handschriftliche Vermerke in der Behandlungsakte(16.6.2021) Streiten sich Arzt und Patient über die Behandlung und ob diese fehlerhaft war, so ist die Behandlungsdokumentation des Arztes ein wichtiges Beweismittel. Wenn aber der Arzt eine elektronische Patientendokumentation verwendet, die Veränderungen der Eintragungen nicht kenntlich macht, so kann dieser Dokumentation nicht derselbe Vertrauen geschenkt werden, wie einer papierenen Dokumentation. Denn die nachträglich veränderbare E-Akte rechtfertigt nicht den ausreichend sicheren Schluss, die dokumentierte Maßnahme sei tatsächlich erfolgt. Der Bundesgerichtshof hat deshalb nun entschieden, dass diese E-Akten nur einen eingeschränkten Beweiswert haben (BGH, Urteil vom 27.04.2021 – VI ZR 84/19). Welche praktischen Auswirkungen hat diese Entscheidung für Ärzte?

Der Fall:

Im vorliegenden Fall verwendete eine Augenärztin eine elektronische Patientendokumentation, die Veränderungen der Eintragungen nicht kenntlich macht. Ein Patient, der spätere Kläger, warf ihr Behandlungsfehler vor. Vor Gericht zu klären war u.a. die Frage, ob die Augenärztin vor der Untersuchung der Augen die - medizinisch gebotene - Weitstellung der Pupillen durch Augentropfen durchgeführt hatte, ohne die man die Augen gar nicht richtig untersuchen kann. Der Kläger wies glaubhaft darauf hin, dass er nach der Untersuchung selbst mit dem Auto nach Hause gefahren sei - unmöglich mit weitgestellten Pupillen. Die Augenärztin hatte aber in der elektronischen Patientenakte dokumentiert: „Pup. in medikam. Mydriasis" (Pupillen medikamentös weitgestellt). Wem war nun Glauben zu schenken? 

Die Entscheidung:

Der BGH entschied, dass einer elektronischen Dokumentation, die nachträgliche Änderungen nicht erkennbar macht, keine positive Indizwirkung dahingehend zukomme, dass die dokumentierte Maßnahme von dem Arzt tatsächlich getroffen worden ist. Denn dieser Dokumentation fehle die erforderliche Überzeugungskraft und Zuverlässigkeit. Damit folgt der BGH der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung. Auch wenn der Patient nicht aktiv darlege, dass die Dokumentation verändert bzw. manipuliert worden sei, müsse das Gericht diese Dokumentation - die es immer noch zu berücksichtigen habe - jedoch kritisch prüfen

Praxisanmerkung:

Eine elektronische Patientendokumentation, die Veränderungen der Eintragungen nicht kenntlich macht, verliert die auf Vertrauen basierende Indizwirkung der inhaltlichen Vollständigkeit und Richtigkeit, die eine papierene Dokumentation besitzt. Mit anderen Worten: Die Gerichte trauen dieser elektronischen Dokumentation nicht mehr so recht über den Weg. Wer sie verwendet, läuft Gefahr, dass der Dokumentation vor Gericht nicht geglaubt wird. Dies kann zu einer Haftung des Arztes zum Beispiel wegen Behandlungsfehlern führen.

Daher sollten Ärzte, die ja überwiegend schon elektronische Dokumentationssysteme nutzen, alsbald auf Softwaresysteme umrüsten, die eine fälschungssichere Dokumentation bzw. Kenntlichmachung von Änderungen bieten oder auf entsprechende Softwareupdates drängen.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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