Kostenübermahme durch Krankenkasse(1.10.2021) Halten gesetzliche Krankenkassen eine medizinische Behandlung nicht für erforderlich, so lehnen sie die Übernahme der Kosten der Behandlung ab. Der krankenversicherte Patient ist dann aber nicht schutzlos, sondern kann sich die Leistung selbst beschaffen und ersteinmal bezahlen und dann von der Kasse Erstattung verlangen, soweit die Behandlung tatasächlich medizinisch notwendig war. Voraussetzung für diesen Kostenerstattungsanspruch (§ 13 Absatz 3 und 3 a SGB V) ist aber, dass der Patient zuersteinmal die Ablehnung der Kostenübernahme abwartet, bevor er sich für die Behandlung entscheidet (sog. Einhaltung des Beschaffungsweges). Eine Patientin, die eine bariatrische Magenverkleinerungsoperation durchführen lassen wollte, zahlte aber bereits vor Entscheidung der Kasse die Kosten der Operation an und kann deshalb keine Kostenerstattung verlangen, entschied nun das Landessozialgericht Bayern (Urteil vom 7.9.2021 - L 20 KR 256/18). 

Zum Schutz des gesetzlich krankenversicherten Patienten vor unberechtigten Leistungsablehnungen und übertlanger Bearbeitung von Anträgen auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse hat der Gesetzgeber § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V und § 13 Absatz 3 a SGB V geschaffen. Danach hat der Patient einen Kostenerstattungsanspruch, wenn er eine konkrete, medizinisch notwendige Leistung bei der Kasse beantragt hat und die Kasse entweder binnen einer bestimmten Frist nicht über seinen Antrag entschieden hat oder den Antrag ablehnt, obgleich die Behandlung medizinisch erforderlich war. Diese Fäle bezeichnet man als Systemversagen, denn dann hat das System der Kostenerstattung der Krankenkassen, das diese verpflichtet, die Kosten für alle medizinisch notwendigen Behandlungskosten ihrer Versicherten zu übernehmen, versagt. Um den Patienten davor zu schützen, dann ohne Behandlung "im Regen" zu stehen oder auf den übernommenen Kosten sitzen zu bleiben, gibt es den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 und § 13 a SGB V.

Dieses Problem tritt häufig auf bei teuren Operationen mit strittiger medizinischer Notwendigkeit (z.B. Magenverkleinerungen bei stark Übergewichtigen, Fettabsaugungen bei Fettverteilungsstörung) und bei Psychotherapien. 

Allerdings muss der Patient dabei zwingend bestimmte Schritte einhalten, will er nicht - wie die 25jährige übergewichtige Frau, die eine Magenverkleinerungsoperation und eine Nachoperation durchführen lassen wollte - die Kosten der Behandlung nachher selbst zahlen müssen:

  1. Patient muss sich ärztlich untersuchen lassen
  2. der Arzt/die Klinik muss die Behandlung als medizinisch notwendig ansehen
  3. der Arzt/die Klinik stellt dem Patienten einen Arztbrief oder eine möglichts detaillierte Stellungnahme aus, in der die medizinische Notwendigkeit der Behandlung dargestellt wird (je mehr Ärzte - Hausarzt, Facharzt, Psychiater etc.) diese Behandlung befürworten, desto besser
  4. der Arzt/die Klinik erstellt einen Kostenvoranschlag für die Kosten der Behandlung
  5. der Patient beantragt die Übernahme der Kosten der Behandlung schriftlich bei seiner Krankenversicherung und fügt die Stellungnahme sowie den Kostenvoranschlag bei
  6. auf keinen Fall darf der Patient schon vor Entscheidung der Kasse die Kosten der Operation anzahlen, weil er sich damit auf die Operation festlegt, bevor eine Entscheidung der Kasse vorliegt
  7. lehnt die Kasse den Antrag auf Kostenübernahme ab, so holt der Patient eine ergänzende ärztliche Stellungnahme ein und legt diese wiederum der Kasse vor und wartet eine zweite Ablehnung ab
  8. entscheidet die Kasse nicht binnen maximal fünf Wochen über den Antrag des Patienten, so kann der Patient die Behandlung planen und durchführen lassen
  9. die schlußendliche Rechnung übersendet der Patient dann an seine Krakenkasse und verlangt Erstattung an sich (wenn er die Rechnung bereits bezahlt hat) oder an den Arzt (wenn die Rechnung noch offen steht)

Lehnt die Kasse die Leistung ab vor Beginn der Behandlung und führt der Patient die Behandlung dann - unter Beachtung der o.g. Schritte - durch, so muss er sich (ebenso wie sein behandelnder Arzt) aber bewusst sein, dass er damit ein Risiko eingeht. Denn im Rechtsstreit muss der Patient die medizinische Notwendigkeit und das Systemversagen beweisen. 

Besser steht der Patient da, der keine rechtzeitige Antwort der Krankenkasse erhalten hat (Versäumung der Prüffrist) - in diesem Fall wird in einem Rechtsstreit grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Behandlung notwendig war. 

In jedem Fall sollte der Patient in einem solchen Fall einen Anwalt konsultieren, bevor er die Operation durchführen läßt.

Auch der Arzt muss in einem solchen Fall bestimmte Regeln beachten:

  1. bei Behandlungen, deren Kostenübernahme durch die Kassen schon in der Vergangenheit unklar war (z.B. Magenverkleinerungsoperationen), muss der Arzt den Patienten im Rahmen seiner wirtschaftlichen Aufklärungspflicht darauf hinweisen, dass es zu Kostenerstattungsproblemen kommen kann
  2. dies sollte der Arzt auch in seiner Behandlungsakte dokumentieren
  3. der Arzt muss den Patienten unterstützen, z.B. durch Arztbriefe und Stellungnahmen (und sich bewusst sein, dass dies sehr zeitintensiv sein kann)
  4. vermeiden sollte er es, sich Vorschüsse zahlen zu lassen, bevor entweder eine Leistungsablehnung der Kasse vorliegt oder die Zweimonatsfrist verstrichen ist. Denn  damit kann er den Erstattungsanspruch des Patienten zu Fall bringen
  5. in keinem Fall sollte der Arzt von dem Patienten frühzeitig einen Vorschuss fordern mit dem Argument, dies sei erforderlich, um die Operation zu buchen - wie die vorliegende Entscheidung zeigt, bleibt der Patient dann auf den Behandlungskosten sitzen