Impfung gegen Corona(12.3.2021) Eine Kinder- und Jugendpsychotherapeutin gehört jedenfalls nicht zur Gruppe der Ärzte, die wegen erhöter Virusexposition vorrangig eine Impfung verlangen können. Zwar gehört sie wegen einer Krebserkrankung zur Gruppe derjenigen, die mit "erhöhter Priorität" geimpft werden sollen - da in Berlin aber noch nicht einmal alle Personen mit "höchster Priorität" geimpft sind, ist ihr Anspruch auf Impfung noch nicht fällig (Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 29.01.2021 – VG 14 L 33/21). 

Der Fall: 

Die in ... geborene Antragstellerin begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes eine sofortige Coronavirus-Schutzimpfung.

Sie ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in eigener Praxis. Ihr Ehemann ist als Mediziner im U tätig. Sie lebt mit zwei Kindern in Haushalt. Im Mai 2018 wurde bei der Antragstellerin ein multiples Myelom („Knochenmark-Krebs“) diagnostiziert (vgl. endgültiger Arztbrief vom 24. Februar 2019, Bl. 5 ff. der Gerichtsakte [GA]). Im Februar 2019 fanden eine autologe Stammzelltransplantation und Hochdosischemotherapie statt. Nach eigenen Angaben nimmt die Antragstellerin derzeit Medikamente mit stark immunsuppressorischem Effekt ein. Mit Schreiben vom 19. Januar 2021 (Bl. 14 f. GA) forderte die Antragstellerin den Antragsgegner auf, ihr einen Termin zur Impfung zuzuweisen.

Mit ihrem Eilantrag macht die Antragstellerin geltend, auf Grund ihrer Vorerkrankung würde eine COVID-19-Erkrankung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einem besonders schweren Verlauf mit einer deutlich erhöhten Sterberate von mehr als 50% führen. Sie beruft sich dazu auf eine Studie aus dem British Journal of Haematology, 2020 (vgl. Bl. 17 ff. GA). Außerdem müsse sie im Falle einer Infektion ihre derzeitige Therapie abbrechen, was mit einem sehr hohen Risiko für einen Rückfall des Myeloms einherginge. Als Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in eigener Praxis sei sie überdies einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Gleiches gelte aufgrund ihres familiären Umfelds. Auf Grund ihrer Tätigkeit gehöre sie zu den Personen, die in Bereichen medizinischer Einrichtungen mit einem sehr hohen Expositionsrisiko in Bezug auf das Coronavirus SARS-CoV-2 tätig seien (vgl. § 2 Nr. 4 der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 [Coronavirus-Impfverordnung - CoronaImpfV] vom 18. Dezember 2020). Jedenfalls sei hier eine analoge Anwendung geboten, weil sie einem wesentlich höheren Risiko ausgesetzt sei, als die in § 2 CoronaImpfV aufgeführten Personengruppen.

Die Entscheidung:

Zwar sei die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin wegen ihrer  Krebserkrankung zur Gruppe mit erhöhter Priorität bei der Corona-Schutzimpfung zu zählen. Da aber noch nicht einmal ansatzweise die Impfung der vorrangigen Gruppen der über 80jährigen etc. abgeschlossen sei, können sie derzeit noch keine Impfung verlangen. Überdies bestehe bekanntermaßen eine Knapphiet bei den verfügbaren Impfstoffen. 

Sie gehöre auch nicht zu der vorrangig zu impfenden Gruppe derjenigen Ärzte, die bei ihrer Arbeit in besonderem Maße Patienten mit Corona-Infektionen ausgesetzt seien. Dazu gehörten Ärzte auf Intensivstationen, in Notaufnahmen, in Rettungsdiensten, als Leistungserbringer der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, in den Impfzentren sowie in Bereichen, in denen für eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 relevante aerosolgenerierende Tätigkeiten durchgeführt werden. Bei der kinder- und jugendpsychotherapeutischen Praxis der Antragstellerin handele es sich nicht um eine solche Einrichtung. 

Praxisanmerkung:

Auch wenn in diesem Fall das Gericht dem Antrag der Therapeutin nicht entsprach, ist es gut und richtig, wenn Personenen, die sich als Risikogruppe ansehen oder die besonders infektionsgeneigte Tätigkeiten ausführen, eine vorrangige Impfung beantragen.

Der Antrag ist in jedem Falle schriftlich zu stellen. Richtiger Adressat ist die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (Berlin). Dem Antrag sind Belege für die Erkrankung (zB Arztbriefe) oder die Ausführung infektionsgeneigter Tätigkeiten beizufügen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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