Virusinfektion im Krankenhaus?(2.12.2020) Bei Hygienemängeln sind die Anforderungen an den Vortrag eines Klägers, der glaubt, in einem Krankenhaus Opfer von Hygienedefiziten geworden zu sein, hoch. Insbesondere reicht es nicht aus vorzutragen, dass der betroffene Patient ohne Infektion eine Behandlung angetreten hat und nach der Behandlung infiziert war. Vielmehr muss der Patient konkrete Anhaltspunktes dafür nennen, dass es im Rahmen seiner Behandlung zu einem Hygienemangel in einem hygienisch beherrschbaren Bereich gekommen ist, der vom Ansatz her die tatsächlich eingetretene Infektion hätte verursacht haben könnte (LG Flensburg, Urteil vom 8. September 2020 – 3 O 375/14).

Der Fall:

Der klagende Patient litt unter einem Herzinfarkt der u.a. im Krankenhaus der Beklagten zu 1 stationär mittels Stents behandelt wurde.

Später wurde eine Infektion des Klägers mit Staphylococcus epidermidis bzw. MRSE bei ihm festgestellt.

Der Kläger warf der Beklagten zu 1 ein Organisationsverschulden vor, weil Hygienevorschriften verletzt worden seien. Der Kläger meint, die Beklagte zu 1 treffe insoweit die Beweislast - sie müsse beweisen, dass sie die Hygienevorschriften eingehalten habe. Weiterhin müsse sie beweisen, dass die Infektion des Klägers nicht aufgrund einer fehlerhaften Behandlung erfolgt sei. 

Die Entscheidung:

Das Landgericht Flensburg wies die Klage als unbegründet ab.

Der Kläger habe die Beweislasten falsch eingeschätzt. 

Eine MRSE-Infektion des Klägers im beklagten Krankenhaus im Zusammenhang mit der Behandlung seines Herzinfarktes mittels Stents habe der Kläger schon nicht hinreichend dargelegt, so das Gericht:

Das Vorbringen des Klägers erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass er aus dem Umstand, dass bei ihm im zeitlichen Zusammenhang mit dem Eingriff bei der Beklagten zu 1 eine Wirbelkörperentzündung auftrat, schließt, dass im Hause der Beklagten zu 1 zu der fraglichen Zeit ein angemessener Hygienestandard nicht gewährleistet gewesen sei und er sich dort „wahrscheinlich“ (Blatt 4 der Akte) mit dem Keim MRSE infiziert habe. Der Kläger stellt in diesem Zusammenhang verschiedene Mutmaßungen an, auf welchem Weg er sich mit dem MRSE-Keim infiziert haben könnte. So verweist der Kläger zum einen auf den Tod der Patientin E. S., die nach den Angaben der Beklagten zu 1 sowohl gegenüber deren Sohn als auch im Verfahren allerdings an MRSA verstorben sei. Diesbezüglich äußert der Kläger lediglich die Annahme, dass diese Patientin tatsächlich an MRSE verstorben sei. Worauf der Kläger seine Annahme stützt, wird nicht näher erläutert. Schließlich will der Kläger offensichtlich andeuten, dass der Keim an den gesetzten Stents vorhanden gewesen sei (Blatt 8 der Akte). Im Übrigen verweist der Kläger auf Zeitungsartikel, die unspezifisch über angeblich mangelnde Hygiene im Hause der Beklagten zu 1 berichten und zudem erst aus dem Jahre 2015 stammen, mithin nicht den im Streit stehenden Zeitraum der Behandlung des Klägers im ersten Quartal 2014 betreffen. Auf der Grundlage dieses Vorbringens hätte die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu eventuellen Hygienemängeln und zur Ursächlichkeit eventueller Hygienemängel eine in dieser Form auch in Arzthaftungssachen unzulässige Ausforschung bedeutet.

Praxisanmerkung:

Keiminfektionen im Zusammenhang mit einer Behandlung im Krankenhaus sind häufig. Diese Infektionen können aber ganz verschiedene Ursachen haben. Sie können auf Nachlässigkeiten bei der Behandlung in dem Krankenhaus beruhen, was behandlungsfehlerhaft ist und zu einer Haftung des Krankenhauses führen kann. Sie können aber auch auf sonstigen Gründen beruhen, z.B. kann sich der Patient schon vor der Krankenhausbehandlung infiziert haben oder auch danach. Die Infektion kann auch auf Nachlässigkeiten des Patienten beruhen, so dass er sich selbst mit dem Keim infiziert hat. Letztlich ist es daher Sache des Patienten nachzuweisen, dass die Keiminfektion durch das Krankenhaus verursacht wurde. Dieser Nachweis ist nur schwer zu führen. Zuersteinmal muss der Patient die Art und Weise, wei er infiziert wurde, darlegen, sprich einen Gescheensablauf darstellen, der eine Infektion im Krankenhaus wahrscheinlich macht. Beispiel: Im vorliegenden Fall hat der Patient aber nur allgemein dargelegt, dass er eine Infektion im beklagten Krankenhaus für wahrscheinlich hält. Das ist nicht ausreichend.

Was muss ein Patient in einem solchen Fall tun?

Zuersteinmal muss der Patient Hygieneverstöße darlegen, z.B. verschmutzte Räume, Gerätschaften, mangelnde Einhaltung von Hygieneregeln wie z.B. Behandlung von Wunden ohne Händedesinfektion oder ohne Handschuhe. Wichtig ist dann, dass der betroffene Patient sich nicht darauf beschränkt, der Klinik einen Hygieneverstoß nachzuweisen. Er muss möglichst konkret erklären, wie es konkret zu der Infektion gekommen sein könnte (Beispiel: Patient gibt an, in einem Zimmer neben einem Patienten untergebracht gewesen zu sein, der unter einer offenen, eiternden und mit einem Keim infizierten Wunde im Kniebereich litt, vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2016 – VI ZR 634/15). Dabei dürfen keine zu hohen Anforderungen an den Patienten gestellt werden, denn er ist medizinischer Laie.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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