Covid 19 Virus in Pflegeheimen(20.4.2021) Die Bewohnerin eines Altenheimes hatte mit einem Corona-Infizierten Kontakt gehabt. Die Gemeinde schickte sie deshalb auf ihr Zimmer für eine 21tägige Quarantäne. Weil sie geimpft ist, ein Corona-Test bei ihr negativ gewesen war und sie sich aus medizinischen Gründen dringend bewegen musste, klagte sie gegen die behördliche Entscheidung. Das Verwaltungsgericht Münster hob nun die Quarantäne auf, weil die Gemeinde einen entscheidenden Fehler gemacht habe (VG Münster, Beschluß vom 19.4.2021 - 5 L 255/21).  

Zur Vermeidung von Ansteckungen können potentiell Infizierte in Quarantäne verbracht werden. Bei der Entscheidung hat die Behörde ein Ermessen, d.h. sie kann eine Quarantäne anordnen, muss es aber nicht in jedem Fall. Dieses Ermessen bringt neben Freiheiten aber auch Pflichten für die Behörde. Da die Quarantäne eine einschneidende Freiheitsbeschränkung ist, muss die Behörde prüfen, ob der Schutz anderer vor Ansteckung nicht auch auf andere, mildere Weise sicher gestellt werden kann. 

Eben dies führte im Ergebnis dazu, dass das Verwaltungsericht die Quarantäne im Eilverfahren aufhob. Aus Sicht des Gerichts habe die Behörde hier ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Denn die Behörde hätte vor allem zu beachten gehabt, dass die Absonderung von Bewohnern in Pflegeeinrichtungen im Vergleich zu Personen, die sich im eigenen häuslichen Umfeld absondern müssten, für die Pfelegeheimbewohner mit besonderen Belastungen verbunden sei. Und die Bewohnerin hatte angegeben, dass sie aus gesundheitlichen Gründen dringend auf Bewegung angewiesen sei. Nichtsdestotrotz habe die Behörde kein milderes Mittel in Betracht gezogen wie z.B. die Bewohnerin mit FFP2-Masken oder weitergehender Schutzkleidung auszustatten. Denkbar wäre es auch gewesen, dass man der Bewohnerin das Verlassen ihres Zimmer zumindest zu bestimmten Zeiten (wenn die anderen Bewohner auf ihren Zimmern oder im Speisesaal sind) gestattete und ihr so etwas Bewegung zu ermöglichte.

Quelle: juris

Praxisanmerkung:

Die Entscheidung verdeutlicht die Belastungen von Personen in Quarantäne und ruft den Behörden in Erinnerung, dass sie bei der Anordnung einer derart weitreichenden Freiheitsbeschränkung mit Fingerspitzengefühl vorgehen und auch weniger einschneidende Alternativen erwägen müssen. Die Entscheidung gilt auch, wenn ein Pflegeheim Bewohner isoliert, ihnen das Verlassen des Heimes verbietet oder den Besuch Dritter einschränkt: Diese Maßnahmen sind rechtlich überprüfbar und müssen die betroffenen Rechte (Freiheitsrechte auf Seiten der Bewohner, Infektionsschutz der Allgemeinheit und der andreen Heimbewohner auf Seiten der Heime) sorgsam gegeneinander abwägen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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