zudem seien die Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates zur wissenschaftlichen Anerkennung der Gesprächspsychotherapie ausdrücklich nur auf Erwachsene beschränkt; für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen habe der Beirat keine ausreichenden Wirksamkeitsbelege gesehen.

Bei der erneuten Entscheidung werde das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob der einem antizipierten Sachverständigengutachten gleichkommenden Einschätzung des Wissenschaftlichen Beirats durchgreifende tatsächliche Gründe entgegen stehen; ansonsten sei sie zu Grunde zu legen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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