(17.8.2021) Medikamentenhersteller, die sich in ihrer Werbung für ein Medikament auf Studien beziehen, müssen in der Werbung auf die unmittelbare Fundstelle der Studie verweisen, so dass der Leser die mitgeteilten Studienergebnisse kritisch und selbstständig zu überprüfen kann. Dagegen ist eine Werbung unzulässig, wenn dort mit den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Studie unter Angabe lediglich einer Fachinformation als Fundstelle geworben wird. Denn der Leser kann dann nicht unmittelbar auf die Studie zugreifen (Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 13. Juli 2021 – 6 W 43/21).
Der Fall:
Streitig war die Werbung einer Medikamentenherstellerin in Deutschland für einen Influenza-Impfstoff. Dessen Impfschutz wurde in der Werbung als überlegen bezeichnet. Zum Beleg verwies der Hersteller auf eine Studie aus Kanada und den USA. Eine Fußnote führte zu einer allgemein zugänglichen medizinischen Fachinformation. Diese war allerdings 5 Seiten lang und eng bedruckt. In der Fachinformation fand sich auch nicht die Studie selbst, sondern nur deren Zusammenfasung.
Ein Wettbewerber mahnte diese Werbung mehrfach erfolglos ab und beantragte schließlich eine Einstweilige Verfügung bei Gericht.
Das Landgericht wies den Antrag auf Unterlassung ab. Der Wettbewerber zog vor das Oberlandesgericht.
Die Entscheidung:
Das Oberlandesgericht untersagte der Werbenden die beanstandete Werbung für den Impfstoff.
§ 6 HWG sehe zum Ausgleich für die erhöhte Glaubwürdigkeit, die Gutachten oder Zeugnissen zukommt, für Gutachtenwerbung bestimmte formale Voraussetzungen vor. Das Fachpublikum, an das sich die Werbung richtet, solle mithilfe dieser Angaben in die Lage versetzt werden, die mitgeteilten Ergebnisse kritisch und selbstständig zu überprüfen. Diese Angaben müssten daher so beschaffen sein, dass damit die Veröffentlichung ohne Weiteres aufgefunden und besorgt werden kann. Nicht ausreichend sei es daher, dass etwaige Studienergebnisse bei den Zulassungsbehörden oder dem pharmazeutischen Unternehmer abgerufen werden könnten. Verlangt werde vielmehr die unmittelbare Angabe der in § 6 HWG aufgeführten Daten, also dass die Veröffentlichung und die Fundstelle genannt werden.
Die danach notwendige Angabe der Fundstelle habe die Werbende nicht vorgenommen. Nicht ausreichend sei die hier verwendete Angabe der Fachinformation als Fundstelle, in der wiederum die „richtige“ Fundstelle aufgeführt ist. Der Regelungszweck des § 6 UWG, die unmittelbare Überprüfung der in Bezug genommenen Ergebnisse zu ermöglichen, würde nicht erreicht, wenn der angesprochene Verkehr erst die Fachinformation konsultieren müsste. Diese sei zwar für den Verkehr verfügbar und müsse nicht erst angefordert werden. Notwendig wäre jedoch ein Suchen der Information in der fünfseitigen eng bedruckten Fachinformation (Anlage AS 8), was ein unmittelbares und schnelles Überprüfen der Studienergebnisse erheblich erschwere. Zudem findt der interessierte Verkehr dort auch nicht die Studie selbst, sondern nur eine Zusammenfassung. Erst die dort enthaltenen bibliographischen Daten - soweit vorhanden - ermöglichen in einem weiteren Schritt das Auffinden der Studie.
Praxisanmerkung:
Wer mit Studien wirbt, muss den unmittelbaren Zugriff auf die Studie sicher stellen. Die Fußnote zu der Studie muss also direkten Zugriff zur gesamten Studie erlauben - ein Zugriff zu einer Zusammenfassung ist nicht ausreichend. Der Werbende sollte auch sicher stellen, dass er den Link zu der Studie permanent setzt, z.B. indem er die Studie - selbstverständlich nur mit Genehmigung des Studienherausgebers - permanent auf der eigenen Webseite speichert. Denn Links zu anderen seiten können sich ändern, der Link dann ins Leere laufen und die Werbung damit angreifbar werden.
Die Entscheidung betrifft auch Ärzte, die für eine Behandlungsform werben, indem sie auf eine medizinische Studie verweisen. Dann muß auf die unmittelbare Quelle, die Studie selbst, in der Werbung verwiesen werden. Andernfalls riskiert der Werbende eine kostenträchtige Abmahnung und muss - wie im vorliegenden Fall - die Werbung unterlassen.