Beatmung eines Patienten(1.12.2020) Ein Krankenhaus darf die intensivmedizinische Komplexbehandlung (OPS 8.980.20) nur dann abrechnen, wenn die intensivmedizinischen Behandlung durch einen Facharzt geleitet wird, der eine Zusatzweiterbildung Intensivmedizin besitzt. Diese Behandlungsleitung erfordert, dass dieser Facharzt auch an Wochenenden zumindest stundenweise auf der Station anwesend ist. Im vorliegenden Fall scheiterte die Abrechenbarkeit von Leistungen über EUR 12.000, weil das Krankenhaus diese Anwesenheit nicht durchgängig sicher stellen konnte (Sozialgericht Dresden, Urteil vom 4. November 2020 – S 18 KR 530/18).

Der Fall:

Ausweislich der Dienstpläne des Krankenhauses waren dort der Oberarzt Dr. A... B.... und die Ärztin K... P...., die beide über die Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" verfügen, in dem Krankenhaus des Klägers tätig. Die Arbeitszeit der beiden Ärzte wurde durch den Kläger so organisiert, dass 7,5 Stunden täglich jeweils einer der beiden entweder in der Frühschicht von 7:00 Uhr bis 15:30 Uhr oder in der Spätschicht von 15:00 bis 23:30 Uhr anwesend war. Außerdem gab es lange Tage mit Anwesenheiten von 7:00 Uhr bis 19:30 Uhr. Das Schichtsystem stellte allerdings nicht sicher, dass an den freien Tagen der Ärzte, also insbesondere an den Wochenenden und in Urlaubsfällen eine tägliche Anwesenheit eines Facharztes mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" gewährleistet war. In dem hier konkret betroffenen Abrechnungsfall waren weder Dr. A... B noch K... B.... am 16.8.2015 (Sonntag) im Krankenhaus des Klägers tätig.

Die beklagte Krankenkasse kürzte nach Beratung durch den MDK für einen Behandlungsfall die Leistungen für die intensivmedizinische Komplexbehandlung um rund 12.000 EUR, weil die Strukturvoraussetzungen zur Kodierung des OPS nicht gegeben seien.

Dagegen klagte das Krankenhaus. Entsprechend qualifizierte Ärzte seien in ausreichendem Maße anwesend bzw. erreichbar gewesen. 

Die Entscheidung:

 

Streitig war letztlich allein die Frage, ob die Strukturvoraussetzungen für die Abrechnung des OPS 8-980.20 – intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur) erfüllt waren. Dies verneinte das Gericht im vorliegenden Fall. "Behandlungsleitung" ist aus Sicht des Gerichts eine gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten - nicht ausreichend sei die lediglich ärztliche Verantwortung für die Organisation und das Funktionieren der Behandlungseinheit.

Das Gericht fordert für die Abrechnebarkeit der OPS 8.980 nach die zumindest stundenweise Anwesenheit des Facharztes mit Zusatzweiterbildung Intensivmedizin. Denn die Behandlungsleitung auf einer Intensivstation sei von den medizinischen Bedürfnissen der Patienten geprägt und weniger planbar als zum Beispiel eine multimodale Schmerzbehandlung.

Es komme daher auf die tatsächliche Ausübung der Behandlungsleitung an. Auch ohne Nennung einer konkreten Anwesenheitszeit im OPS 8.890 könne die Behandlungsleitung demnach nur ein Arzt/ eine Ärztin ausüben, der/ die nach dem Umfang seiner/ ihrer Tätigkeit generell in der Lage ist, diese Verantwortung tatsächlich auch wahrzunehmen, was seine/ ihre Anwesenheit in dem Krankenhaus in einem bestimmten Mindestumfang voraussetzt. Der Begriff Behandlungsleitung erfordere nicht grundsätzlich im Sinne eine 24-stündigen Anwesenheit, vielmehr sei "Behandlungsleitung" funktional für die jeweilige Behandlung zu verstehen.

Bei der intensivmedizinischen Komplexbehandlung erfordere die Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin im Ergebnis aufgrund der medizinischen Gegebenheiten auch eine zumindest stundenweise Anwesenheit dieses Facharztes am Wochenende. Denn in der Intensivmedizin seien elementaren Funktionen von Atmung, Kreislauf, Homöostase und Stoffwechsel lebensgefährlich bedroht oder gestört - es könne dann zu Situationen kommen, in denen der Arzt ungeplant notfallmäßig reagieren müsse. Auf Intensivstationen könne jede Krisensituation aber auch ein Anlass dafür sein, die Behandlungsstrategie an sich einer kritischen Prüfung und ggfls Anpassung zu unterziehen. Diese Maßnahmen der Behandlungsleitung sollen nach dem OPS aber gerade durch Fachärztinnen und Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin durchgeführt werden. Wegen der schwerwiegenden Erkrankungen der Patientinnen und Patienten auf einer Intensivstation könnten behandlungsleitende Entscheidungen auch nicht in jedem Fall zwei Tage warten. Deswegen müssten die für die Behandlungsleitung qualifizierten Ärztinnen und Ärzte täglich verfügbar sein. 

Deshalb könne im Ergebnis die Behandlungsleitung durch eine Person, die nicht nur erfahren ist, sondern gerade die Zusatzweiterbildung absolviert hat, jedenfalls nicht über ganze Tage pausieren, wie im vorliegenden Fall.

Praxisanmerkung:

Die Krankehausleitungen müssen sicher stellen, dass auch an Wochenenden und in Urlaubszeiten ein leitender Facharzt mit Zusatzweiterbildung Intensivmedizin zumindest stundenweise auf der Station anwesend ist. Eine telefonische Erreichbarkeit oder die Möglichkeit, den Facharzt von zu Hause hinzuzurufen, ist nicht ausreichend. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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